Parteitag SPD will sich auf ihr soziales Profil besinnen

Mit Selbstkritik und einer Rückbesinnung auf ihr soziales Profil wollen sich die Sozialdemokraten aus der Krise befreien. Die SPD habe den "Kontakt zur alten Mitte verloren".

Mit Selbstkritik und einer Rückbesinnung auf ihr soziales Profil wollen sich die Sozialdemokraten aus der Krise befreien. Der niedersächsische SPD-Fraktionschef Sigmar Gabriel sagte auf dem Bundesparteitag in Bochum, die SPD habe den Kontakt zu den Menschen aus der "alten Mitte" der Partei verloren. "Wir müssen wieder zeigen, dass wir deren Alltagsrealitäten kennen, dass wir sie nicht allein lassen", verlangte Gabriel.

Die Delegierten reagierten mit viel Zustimmung, aber auch mit vereinzelter Kritik auf die Rede von Parteichef Gerhard Schröder. Die baden-württembergische Landesvorsitzende Ute Vogt rief zu mehr aktiven Debatten auf. Vogt sagte, es reiche nicht, Politik besser zu verkaufen. Stattdessen müssten die Mitglieder wieder mehr einbezogen, Themen erarbeitet und diskutiert werden. "Das ist in den letzten Jahren vernachlässigt worden."

Klare Abgrenzung zur CDU gefordert

Gabriel forderte, der Unterschied zur CDU müsse klarer werden, indem die Schutzfunktionen des Staates gegenüber Arbeitnehmern erhalten blieben. Mit der SPD dürfe es kein Rütteln an der Tarif-Autonomie geben. Außerdem solle die Partei bei der Zumutbarkeit von Arbeit über Löhne reden, von denen die Menschen ihr Leben nicht bestreiten können. Statt über Studiengebühren müsse die SPD beispielsweise über den Koch mit 800 Euro Netto-Verdienst reden, der davon zehn Prozent für einen Kinderplatz zahlen müsse, forderte Gabriel.

Nahles: Etwas ist "gründlich schief gelaufen"

Das SPD-Vorstandsmitglied von der Parteilinken, Andrea Nahles, verlangte, die SPD müsse sich wieder mehr auf ihr soziales Profil besinnen. Angesichts der derzeitigen Umfragen müsse sich die Partei eingestehen, dass in ihrem Politikangebot etwas "gründlich schief gelaufen" sei. Die SPD sei in den vergangenen Monaten als eine Partei der Einschnitte aufgetreten. Es sei nicht gelungen zu zeigen, dass sie auch die Partei des Umbaus und der Modernisierung sei. "Was ich wirklich vermisst habe, war ein klares Bekenntnis für eine Bürgerversicherung", sagte Nahles.

"Das ist die Amerikanisierung der Arbeitswelt"

Der Sozialpolitiker Ottmar Schreiner wies darauf hin, dass sich in Deutschland eine Art Niedriglohnsektor gebildet habe. Viele Menschen könnten von ihren Einkommen nicht mehr vernünftig leben und müssten Nebentätigkeiten annehmen. "Das ist die Amerikanisierung der Arbeitswelt." Dies könne keine sozialdemokratische Perspektive sein, sagte Schreiner.

SPD-Fraktionsvize Ludwig Stiegler lobte Schröders Rede als richtungweisend. "Wir wissen, wo wir hingehen. Diese Gesellschaft wird eine solidarische sein", sagte er und verteidigte die Reformpläne als überlegt. "Wir machen Reformen mit Augenmaß", zeigte sich Stiegler überzeugt.