Die Serie zum Wettbewerb Im Maschinenraum des Journalismus – so arbeiten Reporterinnen und Reporter

Von Christoph Kucklick
Journalist und Moderator Michel Abdollahi (l.) und stern-Chefredakteur Florian Gless am Schreibtisch von stern-Gründer Henri Nannen bei der digitalen Verleihung der Nannen Preise im vergangenen Jahr.
Journalist und Moderator Michel Abdollahi (l.) und stern-Chefredakteur Florian Gless am Schreibtisch von stern-Gründer Henri Nannen bei der digitalen Verleihung der Nannen Preise im vergangenen Jahr.
© Peter Lund
Guter Journalismus – wie entsteht der eigentlich? Eine neue Serie zum Wettbewerb um den Nannen Preis, der renommiertesten Auszeichnung für deutschsprachigen Journalismus, eröffnet Einblicke in die Arbeit von Reporterinnen und Reportern.

Als der "Spiegel" Anfang März 2021 die schmierigen Maskendeals des Mannheimer Bundestagsabgeordneten Nikolas Löbel enthüllte, da pflegte Stefan Proetel längst keine Illusionen mehr über den Charakter des CDU-Mannes. Der Lokalchef des "Mannheimer Morgen" hatte schon vergangenes Jahr in mehrmonatigen Recherchen dubiose Mietgeschäfte des Politikers aufgedeckt.

Er war dabei vielen Attacken von Löbel-Getreuen ausgesetzt und den arroganten Dementis des scheinbar unangreifbaren Abgeordneten. „Ich hatte das Gefühl, der wollte uns für dumm verkaufen“, sagt Proetel. Und doch stellte sich für ihn die Situation ganz anders dar als für die Journalist:innen überregionaler Medien: "Wir sind nicht der 'Spiegel'. Wir sind Bürger dieser Stadt. Wir müssen den Leuten nach Abdruck noch in die Augen gucken", sagt Proetel. Trotz solcher Rücksichten nachzuhaken und Missstände aufzudecken – darin liegt das große und zu oft übersehene Verdienst vieler Lokaljournalisten.

Bilder für das Bildlose

Das Elend von Flüchtlingen, Gewalt gegen Frauen, Kinderprostitution – viele Themen, mit denen sich die Dokumentarfilmerin Lourdes Picareta bislang beschäftigt hat, waren in ihrer schrecklichen Intensität nur schwer zu ertragen. Aber wie würde sie eine womöglich noch größere, aber nahezu unsichtbare Katastrophe zeigen können: das große Artensterben vor unserer Haustür?

Die Oscars des Journalismus: Eine solche Bronze-Trophäe bekommen die Preisträger der fünf Kategorien des Nannen Preises bei der Preisverleihung am 1. Juni 2021 überreicht.
Die Oscars des Journalismus: Eine solche Bronze-Trophäe bekommen die Preisträger der fünf Kategorien des Nannen Preises bei der Preisverleihung am 1. Juni 2021 überreicht.

Es ist die Geschichte eines schleichenden Verschwindens, dessen Leidtragende – Braunkehlchen, Kiebitz oder Lerche – immer seltener zu sehen sind. Welche Bilder vermögen, diesen Verlust zu vermitteln, den kaum jemand bereits in seinem Alltag bemerkt? In jahrelangen aufwändigen Dreharbeiten hat Picareta sich dieser Herausforderung gestellt – und beeindruckende Bilder für das Bildlose gefunden.

Die unwegsame Grenze zwischen Kroatien und Bosnien: ein trister Nebenschauplatz der Migrationskrise, eine Sackgasse für Tausende Verzweifelte. Dort hat der freie Fotograf Jesco Denzel nach monatelanger Vorbereitung und in wochenlangen Recherchen eine bewegende Portrait-Serie produziert – allein, auf eigene Kosten und eigenes Risiko, ohne Auftrag einer Redaktion und ohne Garantie, dass irgendjemand diese Arbeit honorieren würde. Freien Fotojournalisten wie Denzel ist oft zu verdanken, dass die Öffentlichkeit ein Gefühl für die Welt, auch für deren dunkle Seiten bekommt.

Ein Preis für alle

Dies sind drei Beispiele für die Kreativität und Relevanz der Einreichungen zum diesjährigen Nannen Preis. Genauer: Drei von fast 700 Arbeiten, die in den fünf Kategorien des Nannen Preises 2021 miteinander konkurrieren. Erstmals wird der Preis für Arbeiten aus allen Mediengattungen vergeben, von Print bis Podcast, von Foto-Reportage bis Fernseh-Dokumentation, von Web-Projekt bis Radio-Feature.

Zwölf dieser Arbeiten werden wir im Rahmen einer neuen Serie zum Wettbewerb um die renommierteste Auszeichnung für deutschsprachigen Journalismus in den kommenden Wochen auf stern.de näher beleuchten, auf drei weitere gehen wir in Sonderausgaben des stern-Podcasts "Nachgefragt" ein.

Die Serie zum Wettbewerb: Im Maschinenraum des Journalismus – so arbeiten Reporterinnen und Reporter
© Screenshot

Das tun wir nicht, um die späteren Sieger vorwegzunehmen. Die Preise werden von unabhängigen, exzellent besetzten Jurys vergeben. Wir wissen nicht, wer gewinnen wird. Vielmehr stellen wir Arbeiten vor, um zu erzählen, wie guter Journalismus heutzutage entsteht. Und um uns zu verbeugen vor großartigen Journalistinnen und Journalisten. Denn der Nannen Preis will auch zum Gespräch über Journalismus in der Gesellschaft beitragen.

Gregor Peter Schmitz mit den Buchstaben GPS

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Wir werfen also einen Blick in den Maschinenraum des Journalismus, auf die Arbeitsweise und die Herausforderungen der Branche. Wie kommt ein Thema auf? Welche Quellen nutzen Reporterinnen und Reporter für ihre Recherche? Unter welchen Bedingungen arbeiten Journalistinnen und Journalisten – in der Lokalberichterstattung oder im Auslandseinsatz? Welche Möglichkeiten bieten neue und traditionelle Medien?

Christoph Kucklick (l.) ist Sprecher des Nannen Preises und Leiter der Henri-Nannen-Journalistenschule. stern-Reporter Steffen Gassel konzipierte die NP21-Serie zum aktuellen Nannen Preis Wettbewerb.
Christoph Kucklick (l.) ist Sprecher des Nannen Preises und Leiter der Henri-Nannen-Journalistenschule. stern-Reporter Steffen Gassel konzipierte die NP21-Serie zum aktuellen Nannen Preis Wettbewerb.

Unsere Serie zum Wettbewerb sucht im Lauf der kommenden zehn Wochen Antworten auf diese Fragen, in Werkstatt-Gesprächen, Porträts und Protokollen. Nach Möglichkeit verlinken wir die Original-Veröffentlichungen, um sie geht es schließlich. Die Auswahl der Arbeiten, die wir vorstellen, hat mein Kollege Steffen Gassel getroffen, Reporter und langjähriger Auslandskorrespondent des stern. Ihn unterstützen Simon Langemann und Jonas Schulze Pals aus dem aktuellen Lehrgang der Henri-Nannen-Journalistenschule.

Begleiten Sie uns also auf eine Entdeckungsreise in die Vielfalt des deutschsprachigen Journalismus! Und dann freuen wir uns auf den Abend der Preisverleihung am 1. Juni, an den Arbeiten, die den Nannen Preis 2021 gewinnen.