Der Tag beginnt mit dem Morgengrauen.
Shani Louk ist tot. Drei Wochen nachdem die 22-jährige Deutsche von Hamas-Terroristen verschleppt wurde, konnten Splitter ihres Schädelknochens identifiziert wer-den. Der Bildschirm unseres Smartphones leuchtet auf unser verknittertes Aufwachgesicht. Schockiert rollen wir uns auf die andere Seite und klicken auf die nächste Meldung.
Armita Garawand ist tot. Sittenwächter hielten die 16-jährige Iranerin in der Teheraner U-Bahn an, weil sie kein Kopftuch trug. Vier Wochen später starb sie im Krankenhaus. Jetzt sitzen wir schon auf der Bettkante, das Fenster zur Welt noch immer fest im Griff.
Tricia Asselin ist tot. Die 53-jährige Amerikanerin war eines von 18 Opfern, die ein psychisch kranker Waffennarr in Lewiston im US-Bundesstaat Maine erschoss.
Beim Zähneputzen melden die Radionachrichten: In Cherson sterben Zivilisten bei einem Raketenangriff der russischen Armee. Die Erde wird sich vermutlich schon in wenigen Jahren um mehr als um 1,5 Grad erwärmt haben. Das UN-Kinderhilfswerk nennt den Gazastreifen "einen Friedhof für Kinder". Der Terrorexperte Peter Neumann rechnet mit Anschlägen der Hamas in Deutschland. Und die WHO warnt, die Welt sei weiterhin schlecht auf eine neue Pandemie vorbereitet.
Endlich duschen. Endlich Ruhe. Die Dusche ist der sicherste Ort, der einzige, zu dem die Angst machenden Meldungen aus aller Welt noch keinen Zutritt haben.
Schon vor dem Frühstück müssen viele von uns eine Horrordosis verarbeiten, auf die das Gehirn des Homo sapiens nur unzureichend vorbereitet ist. "Das Dauerfeuer an schlechten Nachrichten kann toxisch sein", sagt Maren Urner. Sie ist Neurowissenschaftlerin und Professorin für Medienpsychologie an der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft in Köln. "Die aktuelle Nachrichtenlage kann zu chronischen Stressreaktionen im Gehirn führen."
Nachrichten können also krank machen.