J. Peirano: Der geheime Code der Liebe Meine Tochter verzweifelt an der Partnersuche – wie kann ich ihr helfen?

Das Liebesglück der Kinder beschäftigt viele Eltern (Symbolbild)
Das Liebesglück der Kinder beschäftigt viele Eltern (Symbolbild)
© elenaleonova / Getty Images
Nadia hat wenig Glück in der Liebe, findet ihre Mutter Konstanze. Und bittet um Rat. Doch was steckt wirklich dahinter?

Liebe Frau Peirano,

es geht um meine 29-jährige Tochter Nadia, die bisher drei Beziehungen hatte:

  • Mit 18 Jahren für vier Jahre, einvernehmliche Trennung 
  • Mit 23 Jahren für drei Jahre, ihre große Liebe. Die Trennung erfolgte durch den Mann: Er könne sie nicht mehr vermissen und würde sie nicht mehr lieben. Dies war für Nadia ein großer Schlag, sie war völlig unvorbereitet, auch wenn sie jetzt meint, dass die äußeren Umstände etwas schwierig gewesen seien (neue Arbeitsstelle beim Freund, viele Praktika bei ihr, zu wenig Zeit), jedoch für sie kein Grund, an die Beziehung zu zweifeln
  • Mit 27 Jahren für ein Jahr, schwierige Beziehung, vermutlich Borderliner, viele Herabwürdigungen…. Nadia hat noch lange Verantwortung für den Mann gespürt und noch viel probiert

Aktuell geht es um einen Mann - Piet. Nach einem sechsmonatigen Schreibkontakt hat Nadia Mitte Juni ein Treffen vorgeschlagen. Seit diesem Treffen ist Piet aktiv geworden. Er schlug die nächsten Treffen vor, er rief sie an und bemühte sich auf vielerlei Art, sie übernachteten beieinander… als Paar hatten sie sich aber noch nicht bezeichnet. Einziges Problem bis dahin war der wegen Arbeit im Januar geplante Wegzug von Piet. Aber beide waren der Meinung, dass es sicherlich eine Lösung geben würde.

Nach zwei Monaten besuchte Piet seine Familie in seinem Heimatort und Freunde in seiner Studienstadt. Wie sich dann nach der Rückkehr herausstellte, hatte Piet sich mit seiner Ex-Freundin getroffen, die sich im November 20 von ihm getrennt hatte. Nachdem sie seitdem keinen Kontakt hatten, hatte sie ihm dann mitgeteilt, dass sie wieder eine Beziehung mit ihm wolle. Piet sagte Nadia, dass alles wahr gewesen sei, was er ihr gesagt habe. Die noch vorhandenen Gefühle zur Ex habe er verschwiegen, um das, was sich zwischen ihnen entwickelte, nicht zu gefährden. Und er habe schnell gemerkt, dass er mehr wollte von ihr.

Aber mit seiner Ex sei er drei Jahre zusammen gewesen (wenn auch meist als Fernbeziehung, zur Trennung kam es, als er wieder in der Nähe der Ex lebte), sie hätten menschlich gut harmoniert, seine Bindungsangst habe zur Trennung beigetragen und er müsse dem einfach noch eine Chance geben. Nadia spürte, wie schwer es ihm fiel. Er sprach davon, sie gerne küssen zu wollen, er streichelte ihr Gesicht und Arm. Bei einem weiteren Treffen war er schweigsam und nahm Nadia in den Arm, als sie nach seinem Befinden fragte. Nadia versteht seine Entscheidung zwar schon, war und ist aber schwer getroffen und sehr verwirrt. Sie kann es einfach nicht begreifen, dass jemand sich so sehr auf etwas Neues einlässt, wenn er gefühlsmässig noch stark gebunden ist. Sie fühlt sich trotz seinen Erklärungen ausgemustert und nicht gut genug.

Sie vermisst auch den guten Freund, mit dem sie viel unternehmen konnte. Sie haben weiterhin schriftlichen Kontakt, der auch durchaus von Piet ausgeht und sie plant auch, sich weiter mit ihm zu treffen – freundschaftlich, sie könne ihr Innerstes gut vor ihm verbergen und unbeschwert wirken… sie möchte noch nicht aufgeben.

morgenstern

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Nadia fühlt sich allgemein vom Schicksal stark gebeutelt. Sie möchte Partnerschaft und Familie, das Leben laufe an ihr vorbei und sie bleibe mit 29 Jahren einfach stehen. Es sei schwierig, nette Männer kennenzulernen, und keiner halte es ja mit ihr aus, wie ihre Erfahrungen zeigen würden. Es läge an ihrer Person.

Ich bin ebenso ratlos wie Nadia, was kann ich ihr sagen? Sollte sie sich zurückziehen, kann sie freundschaftlichen Kontakt haben, wenn es ihr gut tut, soll sie ehrlich sagen, wie es um ihr Gefühlsleben steht? Weiterhin: Wie kann ich mich verhalten in Bezug auf ihr Selbstbild? Es ist schnell falsch, was ich sage. Ich mag aber auch nicht stehen lassen, dass sie sich die Schuld gibt und sich dies bei ihr festsetzt. Beratung, um sich etwas aufzubauen, lehnt sie völlig ab, Hypnose vor vier Jahren war eine schlechte Erfahrung.   

