Störung des Redeflusses Was Stottern ist und wie Betroffene damit umgehen können

Stotternde Menschen können mit Hilfe von regelmäßigen Sprechübungen ihren Redefluss verbessern. (Symbolbild) Foto: Jens Kalaene/
Stotternde Menschen können mit Hilfe von regelmäßigen Sprechübungen ihren Redefluss verbessern. (Symbolbild) Foto
© Jens Kalaene/zb/dpa
Mehr als 800.000 Menschen sind bundesweit von Stottern betroffen. Was man über die Ursachen weiß, welche Varianten es gibt - und wann Experten zu einer logopädischen Therapie raten.

Rund ein Prozent der Bevölkerung stottert - etwa viermal so viele Männer wie Frauen. Allein in Deutschland sind nach Angaben der Bundesvereinigung Stottern & Selbsthilfe (BVSS) mehr als 830.000 Menschen betroffen. Doch was ist Stottern eigentlich, woher kommt es und was lässt sich dagegen tun? Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Welttag des Stotterns am 22. Oktober:

Was ist Stottern?

Stottern ist eine Störung des Redeflusses. "Wer stottert, weiß genau, was er sagen möchte, kann es in dem Moment jedoch nicht störungsfrei aussprechen", schreibt die Bundesvereinigung Stottern & Selbsthilfe. In Deutschland ist Stottern als Behinderung anerkannt. Betroffene Kinder können etwa einen Nachteilsausgleich in der Schule beantragen.

Grundsätzlich gibt es drei Arten von Stottern. Deren sogenannte Kernsymptome sind: 

das Wiederholen von Lauten und Silbendas Dehnen einzelner Laute und Blockierungen vor oder in einem Wort. 

Das Problem für stotternde Menschen sei meist der Übergang in den Vokal, etwa nach einem Konsonanten, sagt Stottertherapeutin Claudia Walther aus Augsburg. Begleitsymptome sind demnach, dass Betroffene versuchen, diese Unterbrechungen des Redeflusses etwa durch besondere Anstrengung zu überwinden oder bestimmte Wörter zu vermeiden.

Woher kommt Stottern? 

Laut Experten ist Stottern hauptsächlich genetisch veranlagt. "Es ist aber so: Man hat immer versucht, die Gene zu suchen, die dafür verantwortlich sind. Das hat nicht funktioniert", sagt der Neurologe Martin Sommer vom Universitätsklinikum Göttingen.

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Eine kürzlich im Fachblatt "Nature Genetics" veröffentlichte Studie verweist auf 57 Genorte - zugeordnet zu 48 Genen -, die mit Stottern verbunden sind. Dennoch: "Niemand versteht wirklich, warum jemand stottert. Es ist ein völliges Rätsel", betonte Studienleiterin Jennifer Below vom Vanderbilt University Medical Center in Nashville (US-Bundesstaat Tennessee).

Basis für die Studie waren demnach die Daten von knapp 100.000 Betroffenen. Auf die Frage: "Haben Sie jemals gestottert oder gestammelt?" hatten sie mit "ja" geantwortet. Zum Vergleich zogen die Wissenschaftler die Daten von mehr als einer Million Menschen heran, die die Frage mit "Nein" beantwortet hatten. Der Neurologe Sommer kritisiert die Datenbasis, weil er die Frage für zu allgemein hält.

Laut dem Experten unterscheidet sich bei stotternden Menschen ein Areal in der linken Gehirnhälfte von anderen Personen. "Das ist eine Stelle mit reduzierter Faserintegrität", erläutert Sommer, der selbst stottert. "Dort funktionieren sozusagen die Hirnfasern, die die verschiedenen grauen Zellen miteinander verknüpfen, nicht so gut wie bei den flüssig sprechenden Menschen."

Wann sollten Betroffene Hilfe suchen? 

Meist entsteht Stottern im Alter von zwei bis sechs Jahren. "Eine Therapie ist auf jeden Fall indiziert, wenn das Kind sich in irgendeiner Form anstrengt", sagt Stottertherapeutin Walther. "Wenn es zum Beispiel merkt, das geht jetzt nicht, und dann anfängt, den Kopf mitzubewegen, lauter zu werden, die Silben, die Laute rauszupressen."

Vor allem, wenn das Kind sich schäme, sich zurückziehe und weniger Lust habe zu sprechen, sollten sich Eltern von einer Kinderärztin oder einem Kinderarzt beraten lassen. 

Wie lässt sich Stottern behandeln?

Betroffene können ihr Stottern in einer logopädischen Therapie verändern. Die sogenannte Stottermodifikation zielt darauf ab, das Stottern zu verändern, indem etwa das Sprechen im Moment des Stotterns angehalten und der Übergang in einen Vokal gezielt gebildet wird.

Bei dem sogenannten Fluency Shaping geht es dagegen darum, den Sprachfluss abzuwandeln. "Das heißt, ich nutze Techniken, um das Sprechen an sich zu verändern", sagt Walther. Dabei werde beispielsweise das Sprechen gedehnt, um den Redefluss zu erhöhen.

Zu einer erfolgreichen Stottertherapie gehört laut Walther aber unter anderem auch die Bearbeitung von eventuell entstandenen Ängsten beim Sprechen.

dpa