Benedikt XVI. Papst fordert Rückbesinnung auf den Glauben

In der ersten großen Predigt während seines Heimatbesuchs warnte der Papst vor einer zunehmenden Gleichgültigkeit gegenüber Gott. Vor über 250.000 Gläubigen übte er dabei auch Kritik am Zynismus der westlichen Welt.

Mit einem Angelusgebet und Segenswünschen hat Papst Benedikt XVI. am Sonntagmittag seinen großen Gottesdienst auf dem Münchner Messegelände beendet. Vor 250.000 Menschen und unter freiem Himmel hatte der Papst zuvor die westliche Welt zur Rückbesinnung auf die christlichen Werte aufgefordert. Dabei warnte der Papst vor vor einer zunehmenden Gleichgültigkeit gegenüber Gott. Er verurteilte einen Zynismus, "der die Verspottung des Heiligen als Freiheitsrecht ansieht". Stattdessen forderte er Toleranz "vor dem, was anderen heilig ist". Die Gläubigen mahnte er, bei ihrem sozialen Wirken das Wort Gottes nicht zu vernachlässigen. "Das Soziale und das Evangelium sind nicht zu trennen", sagte das Kirchenoberhaupt.

Es gebe "eine Schwerhörigkeit Gott gegenüber, an der wir gerade in dieser Zeit leiden", sagte das Kirchenoberhaupt. "Wir können ihn einfach nicht mehr hören, zu viele andere Frequenzen haben wir im Ohr." Damit fehle den Menschen eine entscheidende Wahrnehmung und der Radius der Beziehung zur Wirklichkeit werde drastisch und gefährlich eingeschränkt. Wo den Menschen nur Kenntnisse, Fertigkeiten, technisches Können und Gerät gebracht würden, bringe man zu wenig. "Dann treten die Techniken der Gewalt ganz schnell in den Vordergrund, und die Fähigkeit zum Zerstören, zum Töten wird zur obersten Fähigkeit, um Macht zu erlangen."

Benedikt sagte, Bischöfe aus Afrika und Asien rühmten immer wieder die Hilfsbereitschaft und Großzügigkeit der deutschen Katholiken, stießen aber auf Zurückhaltung, wenn es um Evangelisierungsprojekt gehe. Doch sei es gerade die Erfahrung dieser Bischöfe, dass die Evangelisierung vorausgehen müsse: "Dass der Gott Jesu Christi bekannt, geglaubt, geliebt werden, die Herzen umkehren muss, damit auch die sozialen Dinge vorangehen; damit Versöhnung werde; damit zum Beispiel Aids wirklich von den tiefen Ursachen her bekämpft und die Kranken mit der nötigen Zuwendung und Liebe gepflegt werden können."

"Toleranz schließ Ehrfurcht vor Gott ein"

Die Völker Afrikas und Asiens bewunderten die technischen Leistungen und die Wissenschaft des Westens. "Aber sie erschrecken zugleich vor einer Art von Vernünftigkeit, die Gott total aus dem Blickfeld des Menschen ausgrenzt und dies für die höchste Art von Vernunft ansieht, die man auch ihren Kulturen aufdrängen will." Nicht im christlichen Glauben sähen sie die eigentliche Bedrohung ihrer Identität, "sondern in der Verachtung Gottes und in dem Zynismus, der die Verspottung des Heiligen als Freiheitsrecht ansieht und Nutzen für zukünftige Erfolge der Forschung zum letzten ethischen Maßstab erhebt".

