Liebe Frau Dr. Peirano,
ich bin mit meinem Mann in seiner zweiten Ehe verheiratet. Aus erster Ehe hat er zwei Kinder (8 und 5), ich habe eine Tochter mit ihm (2). Wir wohnen in Köln, meine Schwiegereltern im Umland. Ich habe keine eigenen Eltern mehr und hätte sehr gerne Anschluss an seine Eltern gefunden.
Meine Schwiegereltern, streng katholisch, lassen mich als seine Frau nicht richtig gelten. Sie haben immer noch sehr viel Kontakt mit der ersten Frau, treffen sie zum Kaffeetrinken und fahren sogar zusammen mit ihr und den Kindern aus erster Ehe in den Urlaub. Auch stehen bei ihnen noch Fotos von der "ersten" Familie herum. Die erste Frau ist aus der gleichen Kleinstadt wie meine Schwiegereltern, es gibt viele Gemeinsamkeiten, die Schwiegermama geht sogar zusammen mit ihr zum Friseur.
Als die Schwester der Mutter meines Mannes vor kurzem verstorben ist, hat sich die Ex-Frau in die erste Reihe in der Familie gesetzt, neben die Kinder, zwei Plätze weiter von meinem Mann. Mit mir redet sie nur das Nötigste. Das tat weh.
Ich bin aus einer Großstadt und habe eher einen höflichen, aber nicht so warmen Kontakt mit meinen Schwiegereltern, aber das liegt auch daran, dass sie immer noch so an der ersten Frau hängen.
Mich verletzt das sehr, dass ich in der Familie als seine Frau nicht anerkannt werden. Bin ich überempfindlich? Und was kann ich machen? Mein Mann hält sich raus, er will seinen Eltern nicht vorschreiben, was sie zu tun haben. Kann ich von ihm fordern, dass er mit seinen Eltern spricht?
Herzliche Grüße,
Jutta B.
Liebe Jutta B.,
ich kann gut nachfühlen, dass Sie sich in der Familie Ihres Mannes nicht willkommen und wohl fühlen. Es hört sich ein bisschen so an, als wäre kein Platz für Sie frei geräumt worden, weil immer noch die erste Frau Ihres Mannes auf diesem Platz sitzen bleibt. In einem guten Restaurant wäre man entrüstet, wenn man an einen Tisch geführt wird, an dem noch die benutzten Teller und Brotkrümel der Vorgänger sind - hier ist es noch viel drastischer. Aber irgendwie unternimmt keiner etwas.
Ich kann allerdings auch die Perspektive der Schwiegereltern ein Stück weit verstehen. Die Schwiegertochter kommt aus der Gegend, ist ihnen vertraut und teilt den Alltag mit ihnen, und es gibt viel Kontakt über die Kinder. Das wollen die Schwiegereltern sich nicht so einfach nehmen lassen, weil es für sie selbst bequem ist.
Eigentlich wäre es an Ihrem Mann, in seiner Familie die Beziehung zu ordnen, soweit ihm das möglich ist. Es sind seine Eltern, die seine neue Frau nicht akzeptieren und Ihnen dadurch Schmerzen bereiten. Es gäbe zwei Wege, die diese Situation verbessern würden.
Ihr Sohn könnte seinen Eltern deutlich sagen, dass Sie jetzt die neue Frau an seiner Seite sind und dass es ihm und Ihnen wichtig ist, dass Sie respektiert und willkommen geheißen werden. Dazu würde auch gehören, dass die Fotos aus der Zeit der ersten Ehe entfernt werden und Fotos von Ihnen beiden als Paar oder als Patchwork-Familie aufgestellt werden. Schließlich entscheiden nicht die Schwiegereltern, mit wem ihr Sohn zusammen ist, sondern er entscheidet das und sie sollten dieser Entscheidung folgen.

Dr. Julia Peirano: Der geheime Code der Liebe
Ich arbeite als Verhaltenstherapeutin und Liebescoach in freier Praxis in Hamburg-Blankenese und St. Pauli. In meiner Promotion habe ich zum Zusammenhang zwischen der Beziehungspersönlichkeit und dem Glück in der Liebe geforscht, anschließend habe ich zwei Bücher über die Liebe geschrieben.
Informationen zu meiner therapeutischen Arbeit finden Sie unter www.julia-peirano.info.
Haben Sie Fragen, Probleme oder Liebeskummer? Schreiben Sie mir bitte (maximal eine DIN-A4-Seite). Ich weise darauf hin, dass Anfragen samt Antwort anonymisiert auf stern.de veröffentlicht werden können.
Dazu gehört aber auch, dass abgesprochen wird, welchen Platz Sie auf Familienfesten oder Trauerfeiern haben, und welchen die Ex-Frau hat. Der Platz Ihres Mannes bei der Beerdigung wäre ganz eindeutig auf der Familienbank und Ihrer neben ihm.
Und jetzt kommt der zweite Punkt, der völlig ungeregelt ist und den Sie bislang ausbaden müssen. Wenn Sie sich mit der Ex-Frau gut verstehen würden und von Ihr respektvoll behandelt würden, wäre es vermutlich kein Problem, wenn sie auch bei der Familie sitzen würde. Das müsste aber mit Ihnen und Ihrem Mann besprochen werden.
Es ist aber nicht akzeptabel, dass die Ex-Frau es sich herausnimmt, Sie weitgehend zu ignorieren und dabei weiterhin den Platz als Schwiegertochter besetzt hält. Auch das müsste Ihr Mann ihr aufzeigen, um die Situation zu entschärfen. Gab es bestimmte Vorfälle oder eine problematische Vorgeschichte zwischen Ihnen und der Ex-Frau, die die Situation verschärft haben? Wenn Ja: Auch das müsste dringend geklärt werden! Sonst ist in dieser Familie kein Platz für Sie beide.
In einer Patchwork-Familie zu leben ist oft anstrengend und erfordert viel Toleranz, Entgegenkommen und Kommunikation zwischen allen Mitgliedern. Wenn das nicht geschieht, kommt es zu Verletzungen und oft zu Kontaktabbrüchen.
Und wenn man Ihr Szenario etwas weiter denkt, wäre Ihrem Mann nicht damit gedient, wenn Sie den Kontakt zu seinen Eltern und seiner Ursprungsfamilie komplett vermeiden und das Feld der Ex-Frau überlassen. Dann gibt es wahrscheinlich jedes Mal böses Blut, wenn er seine Eltern besucht.
Das Beste wäre, er klärt die Situation und stellt Rahmenbedingungen auf, mit denen Sie alle leben können. Und dazu gehört auch, seiner Ex-Frau zu erklären, dass sie seine neue Frau akzeptieren sollte und ihr den Platz der Schwiegertochter bewusst überlassen sollte. Schließlich haben die beiden sich scheiden lassen, und dazu gehört eben auch ein gewisses Loslassen.
Ich hoffe, dass Sie die Situation bald klären und angemessene Grenzen ziehen können.
Herzliche Grüße,
Julia Peirano