Vielen Dank für Ihre Antwort,

Konstanze M.

Liebe Konstanze M.,

als ich Ihre Zuschrift gelesen habe, meldeten sich zwei verschiedene Stimmen in mir, die Ihr Schreiben kommentierten.

Zum Einen dachte ich: Das ist aber toll, dass eine Mutter so viel über das Liebes- und Gefühlsleben ihrer Tochter weiß und anscheinend das volle Vertrauen der Tochter genießt. Und es ist auch schön, dass Sie als Mutter sich so viele Gedanken machen und sich wünschen, dass es Ihrer Tochter Nadia gut geht.

Porträt Dr. Julia Peirano
© Kirsten Nijhof

Dr. Julia Peirano: Der geheime Code der Liebe

Ich arbeite als Verhaltenstherapeutin und Liebescoach in freier Praxis in Hamburg-Blankenese und St. Pauli. In meiner Promotion habe ich zum Zusammenhang zwischen der Beziehungspersönlichkeit und dem Glück in der Liebe geforscht, anschließend habe ich zwei Bücher über die Liebe geschrieben. 

Informationen zu meiner therapeutischen Arbeit finden Sie unter www.julia-peirano.info.

Haben Sie Fragen, Probleme oder Liebeskummer? Schreiben Sie mir bitte (maximal eine DIN-A4-Seite). Ich weise darauf hin, dass Anfragen samt Antwort anonymisiert auf stern.de veröffentlicht werden können.

Zum Anderen dachte ich aber auch: Warum schreibt Nadia mir nicht selbst, wenn sie mit ihrem Liebesleben unzufrieden ist? Warum teilt sie noch alle Sorgen und Details mit ihrer Mutter und gibt diese Last vielleicht auch an ihre Mutter ab? Ist das Verhältnis zwischen Ihnen beiden angemessen abgegrenzt für eine 29-Jährige?

Ich wollte Ihnen diese Gedanken erst einmal zurück melden, in der Hoffnung, dass Sie Ihr Verhältnis zu Ihrer Tochter selbst hinterfragen und für sich einen Standpunkt finden. Manchmal ist man ja etwas betriebsblind, wenn es die eigenen vertrauten Beziehungen betrifft.

Vielleicht bekommen Sie deshalb von mir auch nicht die Antwort, die Sie sich erhoffen. Weil es definitiv Nadias Angelegenheit wäre, sich um Rat oder eine Einschätzung zu bemühen. Und genau das lehnt sie ab. Ist auch das ein Muster zwischen Ihnen beiden? Nadia klagt und leidet, lehnt aber konstruktive Hilfe ab – und Sie machen sich Sorgen und suchen nach Lösungen, die Nadia nicht annimmt?

Ich habe in meiner Therapieausbildung einen sehr wichtigen Satz gelernt: "Man kann nicht den Hund zum Jagen tragen". Der zweitwichtigste Satz war: "Arbeite nie härter als dein Patient." In einer Therapie geht es also immer darum, genau zu erfragen, was der/die Patient*in erreichen will und nicht, was man selbst für den Patienten erreichen möchte.

Was würde Nadia sagen, wenn Sie sich fragen, was genau Sie von Ihnen als Mutter möchte?

Würde Sie sagen: Bitte hör mir zu und verstehe mein Leid?

Oder: Sag mir, was ich machen soll?

Oder: Bestätige mein Weltbild, dass es heutzutage schwierig ist mit den Männern und Beziehungen? Eine junge Frau nannte das einmal: "End of Romance" – und ich kann sie verstehen.

Fragen Sie doch einmal deutlich nach, was Sie für Nadia tun können, und dann überlegen Sie sich gründlich, ob Sie das auch tun möchten. Oder ob Sie sagen: Besprich das mit einer Therapeutin oder einer Freundin.

Sie könnten vielleicht auch einige indirekte Gesprächstechniken anwenden, um Nadia selbst zum Nachdenken zu bringen. Zum Beispiel können Sie sie fragen, was sie einer Freundin raten würde, die in genau der gleichen Situation ist. Oder Sie könnten sie fragen, was sie selbst zu der 29-jährigen Nadia sagen würde, wenn sie eine lebenserfahrene, glückliche 80-Jährige wäre.

Sie könnten ihr beiläufig das Buch: "Mit Schuld, Scham und Methode" von Maren Lammers empfehlen (oder es zufällig herumliegen lassen). Aber die eigentliche Arbeit obliegt Nadia, und ich frage mich immer noch, warum sie sich nicht selbst um eine Lösung bemühen möchte.

Und warum Sie als Mutter nach einer Lösung suchen. Bringt es Ihnen als Mutter auch etwas, stellvertretend etwas zu erleben und Teil zu haben an der modernen Partnersuche? Haben Sie selbst noch ungelöste Themen mit Nadia (Schuldgefühle, etwas in der Erziehung "versäumt haben", Perfektionismus in der Rolle als Mutter, Abgrenzungsprobleme), die Sie hier so aktiv werden lassen?

Ich hoffe, dass meine Antwort Sie nicht enttäuscht, weil ich ja auf einen anderen Aspekt abziele als auf das, was Sie gefragt haben.

Herzliche Grüße

Julia Peirano

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