Florian G. ging vor, wie er es bei der Bundeswehr gelernt hatte. In der Nacht zum 1. März drang der Fallschirmjäger in Westvesede (Gemeinde Scheeßel) mit der Axt bei Nils O. (30), dem neuen Freund seiner Frau, ein. Im Schlafzimmer lag dessen 55-jährige Mutter im Bett und schlief. Florian G. tötete sie mit zwei aufgesetzten Schüssen in den Hinterkopf. Ihr Sohn wurde wach, versuchte zu fliehen. Florian G. erschoss auch ihn. Mit zehn Schüssen.
Dann setzte er sich ins Auto, fuhr zur besten Freundin seiner Frau. Auch sie machte er für das Scheitern seiner Ehe verantwortlich. Mit einem Spalthammer öffnete er das Badezimmerfenster und feuerte fünf Schüsse ins Haus. Wachgeworden rannte die Mutter panisch ins Kinderzimmer, riss ihre dreijährige Tochter aus dem Bett. 14 Mal schoss Florian G. auf Mutter und Kind.
Nun steht der Bundeswehrsoldat wegen vierfachen Mordes vor dem Landgericht Verden. Laut Anklage handelte er aus Rache und Eifersucht. Seine Taten plante er penibel, ging vor wie beim Häuserkampf, definierte die Menschen, die er töten wollte, als "primäre und sekundäre Ziele".
Für die Bundeswehr war er in Mali und Afghanistan gewesen. Die Armee legt Wert auf die Tatsache, dass die Mordwaffen nicht aus ihrem Arsenal stammten. Florian G. verfügte auch ohne Bundeswehr über Waffen. Er war Sportschütze und schoss in einem Gun-Club.
Halten sich Täter an ein Messerverbot?
Die Ampelregierung will jetzt das Waffenrecht verschärfen. Künftig soll im Fernverkehr mit Bussen und Bahnen, bei Volksfesten und anderen Großveranstaltungen ein generelles Messerverbot gelten. Das kann man so machen. Es stellt sich allerdings die Frage, ob sich potentielle Mörder an Waffenverbotszonen halten.
Alle reden derzeit über Messerangriffe. Dass ihre Zahl gestiegen ist. Und dass es meist Migranten sind, die ein Messer mit sich führen. Oder Menschen damit töten, wie in Solingen oder in Mannheim. Das ist schlimm und nicht zu rechtfertigen. Aber inzwischen schafft es selbst die Nachricht, dass in Hessen ein 16-Jähriger einen 17-Jährigen mit einem Messer in den Rücken gestochen hat, prominent auf die Newsseiten. Früher wäre so eine Meldung vermutlich nicht über die Lokalmedien hinausgekommen.
Natürlich muss man über Kriminalität reden. Über Täter, Opfer, Ursachen und ihre Waffen. Aber warum spricht dabei niemand über Sportschützen? Fälle wie der von Florian G. sorgen seltsamerweise nicht dafür, dass Politiker finden, dass die innere Sicherheit in Gefahr sei. Warum eigentlich nicht? Weil die meisten Sportschützen einen deutschen Pass haben dürften? Weil sie eine mächtige Lobby haben? Weil es unter Politikern Sportschützen gibt?
Warnungen bleiben ungehört
Florian G. hatte seiner Frau und ihrem neuen Freund gedroht. Sie könnten was erleben, hatte er sinngemäß und vage gesagt. Die Polizei rückte zur Gefährderansprache an. Florian G. machte einen ruhigen Eindruck. Die Polizei verzichtete darauf, die Waffenbehörde zu informieren. Gebracht hätte es vermutlich nichts. Die Waffenbehörde nimmt Sportschützen, selbst wenn sie auffällig werden, die Waffen so gut wie nie ab.
So war es in Hamburg, wo der Sportschütze Philipp F. im März 2023 sieben Menschen und sich selbst erschoss. Die Polizei war gewarnt worden. Der Bruder des Täters hatte ihr einen Brief geschrieben: Sein Bruder leide unter Verfolgungswahn, sei Sportschütze und solle besser keine Waffen haben. Tatsächlich rückte die Waffenbehörde aus, fand eine Patrone, die Philipp F. nicht eingeschlossen hatte. Anstatt ihm die Waffen abzunehmen, ließ die Behörde Gnade walten.
