Ab jetzt sollen wir alle shoppen, was das Konto hergibt (oder auch nicht hergibt). Bald ist Black Friday. Auf der Straße und im Netz brüllen einen die Schnäppchen an und grinsen hinterhältig. Kettensägen, Körperfettwaagen, Blitzer-Warner. Jetzt 37 Prozent billiger! Mir wird schon bei dem Namen schlecht.
Black Friday, war das nicht der Tag des Börsencrashs 1929 in New York, als die Leute panisch in die Banken rannten, um ihr Geld zu retten, was eine Weltwirtschaftskrise auslöste, die in Deutschland zu Massenarbeitslosigkeit führte, was wiederum das Vertrauen in die Demokratie von Weimar schrottete, woraufhin dann ein gewisser Hitler ganz leichtes Spiel … Moment. Einatmen, ausatmen, noch mal nachlesen. Es ist so: Der Tag des US-Börsencrashs war ein Donnerstag, Black Thursday, und heißt nur wegen der Zeitverschiebung in Deutschland "Schwarzer Freitag". Sie sehen: Dieser Friday macht mich blöd und bockig.
Black Friday freut vor allem die Händler
Warum soll ich Sachen kaufen, nur weil irgendein Amazonien das will? Man muss keine Ahnung von Wirtschaftspsychologie haben, um den Trick so durchsichtig zu finden wie Frontscheiben-Waschmittel (jetzt 22,5 Prozent billiger!). Was lernen BWL-Studentinnen im ersten Semester Marketing? Erzähle Menschen, ein Produkt sei kurzfristig günstiger, schon fühlen sie sich persönlich belohnt und der Dopamin-Schub löst den Kaufwunsch aus. Das reine Glücksgefühl! Vor allem für die Händler. "Den Rabatt, das lass dir sagen, hat vorher jemand draufgeschlagen", lautet ein Sprichwort voller ökonomischer Weisheit. Der Handelsverband Deutschland rechnet an diesem Freitag jedenfalls mit 5,8 Milliarden Euro Umsatz – erstmals keine fette Steigerung wie in den Jahren zuvor, sondern zwei Prozent weniger. Wegen schwacher Konsumstimmung.
Vielleicht sollte man die gute Stimmung also besser woanders suchen? Der Schwede Micael Dahlen gilt als weltweit erster Professor für Glück. An der Stockholmer School of Economics erforscht er, was uns wirklich glücklich macht. "Unser Leben ist die Zeit, die wir auf der Erde haben", sagt Dahlen. "Was wir aus unserem Leben machen, ist also das, was wir aus unserer Zeit machen" – in meinem Fall: essen, schlafen, atmen, lesen, lieben, erziehen, Rosenstöcke winterfest machen und so weiter. Shoppen erwähnt der Professor nicht.
Auch Christine Thürmer ist in Glücksfragen bewandert, weil sie wandert. Thürmer gilt als am meisten wandernde Frau auf Erden, 65.000 Kilometer ist sie schon gelaufen, von Mexiko nach Kanada, von Andalusien zum Nordkap. "Funktionsklamotten und Trekking-Nahrung hält sie für einen Marketing-Gag", schreibt mein Kollege Gunnar Herbst über sie, "Ihre Regenjacke vom Discounter kostet 7,99 Euro, als Regenhose benutzt sie einen aufgeschnittenen Müllsack, auf ihren Touren isst sie Tütengerichte, Spaghetti und Schokolade aus dem Supermarkt." Echt starke Konsumstimmung!
Noch mal zurück zu den Rabatten. Ich möchte lieber Rabatt auf unsere Miete haben oder auf die Zusatzkosten der Zahnspange meines Zwölfjährigen. Rabatt auf finstere November-Tage, jetzt 20 Prozent weniger dunkel! Rabatt auf nervende Video-Konferenzen, auf meine allergischen Schocks (nur noch zu 50 Prozent tödlich!), auf kriegstreibende Männer, graue Haare und CO2! Schnäppchen sind für Anfänger, lassen Sie uns die wahrhaft dopaminausschüttenden Rabatte jagen! Und bis dahin gilt zu 100 Prozent: Soll doch der Friday brüllen, bis er platzt. Du. Musst. Nicht. Shoppen. Du musst sowieso viel weniger, als du glaubst. Happy Friday!
Sticker der Woche
Dieser hier klebt auf einem Mülleimer im Eppendorfer Moor in Hamburg, mitten im Wald, und möchte ausdrücken: Schau nicht auf die extremen Ränder, auf Black Friday oder Blue Monday, nein: Genau in der Mitte liegt die Kraft, am feuerroten Mittwoch.
Die Kolumne "Das Gefühl der Woche" wird jeden Freitag als Newsletter verschickt. Wenn Sie mögen, gerne hier abonnieren. Schreiben Sie mir auch, wie Ihnen die Kolumne gefällt. Was ist gut, was kann weg? Was ist eigentlich Ihr Gefühl der Woche? Und schicken Sie mir auch Ihre Lieblingssticker! Wer mag, samt Fundort.