Das Künstlerkollektiv "Zentrum für Politische Schönheit" ist bekannt für Aktionen von fragwürdigem Geschmack, aber mit viel Aufregerpotenzial. Mal errichtete es vor dem Wohnhaus des Thüringer AfD-Chefs Björn Höcke ein "Holocaust-Mahnmal". Dann wieder klaute es Gedenkkreuze für die Maueropfer in Berlin, um diese an den europäischen Außengrenzen aufzustellen.
Nun sorgt es mit einer neuen Aktion für Aufsehen. In der Nacht zum Dienstag haben die Aktivisten vor der CDU-Zentrale, dem Konrad-Adenauer-Haus, im Berliner Stadtteil Tiergarten eine lebensgroße Bronzestatue von Walter Lübcke aufgestellt. Der Kasseler Regierungspräsident und CDU-Politiker war in der Nacht zum 2. Juni 2019 von einem Rechtsextremisten vor seinem Haus erschossen worden, weil er sich öffentlich für Flüchtlinge eingesetzt hatte.
Die Aufstellung des Denkmals vor der CDU-Zentrale will das Kollektiv als Appell verstanden wissen, dass ein Bündnis zwischen CDU und AfD verhindert werden muss. So heißt es auf einer am Dienstag freigeschalteten Website. "Der Weg des Faschismus an die Macht führt über die Konservativen", kommentiert eine weibliche Stimme einen Film, der von Bildern aus dem Nationalsozialismus zu Aufnahmen von AfD-Chefin Alice Weidel wechselt.
Nicht alle in der CDU halten die Brandmauer für richtig
In den vergangenen Wochen war mehrfach darüber diskutiert worden, ob die sogenannte Brandmauer (die Selbstverpflichtung der Union, nicht mit der AfD zu kooperieren) der richtige Weg ist. Dabei waren auch aus der CDU Stimmen laut geworden, die dies bezweifeln.
Die CDU reagierte empört auf die Aktion. "Dr. Walter Lübcke war ein aufrechter Christdemokrat, ein Kämpfer für seine Überzeugungen und vor allem ein Freund. Er war einer von uns", sagte eine Sprecherin dem stern. Seine kaltblütige Ermordung habe die Partei "tief ins Mark getroffen".
"Gerade deswegen verwahren wir uns gegen die unaufrichtige Instrumentalisierung von Dr. Walter Lübcke durch linke Aktivisten wie das Zentrum für Politische Schönheit", so die Sprecherin weiter. Der Kampf gegen den politischen Extremismus sei "eine Aufgabe aller Demokraten". "Wer diesen Kampf aufrichtig mit uns führen will, darf sich nicht gegen die politische Mitte wenden."
Lübcke-Sohn erhob Vorwürfe gegen die CDU
Allerdings bringt die Aktion die CDU in eine gewisse Bredouille. Denn nach dem Tod Lübckes war auch seine eigene Partei in die Kritik geraten. In einem Interview mit t-online hatte einer der Söhne von Lübcke, Christoph Lübcke, eine mangelnde Unterstützung für seinen Vater im Vorfeld der Ermordung beklagt. Dieser hatte nach einem Auftritt auf einer Bürgerversammlung, wo er für eine Flüchtlingsunterkunft warb, Morddrohungen erhalten. Von der CDU sei "wenig bis nichts" gekommen, sagte Christoph Lübcke damals: "Mein Vater hat sich schon sehr allein in dieser Situation gefühlt."
Die AfD hatte mit dem Video von Lübckes Auftritt auf der Bürgerversammlung, das der spätere Attentäter ins Netz gestellt hatte, immer wieder Stimmung gegen den CDU-Politiker gemacht.
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Für Lübckes eigene Partei ist die Erinnerung daher nicht unbelastet. Deshalb ist der Umgang mit der Kunstaktion für sie nun auch eine Herausforderung. Wehrt sie sich gegen die Aufstellung der Statue, könnte das gegen sie ausgelegt werden.
Genau das dürfte auch das Kalkül der Aktivisten vom "Zentrum für Politische Schönheit" gewesen sein. Ihr Gründer Philipp Ruch gab an, die Aufstellung der Statue sei ohne Probleme vonstattengegangen, weil die Künstler zur Tarnung Warnwesten getragen hätten. Zur Aktion gehört auch eine Sitzbank und eine Tafel mit Erklärungen zu Walter Lübcke. Damit nicht genug: Die Künstler wollen auch noch die Umbenennung der Zufahrtsstraße in "Walter-Lübcke-Straße" beantragen.
Die Familie von Walter Lübcke äußerte sich auf Anfrage des stern zu der Aktion nicht.