Mauerbau, Mauerfall und die DDR bleiben auch 36 Jahre nach der friedlichen Revolution für viele Berlinerinnen und Berliner zentrales Thema. In einer Forsa-Umfrage unter gut 1.600 Hauptstädtern sagten 48 Prozent, sie hätten sich intensiv oder sogar sehr intensiv mit der DDR beschäftigt. Nur 11 Prozent haben sich nach eigenen Angaben noch nie damit befasst.
Das Interesse ist der Umfrage zufolge jedoch bei Jüngeren und bei Menschen mit Migrationshintergrund schwächer als bei Älteren und bei früheren DDR-Bürgern. Und bisher wird es eher durch Gespräche in der Familie geweckt als in der Schule. In dem Zusammenhang fänden es 84 Prozent der Befragten gut, Besuche in DDR-Gedenkstätten in den Lehrplänen von Schulen zu verankern.
"Geschichte kann durchaus interessant sein"
Auch der Berliner SED-Aufarbeitungsbeauftragte Frank Ebert wäre für Pflichtbesuche. Er plädiert zudem für mehr digitale Angebote, um junge Leute zu erreichen. "Wir müssen die jüngere Generation daran erinnern, dass Geschichte durchaus interessant sein kann", sagte Ebert bei der Vorstellung der Umfrageergebnisse.
Er hat die Studie zu Wissen, Einstellungen und Orten der Erinnerung an die DDR in Auftrag gegeben. Wie Forsa-Geschäftsführer Peter Matuschek sagte, gab es bisher nichts Vergleichbares, es ist also keine Entwicklung des Wissensstands oder des Interesses ablesbar.
Überraschend fand Matuschek nach eigenen Worten aber den Vergleich mit anderen Bundesländern, etwa mit Brandenburg: Wegen der Teilung Berlins gebe es hier sehr eindeutige Ergebnisse, wie man sich an die DDR erinnere - nämlich überwiegend negativ.
Wollen Sie nichts mehr vom stern verpassen?
Persönlich, kompetent und unterhaltsam: Chefredakteur Gregor Peter Schmitz sendet Ihnen jeden Mittwoch in einem kostenlosen Newsletter die wichtigsten Inhalte aus der stern-Redaktion und ordnet ein, worüber Deutschland spricht. Hier geht es zur Registrierung.
Eher "diktatorisch" als "fürsorglich"
So verbanden auf eine offene Frage nach der eigenen Einschätzung 47 Prozent der Befragten die DDR mit Attributen wie "diktatorisch, autoritär, repressiv". Positives wie "menschenorientiert /fürsorglich" nannten 14 Prozent der Befragten, "soziale Gleichheit/Sicherheit" nannten 9 Prozent der befragten Berlinerinnen und Berliner.
Acht von zehn Teilnehmerinnen und Teilnehmern finden es laut Studie wichtig, die Erinnerung an politische Verfolgung in der DDR aufrechtzuerhalten. Nur 14 Prozent sagten, sie sähen keinen Grund, sich noch mit der DDR-Vergangenheit auseinanderzusetzen.
Mehr Augenmerk für die Opposition
73 Prozent sagten, es solle mehr an Opposition und Widerstand in der DDR erinnert werden. Und genau das fordert auch Ebert, der selbst in der Wendezeit in der Opposition aktiv war und später ein Archiv dazu aufbaute. Ebert bekräftigte, dass ab Januar mit den Vorbereitungen einer Ausstellung im Humboldt Forum begonnen werden soll, die genau diesen Aspekt herausstellt. Es gehe darum, "das Positive in der deutschen Geschichte hervorzuheben", nämlich die friedliche Revolution und den Kampf um Freiheit, sagte Ebert.
Wer eine Gedenkstätte besucht, nimmt offenbar eindrückliche Erinnerungen mit. 75 Prozent der Besucherinnen und Besucher gaben an, sie seien emotional berührt gewesen, 72 Prozent sagten, sie hätten neue Fakten gelernt.
Checkpoint Charlie ist am bekanntesten
Am bekanntesten unter den Gedenkorten sind allerdings die Touristenhotspots Checkpoint Charlie an der Friedrichstraße (88 Prozent), die Eastside Gallery mit den letzten erhaltenen Mauerstücken (78 Prozent) und die Gedenkstätte Berliner Mauer an der Bernauer Straße (74 Prozent).
Den etwas abseits gelegenen Campus für Demokratie an der ehemaligen Stasi-Zentrale in Lichtenberg kennt nur einer von fünf Befragten (22 Prozent), der Lernort Keibelstraße - das ehemalige DDR-Untersuchungsgefängnis in der Nähe des Alexanderplatzes - ist sogar nur sechs Prozent vertraut.
Hunderttausende in Gedenkstätte Hohenschönhausen
Die Gedenkstätte Hohenschönhausen - das ehemalige Untersuchungsgefängnis der Staatssicherheit - liegt in der Bekanntheit im Mittelfeld, hat aber nach Angaben von Direktor Helge Heidemeyer schon heute 400.000 Besucher im Jahr. Einige Schulklassen müsse man abweisen, weil keine Kapazitäten für weitere Führungen da seien, sagte Heidemeyer.
Mit Blick auf mögliche Pflichtbesuche für Schüler sagte er jedoch, es gebe durchaus noch Orte, die Kapazitäten hätten, so etwa das ehemalige Flüchtlingsaufnahmelager in Marienfelde.
Forsa erhob die Daten für die Umfrage nach eigenen Angaben vom 15. August bis 28. September bei 1.643 Berlinerinnen und Berlinern ab 16 Jahren.