Überall in Deutschland kommt es in diesen Tagen zu Kundgebungen rund um den Gaza-Krieg. Während viele pro-palästinensische Demonstrationszüge friedlich für eine Waffenruhe demonstrieren, mischen sich immer wieder anti-israelische, antisemitische oder islamistische Protestierende unter die Versammlungen. Auch am Freitagabend ist es bei einer pro-palästinensischen Kundgebung in Frankfurt zu Festnahmen gekommen. In Essen haben rund 3000 Menschen demonstriert, die Errichtung eines Kalifats gefordert und Banner mit arabischen Schriftzügen geschwenkt.
Aber um welche Banner handelt es sich bei Kundgebungen wie diesen? Für Polizei und Presse ist es auf den ersten Blick nicht ganz einfach festzustellen, wie bedenklich diese Flaggen sind. Denn viele islamischen Gruppierungen, Staaten, aber auch Terrorgruppen verwenden Flaggen, die in arabischer Schrift gekennzeichnet sind und sich ähnlich sehen.
Verwechslungsgefahr: Flaggen in arabischer Schrift
Die Polizei Essen hat deshalb auf der Versammlung am Freitagabend Beamte des Staatsschutzes und Dolmetscher vor Ort eingesetzt, um verbotene Parolen oder Symbole zu identifizieren. Gerade die weißen und schwarzen Banner, die bei der Kundgebung in Essen geschwenkt wurden, erinnern zunächst an Flaggen, die etwa die islamistische Taliban oder die Terrororganisationen Al-Qaida und ISIS nutzen.
Die Polizei hatte während der Kundgebung bei Sprechchören, Symbolen und Fahnen keine strafbaren Verstöße festgestellt. Außer pro-palästinensischen Fahnen und Zeichen seien auch solche gezeigt worden, die den verbotenen Symbolen des Islamischen Staates und der Taliban ähnelten, aber nicht verboten seien.
Auf den Flaggen, die in Essen zu sehen waren, ist die Shahada auf Arabisch niedergeschrieben, das muslimische Glaubensbekenntnis:
لا اله الا الله محمد رسول الله
"La Elah Ela Allah, Mohamad Rasoul Allah." In Deutsch übersetzt: "Es gibt keinen Gott, außer Allah, und der Prophet Mohamad ist der Gesandte Gottes."

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Das Problem: Auch die Taliban verwenden ganz schlicht die Shahada auf weißem Untergrund. Nach Angaben der Polizei Essen lässt sich nach der Demonstration aber bisher nicht feststellen, ob es Symbole oder Schriftzüge mit strafrechtlicher Relevanz auf der Demo gegeben hat.
Wer die Flaggen unterscheiden will, muss genau hinsehen. Ein Überblick:
So unterscheiden sich islamistische Flaggen

Protest in Essen wird zur religiösen Versammlung
Der Protest in Essen sei bis zum Ende friedlich und ohne Straftaten verlaufen, sagt Thomas Weise, der Leiter der Presse-und Öffentlichkeitsarbeit der Polizei Essen. Angemeldet worden war die Demonstration laut Polizei von einer Privatperson, mit der im Vorfeld sogar ein Kooperationsgespräch stattgefunden habe.
Was jedoch nicht von vorneherein klar war: Der Protest schwenkte von einer pro-palästinensischen Kundgebung in eine religiöse Versammlung um, bei der Beteiligte etwa die Errichtung eines Kalifats forderten. Ein Kalifat ist die Institution eines weltlich-religiösen Herrschers in der muslimischen Welt. Der Kalif, ein "Vertreter des Gesandten Gottes", ist unter anderem für die Durchführung der Scharia, des islamischen Rechts, verantwortlich.
Bei der Kundgebung habe es eine "islamistische Geschlechtertrennung" gegeben, berichtet Polizeisprecher Thomas Weise dem stern: Die Männer sind auf dem Protest vorangeschritten, Frauen und Kinder hätten sich im hinteren Bereich aufhalten müssen – was von Ordnern kontrolliert worden sei. Auch hatten Teilnehmer den erhobenen Zeigefinger gezeigt, der einen Gott symbolisiert und als Geste radikaler Islamisten gilt.
Polizei will Bildmaterial von der Demo weiter prüfen
"Uns ist bewusst, dass die Bilder von gestern Abend für unsere freie und demokratische Gesellschaft schwer zu ertragen sind", sagt Thomas Weise. Trotz allem müsse die Polizei neutral bleiben, auch wenn man den "Aufmarsch von Demokratie- und Menschenfeinden" als Mensch ablehne.
Derzeit würden Bild- und Tonaufnahmen durch den Staatsschutz und Dolmetscher ausgewertet. Dabei solle auch auf strafrechtlich relevante Aspekte geachtet werden. "In diesen Fällen wird die Polizei Essen in enger Abstimmung mit der Staatsanwaltschaft Straftaten konsequent verfolgen", erklärte die Polizei.
Am 7. Oktober hatten Islamisten der im Gazastreifen herrschenden Hamas und andere Terroristen in Israel ein Massaker unter Zivilisten angerichtet. Seither geht Israels Armee mit Luftangriffen und Bodentruppen gegen Ziele in dem abgeriegelten Küstengebiet vor.
Quellen: Polizei Essen, Mother Jones, DPA
Hinweis: Dieser Artikel wurde aktualisiert.