Niederlande Schüler bauen Sarg - für Lehrerin

Von Albert Eikenaar
Die Grundschullehrerin Eri van den Biggelaar, 40, ist unheilbar krank, sie wird sterben. Nun bereitet sie sich auf ihren Abschied vor, ihre Schüler basteln im Unterricht einen Sarg. In den Niederlanden wird diese Aktion toleriert - in Belgien hat sie scharfen Protest ausgelöst.

Die Prognose ist eindeutig. Nur ein paar Monate noch hat sie zu leben. Die Lehrerin Eri van den Biggelaar (40) aus dem niederländischen Örtchen Someren leidet an einem agressiv wuchernden Gebärmutterhalskrebs. Unterricht geben kann sie nicht länger. In der Schule aber bereiten ihre Schutzbefolenen, vier bis elf Jahre alt, sich auf ihren unumgänglichen Abschied vor. Die Schüler bauen für sie liebevoll den Sarg, mit dem sie demnächst ihre Reise ins Jenseits machen wird.

Auf diese Art werden sie Schritt für Schritt auf den Tod von "Juffrouw" Eri vorbereitet - geistig wie praktisch. So möchte sie es gerne selbst. "Leben und Tod gehören zusammen", erklärte sie in der Zeitung "De Telegraaf". Nach der niederschmetternden Diagnose ging sie zu Eric van Dijk, dem Kollegen, der in der Schule für Handarbeit zuständig ist und bat ihn, einen besonderen Sarg für sie zu bauen. Van Dijk, nebenberuflich Designer, konfrontierte die sterbende Lehrerin mit einer eigensinnigen Idee. "Warum lassen wir deine Schüler nicht die Kiste machen?" Eri reagierte begeistert. Das war genau in ihrem Sinne. So konnte sie ein Tabuthema aufbrechen und "ihre Kinder", dabei drei eigene, auf ihren definitiven Rückzug aus dem Leben vorbereiten. Eine Aufgabe, die sie in den täglichen Unterricht integrierte. "Wo ich hingehe ist es viel schöner als auf dieser Welt" hat sie erzählt, überzeugend, direkt aus dem Herzen.

U-Boot spielen im Sarg

Wochenlang zimmerten und schraubten die Jungen und Mädchen an dem "organischen" Sarg. Sie sägten über hundert schmale Brettchen, die sie fest aneinander leimten - so natürlich wie möglich. Nur der Deckel muss jetzt noch gemacht werden. Keines der Kinder hat diese Handarbeit als gruselig empfunden oder Angst gehabt. Keiner fühlte sich traumatisiert. Das liegt daran, dass Eri sie selbst auf die Geschehnisse vorbereitet.

Dabei steht der Sarg mitten in einer der Schulklassen. Manche spielen sogar damit, klettern rein und fühlen sich U-Bootkapitän. Das ist erlaubt. Wenn nur nicht die Intimität und Pietät verletzt werden. Letztlich wissen alle, dass dieses Bauwerk absolut kein Spielzeug ist.

Flutwelle von Reaktionen

In den Niederlanden löste dieser einzigartige Unterricht keinen Schrecken oder Empörung aus. Dort wird mit dem Tod weniger schwer, nicht so "schwarz" umgegangen. Im Nachbarland Belgien zeigten viele Entsetzen, als sie Eris Geschichte in der Zeitung lasen. Belgische Trauertherapeuten meinten, dass Kinder nicht imstande seien, das Sterben eines Freundes, Opas, von Vater oder Mutter richtig zu verarbeiten. "Erwachsene können über ihre Gefühle, über den Verlust eines geliebten Menschen reden. Kinder können das nicht".

Eine Flutwelle von positiven wie negativen Reaktionen brach herein. Eri meint, dass gerade diese Aufregung zeigt, wie nötig es ist, Kinder über den Tod, die Trauer, den Schmerz aufzuklären. Als ihr Opa beerdigt wurde, fühlte sie sich sehr einsam. Keiner sprach mit ihr. "Da stand ich dann als kleines Mädchen mit den Blumen am Grab und verstand nicht, warum die Menschen weinten". Das will sie vermeiden, wenn sie selbst beigesetzt wird. Ihre Kinder müssen wissen, was los ist. "Ich habe mit meinem Leben abgeschlossen".