Studentische Ess-Kultur in München
Die frühkindliche Phase mit Spinat und Iglu-Fischstäbchen haben wir hinter uns gelassen. Das Restaurant mit drei Michelin-Sternen lässt noch lange auf sich warten. Wir sind zwischen den Ess-Kulturen gefangen. Die Studentenzeit - es ist die Zeit der Mensa.
Sie ist der Restaurant-Ersatz. Einmal keine selbstgewärmte Aldi-Tiefkühlkost, kein trockenes Brötchen in der WG-Küche. Einfach hingehen und etwas Warmes bekommen, ohne Kampf mit Herd und Backofen. Und das so billig: Drei bis sechs Mark und man ist in München dabei. Das Studentenwerk kocht und alle können kommen.
Bestimmt seit Sokrates gehen die Meinungen über dieses Mensa-Essen auseinander. Es polarisiert: Entweder man hasst oder man liebt es. Ein Zwischending existiert nicht. Wer die Schlangen in der Mensa an der Leopoldstraße sieht, muss zum Schluss kommen, das Essen dort werde geliebt. Die Schlangen beginnen an der Münzausgabe, ziehen sich die Treppe zur Essenausgabe hinauf - quer durchs Gebäude.
Hört man aber auf die öffentlichen Meinung, muss die Mensa gehasst werden. Es gehört schlicht zum guten Ton des durchschnittlichen Studenten, all-mittäglich über das Essen zu schimpfen. Wie damals in der Jugendherberge; alles ist schlecht, was nicht von Mama kommt. Tiefenpsychologische Erklärung: Offensichtlich wollen die Meckerer nur vorgaukeln, selbst besser kochen zu können, als »die« in der Mensa.
»Die« in der Mensa, das sind bis zu 80 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die uns das Essen über die Theke reichen oder mit dem Kochlöffel hinter den Kulissen werkeln. Und alle hören sie auf das kulinarische Kommando von Armin Rosch, dem Leiter der Mensen. Er und ein Gremium aus den Küchenchefs und einer Ökotrophologin (die sich um die Gesundheit im Essen kümmert) haben die uneingeschränkte Macht über den Speiseplan. »Ein Gericht sollte sich nicht nach drei Wochen wiederholen«, gibt Rosch als Devise aus - ansonsten ist alles drin. Bis auf Rindfleisch. Vorläufig ist es vom Speiseplan gestrichen. Man ist vorsichtig wegen BSE.
In den beiden Hauptmensen gehen täglich gut 9.000 Essen auf die Studententeller. In gerade mal drei Stunden täglich von elf bis vierzehn Uhr - das sind 3.000 Essen pro Stunde, 50 Essen in der Minute, ein phänomenaler Schnitt. Bei diesen Zahlen kann es einfach nicht mit viel Liebe zugehen. Die Damen in Weiß an der Essensausgabe befragen nicht nach speziellen Gerichtswünschen, sondern sagen schneidig »Nächster«. Und es gibt nicht einmal richtige Teller. Tablett und Teller sind zu einem rationalen Ding verschmolzen, mit Fächern für Sauce, Kartoffeln und Ablagefach fürs Besteck. Nicht gerade ästhetisch - aber eben praktisch. Wie so vieles in der Mensa. (af)