Erstmals seit fünf Jahren können wahlberechtigte Hessinnen und Hessen im März wieder ihre Gemeinde- und Kreisparlamente bestimmen. Dafür hat die schwarz-rote Landesregierung eine andere Berechnung der Sitzverteilung beschlossen. Das soll nach ihren Worten einer Zersplitterung vorbeugen und Ein-Personen-Fraktionen verhindern. Laut Experten werden allerdings größere Parteien mit dem neuen Verfahren etwas begünstigt. Dagegen klagt die oppositionelle FDP-Landtagsfraktion.
Welches Gericht verhandelt wann?
Der Staatsgerichtshof in Wiesbaden befasst sich am Mittwoch (17.12.) in einer mündlichen Verhandlung mit dem sogenannten Normenkontrollantrag der FDP (P. St. 3013). Ein Urteil des höchsten hessischen Gerichts wird erst Wochen später erwartet. Es soll klären, welches Auszählverfahren schon kurz darauf am 15. März 2026 bei den Kommunalwahlen für die Vertretungen in 21 Kreistagen sowie mehr als 420 Städten und Gemeinden in Hessen gilt.
Wie argumentiert die FDP?
Die FDP wertet die Wahlrechtsreform als Angriff auf "die demokratische Vielfalt in den hessischen Kommunalparlamenten". Nach ihren Berechnungen hätten CDU und SPD bei den bislang letzten Kommunalwahlen 2021 in Hessen 94 beziehungsweise 68 mehr Mandate bekommen, wäre damals schon das neue Berechnungsverfahren angewendet worden. Insgesamt hätten sich 272 Mandate verschoben.
Der innenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Moritz Promny, sagt der Deutschen Presse-Agentur: "Wir sind überzeugt, dass ein Parlament nach dem Willen der Wählerinnen und Wähler zusammengesetzt sein sollte, nicht nach dem Willen der Landesregierung. Letzteres wäre aber nach dem geänderten Auszählverfahren der Fall." Die FDP sieht Promny zufolge bei der Verhandlung vor dem Staatsgerichtshof "daher gute Argumente auf unserer Seite".
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Warum hält die Landesanwältin die Klage für unbegründet?
Landesanwältin Monika Böhm, die in bundesweit einmaliger Position in Hessen als Verfassungsanwältin die Interessen der Öffentlichkeit vertritt, stuft die FDP-Klage als unbegründet ein: "Aus meiner Sicht ist das Gesetz verfassungsgemäß", sagt die Marburger Juraprofessorin der dpa.
Sie spricht zwar von einer Benachteiligung kleinerer Parteien durch die Wahlrechtsreform. "Dies ist meines Erachtens aber gerechtfertigt. Würde man ein anderes Verfahren wählen, würde das dann aber auch wieder zu Benachteiligungen führen", ergänzt Böhm.
In ihrer ausführlichen Stellungnahme für den Staatsgerichtshof führt sie aus, dass sich bei Kommunalwahlen "bei der Umrechnung von abgegebenen Stimmen auf die vorhandenen Mandate zwangsläufig Bruchteilergebnisse ergeben. In der Praxis kann jedes Zuteilungsverfahren daher der Erfolgswertgleichheit nur nahekommen, sie aber nicht erreichen."
Wie beurteilt die Landesanwältin die Begründung für die Wahlreform?
Die Landesanwältin hält die Begründung der Landesregierung für die Wahlreform für zulässig, "dass durch eine Überzahl kleiner Gruppierungen die Arbeit in den Kommunalparlamenten gefährdet beziehungsweise zumindest erschwert würde", wie Böhm der dpa sagt. Deutlich zeige sich dies etwa in Frankfurt: "Dort sind derzeit 16 verschiedene Gruppierungen im Stadtparlament vertreten." Nach dem neuen Auszählverfahren wären es wenigstens noch elf.
Welche kommunalen Wahlergebnisse hat es 2021 gegeben?
Bei Hessens Kommunalwahlen 2021 kam die CDU auf 3.661 Sitze in den Gemeindevertretungen und 467 in den Kreisparlamenten, die SPD auf 3.506 in den Gemeindevertretungen und 394 in den Kreisparlamenten.