Erdloch von Schmalkalden Der Krater wächst

Ein riesiger Erdkrater verschlingt im thüringischen Schmalkalden eine Straße, reißt Gärten, Zäune, ein Auto und Garagenteile in die Tiefe. Die Einwohner sind geschockt und bangen um ihre Häuser, denn der Krater wächst. Inzwischen ist die Einsturzursache bekannt.

Der Schrecken kommt in der Nacht: Anwohner hören ein Rasseln und ein lautes, strömendes Geräusch, als ob mehrere Schotterlaster ihre Ladung abkippen. "Wir wurden zu einem Loch in der Straße mit Wasserrohrbruch gerufen. Mit solch einem Ausmaß hat keiner gerechnet", sagt Marco Gröger von der Freiwilligen Feuerwehr. Er blickt auf ein riesiges Erdloch, das sich am frühen Montagmorgen in einer Wohnsiedlung im thüringischen Schmalkalden aufgetan hat. Und das Loch wächst: Stetig bricht der Krater an den Rändern nach, durchziehen immer neue Risse Straße und Hauswände. "Wir wissen nicht, wann ein Ende abzusehen ist", sorgt sich der Feuerwehrmann.

Klar ist nun: Der Krater hat eine natürliche Ursache. Bergmännische Tätigkeiten kämen nicht infrage, sagte der Leiter des Thüringer Bergamtes, Hartmut Kießling, bei einer Pressekonferenz in Schmalkalden. Derzeit würden verschiedene technische Möglichkeiten geprüft, um das metertiefe Loch möglichst schnell zu verfüllen. Laut Jan Katzschmann vom Geologischen Landesdienst ist offensichtlich ein großer Hohlraum in sich zusammengebrochen. Ob dort Steinsalze, Kalziumsulfate oder Kalkstein ausgespült wurden, könne gegenwärtig noch nicht gesagt werden.

25 Menschen evakuiert

"So etwas hat hier keiner erwartet", sagt Roland Stark, dessen Garage direkt an dem Erdloch steht. Er ringt auch Stunden nach dem Unglück um Fassung. Seit 20 Jahren wohnt er in der Hangsiedlung in der schmucken Fachwerkstadt im Südwesten des Thüringer Waldes. Die Straße vor der Garage sei frisch geteert worden, sagt Stark. Noch wissen er und seine Frau nicht, wann sie wieder in ihr Heim zurückkehren können. "Wir haben gedacht, wir sind hier auf dem Hang sicher. Wir hoffen, dass sich alles zum Guten wendet."

Einige der mehr als 25 Menschen, die ihre Häuser verlassen mussten, kamen bei Verwandten und Bekannten unter. Manche standen unter Schock und wurden von Seelsorgern in einem Zelt nahe der Unglücksstelle betreut. Insgesamt sechs Häuser musste die Polizei evakuieren.

Eine Frau wischt sich Tränen aus dem Gesicht. Ein Beamter erklärt ihr behutsam, dass sie nicht nach Hause zurückkehren kann. Zu groß ist die Gefahr. Die Polizei sperrt nach und nach immer weiträumiger ab. Ein Hubschrauber kreist mit einer Wärmebildkamera über dem Krater. Die Luftbilder zeigen, wie nah die Anwohner an einer Katastrophe vorbeigeschlittert sind.

"12.000 Kubikmeter Erde verschwunden"

Matthias Heinemann blickt von seinem Garten auf das nahe Erdloch. "Ich bin von den Motorengeräuschen und den Blaulichtern wach geworden." Noch darf er in seinem Haus bleiben. Doch auch seine Sorgen sind groß: "Das ist pures Entsetzen, mit so einem Loch vor der Tür bekommt man schon Existenzängste."

"Den Leuten sitzt der Schreck in den Gliedern, aber sie sind erstaunlich gefasst", sagt der parteilose Bürgermeister des rund 20.400 Einwohner zählenden Ortes, Thomas Kaminski. Die Stadt will Ferienwohnungen für diejenigen anmieten, die ohne Unterkunft dastehen.

"Da sind 12.000 Kubikmeter Erde verschwunden, beim Einsturz solcher Massen ist eine natürliche Ursache wahrscheinlicher", meint der CDU-Landrat des Kreises Schmalkalden-Meiningen, Ralf Luther. Auch Landes-Umweltminister Jürgen Reinholz (CDU) zeigt sich über das Ausmaß des Unglücks erschrocken. "Das ist katastrophal und sieht böse aus. Das gab es in dieser Größenordnung noch nicht in Thüringen." Im nur rund 30 Kilometer entfernten Tiefenort gibt ein kleinerer Erdfall seit Jahren keine Ruhe. Landrat Luther ist bei allem Schrecken aber auch erleichtert darüber, dass es keine Verletzten oder gar Tote gab: "Da war viel Glück im Unglück dabei."

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Anett Gehler/DPA/be