Wie vermittelt man Kindern eine schwierige Wahrheit? Wie erzählt man vom Holocaust, dass es nicht wie eine erfundene Horrorgeschichte klingt? Der britische Kinderbuchautor Michael Rosen, 74, hat für sich einen Weg gefunden: Er erinnert sich an die Fragen, die das Thema Krieg bei ihm selbst als Kind aufkommen ließ. Für den britischen "Guardian" erzählte er aus seiner Kindheit, von seiner Arbeit mit Kindern und von der Reaktion eines Schülers, die ihn zum Nachdenken gebracht hat.
Seine eigene Familiengeschichte, in der zwei seiner französischen Onkel während des Krieges nach Auschwitz deportiert worden sind, führte dazu, dass er inzwischen vor Schülern und Studenten über den Holocaust spricht. Er hat sich sein Leben lang intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt. Als es Ende der Achtzigerjahre immer mehr Holocaust-Leugner gab, wurde Rosens Anliegen noch dringender. Er forschte die nächsten 30 Jahre lang dazu, was damals genau mit seinen Onkeln geschehen war. Schließlich kamen ein paar Fakten zusammen und er begann darüber zu schreiben. Das führte dazu, dass er gebeten wurde, Studenten über den Holocaust aufzuklären. In einem College stellte ihm ein junger Mann nach einem Vortrag dennoch die Frage: "Aber nichts davon ist wirklich passiert, oder?" Das brachte Rosen aus der Fassung. Er hatte den Studenten Fotos, Diagramme, Briefe und Listen gezeigt, warum hatte sie das nicht überzeugt, dass es den Holocaust wirklich gab?

Die Verbindung zum eigenen Leben fehlte
Rosen erinnert sich an seine Kindheitserlebnisse, wenn er Kindern über den Holocaust erzählt. Im Alter unter zehn klangen die Geschichten aus seiner eigenen Familie für ihn traurig, aber merkwürdig, weil es keine Verbindung zu dem sicheren Leben gab, das er führte. Bei einer Reise nach Deutschland wollten seine Eltern das KZ Buchenwald besuchen und sagten ihm und seinem Bruder, es wäre zu furchtbar, als dass sie mitkommen könnten. Rosen erinnert sich, das seine Mutter grau im Gesicht war, als sie zurückkam. Sie erklärte den Jungen, dass Tausende Menschen dort gefoltert und ermordet worden waren. Menschen wie sie, Juden. Rosen war damals elf Jahre alt und hatte kurz zuvor den Folterraum im Tower of London gesehen. Er bekam eine Ahnung, wovon seine Mutter sprach.
Inzwischen erzählt Rosen den Schülern nicht mehr nur die Daten und Fakten. Die Historikerin Helen Weinstein hatte ihn gebeten, Workshops an Grundschulen in Cambridge zu halten. Sie bat ihn um einen Unterrichtsmix, der daraus bestand, die Geschichte von Rosens Familie zu erzählen, Gedichte und Liedtexte zu schreiben und den Kindern dabei zu helfen, selbst Gedichte zu schreiben. Das Konzept funktioniert, wie ihm einer der Schulleiter einer Grundschule erzählte. Die Familiengeschichte führe dazu, das der Genozid für die Kinder nicht länger "etwas Abstraktes ist, das anderen passiert. Es geschieht mit echten Menschen, Menschen wie ihnen und es passierte in der Vergangenheit ebenso wie es auch heute noch passiert."
Michael Rosen hat seine Familiengeschichte als Kinderbuch verfasst. Die deutsche Übersetzung wird hoffentlich bald erscheinen.
Quelle:"The Guardian"