Ob die Beamten auch so gnädig gewesen wären, wenn Philipp F. Syrer gewesen wäre? Das ist eine ketzerische Frage, zugegeben. Aber sie muss in dieser Debatte erlaubt sein. Philipp F. durfte seine Waffen behalten und lief Amok. Einer Schwangeren schoss er in den Bauch, sie überlebte schwer verletzt, verlor ihr Kind. Nur einen Tag vor diesem Amoklauf hatte in Bad Lauchstädt ein Sportschütze seine Ehefrau und sich selbst erschossen. Auch hier war die Polizei gewarnt worden, hatte sogar die Waffenbehörde eingeschaltet. Falk S. hatte seine Frau mit dem Auto verfolgt und bedroht. Seine Waffen durfte er behalten.
Strenger gegen Sportschützen
Im Juli verurteilte das Landgericht Augsburg einen 65-jährigen Sportschützen wegen dreifachen Mordes zu lebenslanger Haft. Er hatte drei seiner Nachbarn in Langweid am Lech mit Kopfschüssen hingerichtet. Die Polizei war in der Vergangenheit mehrfach angerückt, weil er Streit angezettelt hatte. Seine Waffen hatte er stets behalten dürfen.
Diese Fälle zeigen, dass Behörden konsequenter werden müssen. Jeder Sportschütze, der seine Mitmenschen bedroht, auch ohne Waffe und scheinbar harmlos, muss entwaffnet werden, und zwar sofort. Das Gesetz gibt das heute schon her. Im Waffenrecht ist nur die Rede von "Tatsachen", die bekannt werden, um an der "Zuverlässigkeit" eines Waffenbesitzers zu zweifeln.
Das bietet den Behörden Spielraum, den sie ausreizen könnten, nein, endlich müssen. In Lübeck schmierte ein Sportschütze und ehemaliger Bundeswehrsoldat seinen Nachbarn die Türschlösser zu, bevor er einen Menschen erschoss. Wer Türschlösser zuschmiert oder seinen Mitmenschen droht, sie könnten was erleben, verhält sich nicht normal. In die Hände solcher Leute gehören keine Waffen.
Opfer von Sportschützen zählen
Es wird diskutiert, dass die Polizei grundsätzlich die Nationalität von Verdächtigen öffentlich macht. Auch das kann man machen. Aber warum eigentlich zählt das Bundeskriminalamt dann nicht auch, wie viele Menschen in diesem Land mit legalen Waffen erschossen werden? Warum wollen BKA und Bundesinnenministerium das nicht so richtig wissen? Liegt es womöglich daran, dass die Täter häufig Deutsche sind? Oder weil es kein Thema ist, aus dem Politiker Kapital schlagen können?
Das Zählen überlassen die Behörden schon seit Jahren der privaten Initiative des Journalisten Roman Grafe. Er fordert: "Keine Mordwaffen als Sportwaffen". Die Forderung, dass Sportschützen keine scharfen Waffen haben sollten, unterstützen Prominente wie Oliver Welke und Stephan Krawczyk. Doch sie schafft es nicht mal auf die Agenda des Innenministeriums. Warum eigentlich nicht? Seit 1990 sind mit legalen Waffen in diesem Land mehr als 300 Menschen erschossen worden. Die RAF ermordete bis in die 1990 Jahre bei Attentaten laut Bundeszentrale für politische Bildung 35 Menschen.
Wozu braucht man 31 Waffen?
Wenn sich die Ampel schon nicht an ein Waffenverbot wagt, warum dürfen Sportschützen Waffen und Munition zu Hause aufbewahren? Warum wird es nicht Vorschrift, dass Sportschützen die Munition im Schützenverein oder Gun-Club kaufen müssen? So würde man wenigstens eine getrennte Aufbewahrung von Waffen und Munition erreichen. Auch das wird nicht mal diskutiert.
Unverständlich ist auch, warum die Zahl der Waffen, die ein Sportschütze (die meisten sind Männer) besitzen darf, nicht beschränkt wird. Wolfgang P. hortete 31 legale Waffen zu Hause. Als die Polizei im August 2016 mit 20 Beamten anrückte, um ihn zu entwaffnen, weil er sich als Reichsbürger geoutet hatte, erschoss P. einen Polizeibeamten.
Wozu braucht ein Mann 31 Waffen? Warum durfte er so viele Waffen legal besitzen? Im Nationalen Waffenregister sind etwa eine Million Menschen registriert, die 5,4 Millionen Waffen oder Waffenteile besitzen. Politiker fürchten Amoktaten und wollen sie zu Recht verhindern. Es ist richtig, das Waffenrecht zu verschärfen. Ein Messerverbot ist sicher gut gemeint, dürfte aber wenig Wirkung zeigen. Deshalb: Traut euch endlich an die Sportschützen ran.