Weihnachten ist nicht in allen Familien friedlich. Zeitdruck, hohe Ansprüche, bestehende Probleme und das Zusammensein auf engem Raum – das kann eine gefährliche Mischung sein. Das eigene Zuhause ist statistisch gesehen für Frauen kein sicherer Ort – rund 240.000 Fälle von häuslicher Gewalt gegen Frauen wurden nach Zählung des Innenministeriums bundesweit im Jahr 2022 registriert.
Gewalt in der Partnerschaft ist nicht nur an den Festtagen ein Problem: Seit 2015 sind jedes Jahr über 100 Frauen durch die Hand ihres Partners oder Ex-Partners gestorben. Diese Frauenmorde werden auch als Femizide bezeichnet.
Hilfe bei häuslicher Gewalt – Angebote für Frauen
Die Dunkelziffer dürfte deutlich höher liegen, denn viele Frauen zeigen die Taten nicht an, wie Rechtsanwältin Christina Clemm im Interview mit dem stern berichtete. Für Frauen, die sich in gewaltvollen Beziehungen befinden oder in akuter Gefahr, gibt es verschiedene Hilfsangebote, die rund um die Uhr erreichbar sind – also auch an den Weihnachtsfeiertagen.
Beim "Hilfetelefon" können sich Frauen melden, die Gewalt erfahren haben. Die Mitarbeiterinnen beraten Betroffene in vertraulichen Gesprächen. Es sind Beratungen in 18 Sprachen möglich. Die Hotline ist 24/7 kostenfrei erreichbar unter: 116016. Auch die bisherige Nummer 0800 116 016 ist weiter verfügbar. Frauen können sich auch per E-Mail oder Chat an das "Hilfetelefon" wenden. Die Mitarbeiterinnen können auf Wunsch an weitere Stellen vermitteln.
Bei der Frauenhauskoordinierung finden Frauen eine Übersicht der Frauenhäuser und Beratungsstellen in ihrer Region. Die genauen Adressen der Frauenhäuser sind aus Schutz der Bewohnerinnen nicht bekannt, aber über die Koordinierungsstelle können Frauen Kontakt aufnehmen.
Zahl der Femizide in Deutschland von 2015 bis 2022
Jedes Jahr sterben seit 2015 mehr als hundert Frauen durch ihren Partner oder ihren Ex-Partner in Deutschland. Das Bundeskriminalamt (BKA) listet die Fälle in der Kategorie "Partnerschaftsgewalt" auf.
2015: 135
2016: 155
2017: 147
2018: 122
2019: 117
2020: 139
2021: 113
2022: 133
Quellen: 2015- 2021 Kriminalstatistische Auswertung zu Partnerschaftsgewalt des BKA, 2022 Lagebericht zu Häuslicher Gewalt des BKA
Hilfsangebote für Männer bei häuslicher Gewalt
Das Angebot gilt im Übrigen auch für Männer, die von Gewalt betroffen sind. Laut Statistiken betreffen immerhin 20 Prozent der Gewalttaten in Paarbeziehungen Männer. Für sie gibt es außerdem extra eingerichtete Hilfsangebote in unterschiedlicher Form. So können sich Männer etwa anonym unter 0800/1239900 an das Hilfetelefon für Männer wenden. Dort gibt es auch einen "Hilfechat", falls man nicht reden möchte oder kann.

Wollen Sie nichts mehr vom stern verpassen?
Persönlich, kompetent und unterhaltsam: Chefredakteur Gregor Peter Schmitz sendet Ihnen jeden Mittwoch in einem kostenlosen Newsletter die wichtigsten Inhalte aus der stern-Redaktion und ordnet ein, worüber Deutschland spricht. Hier geht es zur Registrierung.
Allgemeine Hilfsangebote
In akuten Notfällen ist die Polizei unter 110 und der Rettungsdienst unter 112 erreichbar. Frauen, die keine Möglichkeit haben, einen Notruf per Telefon abzusetzen, können dies in Deutschland mit der Warn-App "Nora" tun. Wer die App auf dem Smartphone hat und registriert ist, kann per Knopfdruck in der App Hilfe rufen. Die eingegebenen Daten und der Standort werden so an die Notrufzentrale übermittelt. Ist die Funktion des "stillen Notrufs" ausgewählt, funktioniert dies ohne zu sprechen. Aber Achtung: Aktuell ist die App nicht in den App-Stores verfügbar. Hilfe über die App können also nur Frauen rufen, die die App bereits installiert haben.
Auch in Österreich gibt es ein ähnliches Konzept: In der App App DEC112 (Digital Emergency Call) kann ebenfalls ein stiller Notruf abgesetzt werden. Der Standort wird per GPS übermittelt und die gespeicherten Daten an die Notrufzentrale übermittelt.
Wenn Mann oder Frau unterwegs in Gefahr ist oder die Möglichkeit hat, mit jemandem per Video zu telefonieren, kann auch durch ein Handzeichen signalisiert werden, dass man Hilfe braucht. Die Geste "Signal for Help" besteht aus zwei Schritten:
Schritt 1: Die flache Hand hochhalten. Dabei zeigt die Handfläche nach außen, so dass sein Gegenüber sie sehen kann. Der Daumen wird nach innen gekrümmt.
Schritt 2: Alle anderen Finger werden langsam über den Daumen gelegt, so dass eine Faust entsteht.
Insgesamt gilt, und zwar nicht nur an Feiertagen: Gewalt ist keine Lösung. Wer von Übergriffen betroffen ist, kann und sollte sich Hilfe suchen. Das kann im ersten Schritt auch erstmal das Gespräch mit einer vertrauten Person sein, wenn einem der Gang zu einer Hilfsstelle im ersten Moment zu überwältigend erscheint. Man ist nicht allein damit, die Hilfe ist oft nur einen Telefonanruf oder eine Chatnachricht entfernt.
Lesen Sie bei stern+: Jahrelang prügelte und demütigte ein Mann die Mutter von Calvin Beck. Alles musste er mitansehen, konnte als Kind aber nichts tun. Hier erzählt er, wie ihn das Erlebte bis heute verfolgt.