Fünf Pferde, drei Ziegen und vier Hunde warten auf dem Therapiehof in Bargstedt im Landkreis Stade auf ihre Klienten. Es ist Vormittag, viele von ihnen sind noch in der Schule. Bei Krankheitsbildern von Autismus über Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörungen (ADHS) bis hin zu Demenz kann die Arbeit mit den Vierbeinern Fortschritte fördern. "Tiere sind Brücken, Türöffner", sagt Sebastian Cramer, Leiter des ländlichen Zentrums für tiergestützte Therapie und Pädagogik.
"Tiere werten nicht, sie spiegeln auch manchmal Stimmungen", sagt Cramer. Die sensiblen Therapiebegleittiere stammen teils aus Einrichtungen wie der Tierhilfe und sind gezielt für ihre Aufgaben trainiert. Die nonverbale Kommunikation helfe auch bei Ängsten und Zwängen, die seit der Corona-Pandemie stärker zutage getreten seien. Auf dem abgeschiedenen Hof arbeiten sie seit 16 Jahren mit den Therapietieren.
Rund 60 Klienten kommen einmal pro Woche auf den Hof, im Schnitt bleiben sie Dreivierteljahr. Die Warteliste ist lang. "Wir haben hier jeden Tag Full House", erzählt Cramer, der von fünf Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unterstützt wird. Die Altersspanne reicht vom knapp dreijährigen Kind bis zu einer 80 Jahre alten, an Demenz erkrankten Teilnehmerin.
Umgang mit Tieren soll Eigenverantwortung und Selbstbewusstsein stärken
Eine 45-minütige Therapiestunde kostet 93,75 Euro und muss privat bezahlt werden. Wer das nicht aufbringen kann, bekommt Hilfe von Stiftungen. Manche fahren bis zu 50 Kilometer, um Unterstützung zu bekommen. Der Umgang mit Pferden, Hunden und Ziegen soll Eigenverantwortung und Selbstbewusstsein stärken. Das Ambiente ist zum Wohlfühlen: "Hier können alle entspannen und sich wohlfühlen."
Manche Kinder kommen mit Aggressionen, einige Möbelstücke mussten schon dran glauben. Wenn die Eltern danach Angst haben, dass ihr Kind aus dem Programm fliegt, kann Cramer sie beruhigen: "Manche sind schon aus anderen Therapien geflogen, aber das machen wir nicht. Wegen ihrer Probleme sind sie doch da."
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Mit großer Spende den Hof gekauft – Lierhaus begeistert
Nach einer umfangreichen Spende des RTL-Kinderspendenmarathons vor zwei Jahren konnte sich der Verein auf eigene Beine stellen und den Hof kaufen. "Wir haben auf einmal 440.000 Euro zur Verfügung gehabt, das war ein Sechser im Lotto", erzählt Cramer. Über RTL lernte er auch Monica Lierhaus kennen, die von dem Hof begeistert ist: "Sebastian und sein Team sind einfach unglaublich – es ist großartig, was sie mit den Kindern und Jugendlichen leisten und wie sehr sie sich engagieren", sagte die Moderatorin der Deutschen Presse-Agentur.
Tiergestützte Therapien seien unglaublich wichtig, "denn sie erzielen Erfolge, die mit menschlichen Therapeuten so nicht erreicht werden können", erzählt sie. Besonders Kinder mit körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen sprächen gut darauf an. "Und das Tolle ist, Tiere machen keinen Unterschied, ob jemand mit oder ohne Einschränkungen vor einem steht", erzählt Lierhaus, die nach ihrem Aneurysma selbst gute Erfahrungen mit der Therapie machte.
Die Reittherapie habe ihr geholfen, flüssigere Bewegungen wiederzuerlangen und die durch eine Gleichgewichtsstörung verkrampfte Muskulatur zu entspannen: "Auf dem Pferderücken bin ich sogar absolut schmerzfrei, was eine Erleichterung für mich ist."
Cramer bildet Kollegen aus
Zusätzlich bietet Cramer dank einer Spenderin auch anderen sozialen Höfen oder Einrichtungen bezahlbare Hilfe an, um sich bei tiergestützten Interventionen besser aufzustellen. Für pauschal 350 Euro berät er und coacht rund um Fragen des Angebots mit Tieren.
So hat Ergotherapeutin Nina Steinberg eine Ausbildung bei Cramer genossen und plant, sich auf ihrem Hof in Jesteburg (Landkreis Harburg) demnächst selbstständig zu machen. "Ich habe Schafe, Ponys, Kaninchen und Hühner", berichtet die 34-Jährige. Sie ist offen für die Zusammenarbeit mit Kitas, Schulen oder auch dementen Patienten.