Rund ein Drittel der Deutschen ist schon einmal fremdgegangen – doch was steckt hinter dem Wunsch nach einer Affäre? In der stern-Serie "Meine Affäre" erzählen Menschen offen von heimlichen Beziehungen, verborgenen Sehnsüchten und Momenten, in denen Treue neu verhandelt wird.
Es ist ein Frühjahrstag, als Thomas* zum ersten Mal die Münchner Praxis von Andrea Bräu betritt. Der Familienvater, damals Mitte 50, ist verheiratet und Geschäftsführer eines Familienunternehmens, ein lässiger, ein sympathischer Typ. Bräu fragt ihn, mit welchem Anliegen gekommen sei. Thomas zögert kurz, dann sagt er: "Ich bin schwul." Die Therapeutin erwidert: "Ich verstehe nicht ganz, was das Problem dabei ist." Thomas kann nicht mehr an sich halten, es bricht aus ihm heraus, einem Fluss gleich, der zu lange eingedeicht gewesen ist. Die ganzen Jahre. Jahrzehnte. Die ganze Geschichte.
Thomas ist seit 20 Jahren mit seiner großen Liebe Bettina* verheiratet. Sie haben zwei Teenager-Kinder und wohnen idyllisch im Voralpenland. Als Thomas allein einen Kitesurftrip nach Gran Canaria macht, lernt er dort Philipp* kennen. Sie verstehen sich gut, gehen zusammen aus. Dann passiert es: Philipp küsst Thomas.
Thomas und Philipp haben Sex
Bis zu diesem Kuss war Thomas davon ausgegangen, dass er heterosexuell sei. Zwar hatte es bei einem Pfadfinderausflug im Jugendalter mal einen Kuss mit einem anderen Jungen gegeben, zu mehr aber kam es nie. Das Thema war vom Tisch. Bis er Philipp kennenlernt, bis zum Kuss mit Philipp. Der 25-Jährige ist Jurastudent und lebt in München. Von Thomas wird er als "durchtrainiert, charmant und supernett" beschrieben. Nach dem ersten Kuss verbringen sie die Nacht miteinander, haben Sex. Eine Affäre beginnt, die nicht auf Gran Canaria endet, sondern in Deutschland fortgesetzt wird. Thomas fährt von nun an einmal wöchentlich nach München und trifft Philipp. Die beiden verlieben sich ineinander. Seiner Frau sagt Thomas nichts davon, spielt weiter den glücklichen Ehemann und Familienvater.