Leben mit Hartz IV Kein Geld für die Schultüte

Zwar sind Hartz-IV-Empfänger in den meisten Bundesländern von der Eigenbeteiligung beim Kauf von Schulbüchern befreit, doch der gesamte Rest der Einschulungskosten bleibt an ihnen hängen. Allerdings gibt es Ausnahmen.

Der erste Schultag ist für Kinder aufregend und für Eltern teuer. Die Ausgaben für Stifte, Schulranzen, Bücher, Hefte und nicht zuletzt die Schultüte summieren sich leicht auf einen dreistelligen Eurobetrag. Noch mehr Geld wird für einen kindgerechten Schularbeitsplatz fällig. Hartz-IV-Empfänger sind zwar in vielen Bundesländern von der Eigenbeteiligung beim Kauf von Schulbüchern befreit, die übrigen Ausgaben müssen sie jedoch grundsätzlich aus dem Regelsatz bestreiten. So stellt eine Entscheidung des Sozialgerichts Berlin unmissverständlich klar, dass es für "Aufwendungen anlässlich einer Einschulung" keinen Zuschlag zum Arbeitslosengeld II (ALG II) gibt (Entscheidung vom 19. Juli 2006, AZ: S 106 AS 6175/06 ER).

Antrag "Beihilfe zum Schulbedarf"

In der amtlichen Bedarfsaufstellung, die der Berechnung des Regelsatzes für ALG-II-Empfänger zu Grunde liegt, sind allerdings gar keine Kosten für die Schulbildung berücksichtigt. Hartz-IV-Initiativen weisen seit langem auf diesen Widerspruch hin und raten Betroffenen, bei den zuständigen Behörden trotz der geltenden Rechtslage einen Antrag auf "Beihilfe für Schulbedarf" zu stellen - ein Musterformular mit ausführlicher Antragsbegründung steht auch online zur Verfügung (www.erwerbslosenforum.de/an.htm).

Einige Städte und Kommunen haben auf das Problem reagiert. In Göttingen beispielsweise gibt es für Kinder, die in diesem Sommer eingeschult werden, eine einmalige Beihilfe zum ALG II von maximal 80 Euro. Die Summe wird nicht ausgezahlt, sondern als Gutschein ausgegeben. Eltern, die Schulmaterial bereits besorgt haben, bekommen die Ausgaben gegen Vorlage der Kaufbelege erstattet. Der Landkreis Dahme-Spreewald in Brandenburg gewährt einen Zuschlag von pauschal 80 Euro je Schulanfänger aus bedürftigen Haushalten. Um die Beihilfe zu bekommen, genügt ein formloser Antrag mit Einschulungsnachweis. In Oldenburg gibt es immerhin 50 Euro für den Einschulungsbedarf.

Ausweg: Antrag auf ein Darlehen

Gibt es keine kommunale Sonderregelung und lehnt die zuständige Behörde den Antrag auf eine Einschulungsbeihilfe (erwartungsgemäß) ab, kommt eventuell ein Antrag auf ein Darlehen in Betracht. Zwar schloss das Sozialgericht Berlin in der zitierten Entscheidung auch eine rückzahlbare Beihilfe aus, da es sich bei Schultüte und Ranzen nicht um "unabweisbaren Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhaltes" gemäß Paragraf 23, Absatz 1 SGB II handele. Die Richter am Sozialgericht in Schleswig urteilten jedoch anders. Die Sozialbehörde müsse ein Darlehen gewähren, sofern keine ausreichenden Ersparnisse vorhanden seien (Beschluss vom 14. August 2006, AZ: S 3 AS 663/06 ER). Jedenfalls sei einem Erstklässler nicht zuzumuten, Schultüte und Ranzen seiner elf Jahre älteren Schwester zu tragen, wie die Behörde vorgeschlagen hatte.

DDP
Hendrik Roggenkamp/DDP

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