Der Sport, der hat es leicht. Da findet es jeder völlig normal, dass miteinander gerungen wird, dass es Gute gibt und Bessere, dass Sieger gekürt werden und dass nicht alle gewinnen können. Außerdem wird akzeptiert, dass besondere Talente besonders gefördert werden, denn sie sollen ja schließlich zur Elite gehören. Wenn es allerdings außerhalb von Sportplätzen oder Trainingszentren um Eliten geht, wird es haarig. Eine entspannte und sachliche Diskussion über Eliten ist in Deutschland ein Widerspruch in sich. "Elitär" nennt eigentlich kaum jemand etwas, ohne dabei die Nase zu rümpfen. Warum?
Missbrauch des Elite-Begriffs
Der Faschismus, der Nationalsozialismus und auch der Bolschewismus hatten den Begriff der Elite für sich reklamiert und so missbraucht, dass er weit über das Ende der Schreckensherrschaften hinaus für viele problematisch bleibt. "All jene, die den Despoten zum Trotz am Elitenbegriff festhielten, gerieten schnell in den Verdacht, keine echten Demokraten zu sei"», schrieb der damalige Bildungsminister Jürgen Rüttgers (CDU) im April 1998. Und fügte hinzu: Historisch möge das verständlich sein, richtig aber sei es nicht.
Was ist gemeint?
Der Begriff der Elite pendelt heute nicht nur in der Bildungsdiskussion zwischen Tabu und Schlüsselwort. Das Problem ist die extreme Unschärfe des Begriffs. Was ist gemeint: Funktionseliten? Verantwortungseliten? Besonders Begabte, besonders Reiche, besonders Wichtige? Geht es um ein Geburtsrecht oder um etwas Erworbenes?
Ungleichheit nichts Schlimmes
Nach einer jahrelang vorwiegend von eher unverrückbaren Positionen aus geführten Debatte deutet sich allmählich so etwas wie ein kleinster gemeinsamer Nenner an: Ungleichheit ist auch in westlichen Demokratien nicht immer etwas Schlimmes. Forschung und Verbände werben verstärkt um Akzeptanz dafür, dass nunmal nicht alle Menschen über die gleichen Fähigkeiten verfügten, dass manche Ideen besser seien als andere, dass die Gleichbehandlung von Ungleichen ungerecht sei und einer Gesellschaft massiv schade.
Förderung soll sich an den Verdiensten orientieren
Fürsprecher von Hochbegabten setzen sich seit langem vehement dafür ein, die Förderung ausschließlich an den Verdiensten eines Menschen zu orientieren und keinesfalls an seiner Herkunft. Die Furcht vor quasi ständisch geprägten Kaderschmieden aber wird vor allem damit begründet, dass sich nicht jeder leisten könne, seine Fähigkeiten teuer ausbilden und fördern zu lassen. Ist das also eine Aufgabe für den Staat - oder doch eher für die Wirtschaft? Und steht "Elite" für die geldwert reproduzierbaren Fähigkeiten eines Menschen - oder seinen herausragenden Wert für die Gesellschaft?
Negative Belegung des Wortes
Der ermordete Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank, Alfred Herrhausen, schrieb: "Es ist kein Luxus, große Begabungen zu fördern, es ist Luxus, und zwar sträflicher Luxus, dies nicht zu tun." Dagegen schreibt die "New York Times" sarkastisch: "'Elitarist' rangiert als Schimpfwort gerade unterhalb von 'Rassist' und vielleicht um Haaresbreite über 'Sexist'. Es ist ein Konversationskiller, ein ideologischer Molotow-Cocktail."
Eliten existieren immer
Wie soll eine Gesellschaft mit besonderen Leistungen umgehen? Bringt es weiter, wenn zum Beispiel der Zukunftsforscher Matthias Horx statt "Elite" lieber "Zukunftsagenten" schreibt? Der damalige Bundespräsident Roman Herzog meinte 1996, indem man den Begriff Elite meide, täusche man höchstens darüber hinweg, dass Eliten in dieser oder jener Form immer existierten.
"Gleichheit ist nicht gerecht"
Im Oktober 2003 titelte die Wirtschafts-Zeitschrift "Brand eins": "Gleichheit ist nicht gerecht" und führte aus, Gleichheit sei ein missverstandenes Grundprinzip moderner, demokratischer Gesellschaften - es drohe die kollektive Mittelmaßgesellschaft.
Negative Reaktionen auf hochbegabte Kinder
Die Situation ist in der Tat etwas paradox. Schildern Betroffene zum Beispiel Reaktionen auf ihre Mitgliedschaft in der "Deutschen Gesellschaft für das hochbegabte Kind", sieht das so aus: Ahnungslosigkeit (oft), Unverständnis (oft), Empörung (manchmal), leichtes Mitleid (immer). Andererseits wäre es schon recht, wenn mehr Nobelpreisträger vielleicht aus Passau kämen oder aus Kiel, und wenn diese auch noch erfolgreich an deutschen Universitäten forschten.
Es sieht so aus, als sei die Frage "Wie halte ich's mit den Eliten?" ein wenig umfangreicher als der Streit über eine deutsche Elite-Universität.