In England ist kurz vor dem 20. Jahrestag der Anschläge vom 11. September 2001 eine Studie erstellt worden, die Eltern und Lehrer alarmieren dürfte. Der Untersuchung zufolge nehmen extreme Ansichten in Klassenzimmern zu, und auch Verschwörungstheorien seien weit verbreitet. Erstellt wurde die Untersuchung laut britischen Medien am University College London (UCL) von dem dortigen Institute of Education. Insgesamt 96 Lehrer seien dafür befragt worden – und herausgekommen seien Tendenzen, die viel Aufsehen erregen. Die Untersuchung war am Dienstag ein viel diskutiertes Thema in britischen Medien.
In der Untersuchung berichteten die befragten Pädagogen, dass in Englands Schulen extreme Ansichten in den vergangenen Jahren zugenommen haben und dass viele Schüler – komplett absurden – Verschwörungstheorien aus dem Internet Glauben schenkten, ohne diese zu hinterfragen.
Studie bezieht sich auf Schulen in England – doch woanders dürfte die Lage ähnlich sein
Die Untersuchung bezieht sich zwar explizit nur auf England. Allerdings ist in anderen Teilen Großbritanniens und weltweit die Lage vermutlich ähnlich: Kinder sind viel im Internet unterwegs und lesen und hören dort Inhalte, die sie nur unzureichend einordnen oder differenziert betrachten können.
Und die Schulen? Zumindest laut der Studie geben sie kein gutes Bild ab: Die Institutionen würden oft nichts oder zumindest nur sehr wenig dagegen tun, so die Analyse der befragten Lehrer. Denn die Bekämpfung von Extremismus an englischen Schulen sei vor allem darauf ausgerichtet, Schüler, die sich radikalisieren, herauszufiltern und den Behörden zu melden.
Viel sinnvoller wäre es jedoch, den Kindern und Jugendlichen die Mechanismen radikalen Denkens aufzuzeigen und sie damit zu befähigen, selbst diese Tendenzen zu erkennen und radikales Denken zu hinterfragen. Die Diskussionen an Schulen über solche Themen seien oft viel zu oberflächlich und erreichten nicht das Ziel, dass sich die Kinder kritisch mit solchen Inhalten auseinandersetzen, kritisiert die Studie. Aktuell würde an Schulen kaum etwas unternommen, um Desinformation aus dem Internet oder hasserfüllte Inhalte zu bekämpfen.
Schüler sollten lernen, extreme Ideologien zu erkennen
Die Studie sei ein Weckruf, wurde Kamal Hanif, einer der Initiatoren der Befragung, im "Guardian" zitiert. "Wir müssen sicherstellen, dass jeder Schüler und jede Schülerin lernt, wie man extremen Ansichten und Ideologien widersteht", so der Experte, der sich vor allem damit auseinandersetzt, wie gewalttätiger Extremismus an Schulen verhindert werden kann.
Laut dem "Guardian" zeigte die Studie, dass etwa die Hälfte der befragten Lehrerinnen und Lehrer schon einmal rechtsextreme Ansichten in ihren Klassen gehört hätten. Dreiviertel seien Zeugen von frauen- oder islamfeindlichen Aussagen gewesen, und fast jede Lehrkraft habe auch schon rassistische Sprache im Klassenzimmer gehört. Gut 90 Prozent habe schon einmal mitbekommen, dass Schüler und Schülerinnen an völlig aus der Luft gegriffene – und im Internet verbreitete – Verschwörungstheorien glaubten, wie an die, wonach "Bill Gates Menschen mithilfe von Mikrochips in Covid-Impfstoffen kontrolliere".
Immerhin – es komme selten vor, dass Kinder und Jugendliche eine insgesamt radikalisierte Weltsicht hätten, fand die Untersuchung heraus. Radikale Tendenzen und extreme Ansichten zu einzelnen Themen seien jedoch recht häufig anzutreffen.
Woran mangelt es den Schulen in Großbritannien?
Leider hapere es in den Schulen oft daran, solche Meinungen zu widerlegen, wie die Untersuchung ebenfalls gezeigt habe. Lehrerinnen und Lehrer sagten, sie hätten Angst, bestimmte Themen anzusprechen aus Furcht, etwas falsch zu machen, vor allem, wenn es um Hautfarben gehe. Ein Fünftel der Lehrkräfte fühle sich nicht sicher genug, Verschwörungstheorien oder Rechtsextremismus im Unterricht anzusprechen.
Ein Problem sei auch, dass Schulen hin und hergerissen seien zwischen vollgestopften Stundenplänen und Budgetsorgen – und das zu seiner Zeit, in der die Gesellschaft einen grundlegenden Wandel erlebe, in der die digitale Revolution Menschen dazu befähige, hasserfüllte Inhalte per Knopfdruck zu verbreiten, kommentiere Geoff Barton, Generalsekretär der "Association of School and College Leaders", einer Vereinigung für Führungskräfte an Schulen und Colleges, im "Guardian".

"Diese Studie zeigt, dass manche Schulen nur oberflächlich an den Themen Gewalt, Extremismus und Radikalisierung kratzen, sagte Becky Taylor vom UCL, eine der Initiatorinnen der Studie, zu "Sky News". Laut dem Fazit des Online-Portals zu der Untersuchung verschärfte die Corona-Pandemie mit ihren Lockdowns und dem wachsenden Online-Konsum die Situation der Kinder.
Die Studie schlägt bessere Trainings für Lehrerinnen und Lehrer vor, damit sie in der Lage sind, mit ihren Klassen über Extremismus zu sprechen – und etwas in den Köpfen der Kinder und Jugendlichen zu bewegen.
Quelle: "The Guardian", "Sky News"

Sehen Sie im Video: Pünktlich zum Schulstart stellt sich für Eltern die Frage nach umweltfreundlichen und schadstofffreien Behältern für Pausenbrot und Getränke. Der Bund für Umwelt und Naturschutz warnt vor vermeintlich nachhaltigen Behältern aus Bambus.