Anzeige
Anzeige

Tresengeschichten Wodka ist der neue Gin – Warum Sie Ihre Bar neu bestücken sollten

Wodka
Das Revival des Wodkas
© Getty Images
"Gin ist Bildungstrinken - Wodka ist Wirkungstrinken!" Jahrelang habe ich gerne diese Erklärung genutzt, um den Unterschied zwischen Gin und Wodka augenzwinkernd und provokativ zu verdeutlichen. Warum sich das fundamental geändert hat.
Von Jörg Meyer

In Summe hatte sich Wodka über die Jahre zu Tode destilliert und präsentiert, während bei Gin mehr und mehr wahrnehmbar eine Handwerkskunst und geschmackvolle Botanical-Vielfalt in den Vordergrund rückten.

Wodka hatte alles, was Ihn interessant hätte machen können, zu Grabe getragen. Eine dutzendfache Destillation und die Konzentration auf "edlen" Weizen, oft leider auch das  langweiligste aller Getreide. Wenn es denn überhaupt noch für Getreide reichte und nicht einfach "feinster" und reinster Neutralalkohol aus Melasse verwendet wurde. Und während sich einige Qualitäten selbst namhafter Wodka-Marken bereits im Sinkflug befanden, gab ihnen die Marketingabteilung oft noch den Todesstoß. Durch absurde Filtrationsmethoden "über Diamanten" und ähnlichen Humbug versuchte man krampfhaft, die Exklusivität ad absurdum zu führen. Es ging um viel: märchenhafte Geschichten, außergewöhnliches Flaschendesign, insbesondere sehr hohe Gewinnmargen, nur nicht um eine echte Qualität in der Flasche. 

 Und das Ziel war klar: guter Wodka war "mild". Ihm wurde alles entzogen. Die Nacht mit ihm sollte Ihnen ganz sicher keinen Kater bereiten. Nur ganz sicher auch kein Geschmackserlebnis. Es ging bei Wodka eine zeitlang quasi darum, jede Form des Geschmacks zu entziehen. Wirkungstrinken! Das Ziel des Abends war definiert, nur sollte der Weg dahin nicht interessant sein. 

Viele Bartender kehrten Wodka den Rücken. Ein, zwei seriöse Flaschen blieben in den Backboards. Warum mehr? Hatten ja eh "alle" keinen Geschmack mehr. Und schließlich entwickelte sich der Moscow Mule zum Umsatzbringer No.1 in vielen Bars. Zuckersüßes Ingwerbier und Limettensaft - da hatte "geschmackvoller" Wodka in der Regel eh keine Chance. 

Für Wodka Lemon war der Grabstein gemeißelt. Bartender und Gäste waren längst im Engtanz mit Gin.

Der Gin ist erfolgsverwöhnt, das Ende ist nah

Doch der geliebte Gin wurde erfolgsverwöhnt. Vor einigen Jahren bog er in seinem geleasten 911'er auf die vom Wodka ausgefahrene Marketing-Autobahn ab und befindet sich heute jenseits Tempo 200 auf ihr. Ob er die Mauer vor sich bemerken wird? 

Gin 2018: Gelaber um "Botanicals", kleine Flaschen, große Preise, mäßige Qualität. Viel "Craft" wird auf die "handbottled" Flaschen gedruckt. Die Arbeit, das "Herzblut" und die "Passion" gehen in die Social-Media- Kanäle und nicht zwingend in die Flasche. Die Spielarten  werden immer absurder. Mit "Flavored Vodka" startete definitiv der Untergang des seriösen Wodka-Genusses vor gut 20 Jahren. 

Heute: Hubba-Bubba-Gin, Strawberry-Balsamico-Gin und Baked Apple & Caramel-Gin stehen in den Regalen. Das Ende ist nahe, die ersten Bars listen Gin-Sorten bereits aus oder reduzieren das Angebot auf einige wenige Flaschen. So fing es vor gut 15 Jahren mit dem Wodka an.

Und still und heimlich hat sich in den letzten Jahren viel beim "ungeliebten" Wodka getan. Sicher, es gab immer ein paar anständige Hersteller. Aber es besinnen sich Hersteller wieder auf echte Qualität und Geschmack. Wodka wird geschmackvoll. Und die Ergebnisse sind sehr gelungen. Es geht um gutes Getreide oder Kartoffeln. Um eine Destillation, die vom Produkt was übrig lässt, ungewöhnliche Arten der Lagerung und Vermählung mit Wasser und das Terroir. Ja, richtig: Der Boden, auf dem es gewachsen ist. Man schmeckt die Unterschiede und der Geschmack ist verblüffend. Die Faszination ist, dass man extrem unterschiedliche Geschmäcker und Aromen rein durch diese Produktionsfaktoren gewinnen kann, ganz ohne "Botanicals". Also, wenn Sie das nächste Mal vor dem Gin-Regal stehen, und Ihnen Hubba Bubba, Plum & Vanilla oder Spit Roasted Pineapple-Gin zu recht Kopfschmerzen bereiten, probieren Sie doch einen guten Wodka mit Geschmack. Sie werden angenehm überrascht sein. 

Mit diesen drei Wodka-Sorten machen Sie nichts falsch 

Freimut Roggen Wodka - 0,5 ltr Fl. 40% Vol., circa 30,00 Euro

Ungefilterter deutscher Wodka aus 100% sortenreinem Bio-Roggen, gebrannt von Jürgen Behlen. Das besonders lange und sorgfältige Mälzen, Maischen und Gären gibt diesem Wodka einen kräftigen Roggen-Geschmack. Florian Renschin hat mit Freimut deutschen Wodka wieder zu internationalem Ansehen und Geschmack verholfen. So gehaltvoll, dass er selbst einem aromatischen Moscow Mule seinen Geschmack gibt.

Chase English Potato Vodka - 0,7 ltr Fl. 40% Vol., circa 40,00 Euro

Vor 16 Jahre startete William Chase seine Tyrrells Kartoffelchips-Produktion. Nach nur sechs Jahren war die Marke weltberühmt und er verkaufte die ersten Anteile für mehr als 40 Millionen Euro, später die gesamte Firma für eine zehnstellige Summe. Nach wie vor baut er auf seinem Anwesen in Herefordshire Kartoffeln an. Nur macht er jetzt "English Potato Vodka" daraus. Er kontrolliert den gesamten Prozess, vom Anbau bis zum Wodka in der Flasche. "Estate Wodka" nennt sich diese seltene Machart und dieser hier ist von außergewöhnlicher Qualität.

Vulson White Rhino Rye Spirit - 0,7 ltr Fl. 41%Vol., circa 45,00 Euro

Ein echtes Sammlerstück noch zu guten Preisen zu finden: Fred von der Domaine des Hautes Glaces in den Französischen Alpen ist mit diesem Meisterstück berühmt geworden. Er hat eine spezielle Methode entwickelt, über Wochen das fertige Destillat mit feinem Quellwasser langsam auf Trinkstärke herabzusetzen. Das Ergebnis verblüfft, es erinnert eher an Eau de vie oder Rhum Agricole statt an Wodka. Leider wurde Freds absolute Perfektion zu bekannt. Ein berühmtes Cognac-Haus hat ihm ein Angebot gemacht, das er nicht abschlagen konnte. Vorerst wurden alle Produkte vom Markt genommen und es bleibt zu warten, mit welchem nächsten Paukenschlag man sich aus den Alpen melden wird. Noch gibt es einige bezahlbare Flaschen im Fachhandel. Wodka-Liebhaber und solche die es werden wollen: zuschlagen.

Mehr zum Thema

Newsticker

VG-Wort Pixel