Papst Benedikt XVI. hat sich am ersten Tag seines mit Spannung erwarteten Besuchs in der Türkei um Versöhnung und Ausgleich mit dem Islam bemüht.
Fast drei Monate nach seinen umstrittenen Äußerungen zum Thema Islam und Gewalt in Regensburg betonte er am Dienstag bei einem Treffen mit dem Chef der türkischen Religionsbehörde, Ali Bardakoglu, in Ankara die Gemeinsamkeiten zwischen Christen und Islam. Beide Religionen teilten den Glauben "an den einen Gott" sowie an die besondere Würde jedes einzelnen Menschen. Zugleich forderte der Papst eine "institutionell garantierte" Religionsfreiheit für christliche Minderheiten in der Türkei. An diesem Mittwoch reist der Papst in die antike Stadt Ephesus, wo er eine Messe hält, und anschließend nach Istanbul.
Bardakoglu kritisierte Benedikt indirekt
Auch Bardakoglu warb bei dem Treffen in Ankara für Dialog und Ausgleich, warnte aber auch vor einer um sich greifenden "Islamphobie". Diese gegen den Islam gerichtete Haltung bringe zum Ausdruck, "dass der Islam durch seine Geschichte und Quellen zur Gewalt ermuntert und der Islam mit dem Schwert in der Welt verbreitet wurde". Damit kritisierte Bardakoglu auch die Äußerungen Benedikts auf dessen Bayernreise und das von ihm verwendete Zitat eines byzantinischen Kaisers aus dem 14. Jahrhundert.
"Wir Muslime verdammen jede Form von Gewalt und Terror", sagte Bardakoglu. Religionsführer sollten sich darauf konzentrieren, "die Probleme der Menschheit gemeinsam zu lösen, ohne die Überlegenheit des eigenen Glaubens herausstellen" zu wollen, sagte er mit Blick auf Benedikt.
Unklarheit über Papstäußerungen zu türkischem EU-Beitritt
Kurz zuvor war der Papst vom türkischen Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan ohne jede Zeremonie auf dem Flughafen empfangen worden. Der Flughafen war streng abgeschirmt, schwerbewaffnete Sicherheitskräfte umringten die Papstmaschine. Auch für die anschließende Fahrt des Pontifex in die Stadt in einer gepanzerten Limousine galt höchste Sicherheitsstufe. Mehr als 3000 Polizisten sicherten die Straßen, auf Dächern und markanten Punkten gingen Scharfschützen in Stellung.
Erdogan sagte nach dem Gespräch mit Benedikt, der Papst teile seine Auffassung, dass der Islam eine "Religion des Friedens, der Toleranz und der Liebe" sei. Benedikt habe sich zudem für eine Mitgliedschaft der Türkei in der Europäischen Union ausgesprochen, sagte Erdogan.
Der Vatikan wollte die Äußerungen von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan allerdings nicht bestätigen. Vatikansprecher Federico Lombardi sagte, der Heilige Stuhl habe in solchen politischen Fragen keine Kompetenz. Er betrachte die Annäherung der Türkei an Europa aber als positiv und ermutige diesen Weg. Vor seiner Wahl zum Papst im April 2005 galt Kurienkardinal Joseph Ratzinger als Gegner eines türkischen EU- Beitritts.

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Papst fordert Religionsfreiheit
Vor dem offiziellen Empfang durch den türkischen Präsidenten Ahmet Necdet Sezer legte Benedikt XVI., wiederum abgeschirmt von der Öffentlichkeit, einen Kranz im Atatürk-Mausoleum nieder. In das Gästebuch schrieb er unter Bezugnahme auf einen berühmte Atatürk- Ausspruch: "Frieden zu Hause, Frieden in der Welt". Er schließe sich dankbar den Worten des Gründers der türkischen Republik an, "in einem Land, das Treffpunkt der Religionen und Kulturen, Brücke zwischen Asien und Europa ist".
Bei seiner Forderung nach Verbesserungen bei der Religionsfreiheit führte Benedikt aus, diese müsse einerseits "institutionell garantiert", andererseits aber auch in der Praxis tatsächlich eingehalten werden. "Die zivilen Behörden in jedem demokratischen Land sind verpflichtet, die tatsächliche Freiheit aller Gläubigen zu garantieren und ihnen zu erlauben, sich in Freiheit zu organisieren", sagte er am Dienstagabend vor dem Diplomatischen Korps in Ankara. Die gut 100.000 Christen in der Türkei bemängeln vor allem das faktische Verbot der Priesterausbildung in der Türkei sowie mangelnde juristische Absicherung der Stellung der Kirchen.
Proteste gegen Benedikt
Noch vor dem Eintreffen Benedikts bei Bardakoglu demonstrierte eine Gruppe von Gewerkschaftsmitgliedern vor der Behörde. "Papst, Du bist in unserem Land nicht willkommen", hieß es auf Transparenten. Bereits am Sonntag hatten in Istanbul rund 30.000 Menschen friedlich gegen den Papst-Besuch demonstriert.
Höhepunkt des viertägigen Besuchs ist das Treffen mit dem orthodoxen Patriarchen Bartholomäus I. in Istanbul an diesem Mittwoch. Dabei geht es um eine Annäherung zwischen der römisch- katholischen Kirche und der Orthodoxie.