Dieser Zynismus sei nicht die Art von Toleranz und kultureller Offenheit, auf die die Völker warteten und die alle wünschten. "Die Toleranz, die wir dringend brauchen, schließt die Ehrfurcht vor Gott ein die Ehrfurcht vor dem, was anderen heilig ist." Dies setze aber voraus, dass man selbst die Ehrfurcht vor Gott wieder lerne. "Die Welt braucht Gott. Wir brauchen Gott", sagte der Papst. "Wir verletzen nicht den Respekt vor anderen Religionen und Kulturen, die Ehrfurcht vor ihrem Glauben, wenn wir uns laut und eindeutig zu dem Gott bekennen, der der Gewalt sein Leiden entgegenstellt; der dem Bösen und seiner Macht gegenüber als Grenze und Überwindung sein Erbarmen aufrichtet.

Über 100 kirchliche Würdenträger

Zu den Teilnehmern der Messe bei strahlendem Sonnenschein gehörten auch Bundespräsident Horst Köhler, Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) und andere hochrangige Vertreter aus Politik und Gesellschaft. Auch mehr als 100 Kardinäle und Bischöfe waren aus zahlreichen Ländern angereist, um mit dem Papst die Eucharistie zu feiern.

Gregor Peter Schmitz mit den Buchstaben GPS

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Schon beim Eintreffen auf dem Messegelände und der anschließenden Fahrt im Papamobil durch die Reihen der Gläubigen war der Papst mit großem Beifall, Jubel und "Benedetto"-Rufen begrüßt worden. Die ersten Gläubigen hatten sich bereits um Mitternacht vor den Toren der Neuen Messe in München-Riem eingefunden. Mit Beifall und Fähnchen schwenkend verabschiedeten die Gläubigen Benedikt nach der Messe.

Mittags gibts Tafelspitz und Apfelstrudel

Sein Mittagessen nach dem Gottesdienst auf dem Münchner Messegelände am Sonntag nimmt Papst Benedikt XVI. gemeinsam mit etwa 50 geladenen Gästen im Erzbischofshof ein. Nach Angaben des Erzbischöflichen Ordinariats in München gibt es zunächst Blattsalate mit geräucherten Chiemsee-Saibling- und Renken-Filets sowie eine Pfannenkuchensuppe. Danach serviert Minoriten-Bruder Erich Raspel von der Klostergaststätte Maria Eck in der Nähe des oberbayerischen Siegsdorf gekochten Kalbstafelspitz mit Wirsing-Gemüse und Salzkartoffeln. Als Nachtisch bekommt der Papst bayerischen Apfelstrudel mit Vanillesoße.

Das Essen findet in feierlichem Rahmen statt. Dem Programm zufolge spielt das Jugendblasorchester Penzing aus dem Landkreis Landsberg am Lech bei der Ankunft des Heiligen Vaters die Ouvertüre zur Feuerwerksmusik von Georg Friedrich Händel. Später wollen die Musiker den Marsch "Blauer Enzian" des bayerischen Komponisten Ernst Hoffmann, die "Annen-Polka" von Johann Strauß Sohn und "choral and rock out" von Ted Huggens zum Besten geben. Eigens für den Heiligen Vater hat die Kapelle zudem einen Choral von Johann Sebastian Bach einstudiert. Nach dem Essen, etwa um 13.00 Uhr, wird sich der Heilige Vater gemeinsam mit Kardinal Wetter auf dem Balkon des Erzbischofshofs zeigen.

Möglicherweise letzter Besuch in der Heimat

Am Sonntagnachmittag steht noch ein Vespergottesdienst mit dem Papst in der Münchner Frauenkirche auf dem Programm. An diesem Montag reist der Past nach Altötting und Regensburg weiter, dazwischen mach er kurz Station in seinem Geburtsort Marktl am Inn.

Mehrere Äußerungen des Kirchenoberhauptes zum Anfang seines Besuches legten nahe, dass er möglicherweise nicht wieder nach Bayern kommen wird: "Ich bin ja ein alter Mann, und wie viel Zeit der Herr mir noch gibt, weiß ich nicht," so der Heilige Vater bei seiner Ankungt in München. Wenn es ihm noch gelingen sollte, andere Teile Deutschlands zu bereisen, werde es ein Geschenk Gottes sein.

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