Hilfe in der Not "Akuter Mangel" - In Sachsen fehlt es an Pflegefamilien

In Sachsen werden dringend Pflegefamilien gesucht. Foto: Uwe Anspach/dpa
In Sachsen werden dringend Pflegefamilien gesucht. Foto
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Kinder, die in Pflegefamilien unterkommen, haben oft traumatische Erfahrungen hinter sich. Der Bedarf steigt, besonders in Großstädten wird händeringend gesucht. Welche Hürden gibt es?

In Sachsen fehlt es an Pflegefamilien. "Vielerorts werden sie händeringend gesucht", sagte die Sprecherin der Diakonie Sachsen, Nora Köhler. Die Lage aktuell sei kritisch, es gebe einen "akuten Mangel". Vor allem in den drei Großstädten Dresden, Leipzig und Chemnitz fehle es an Pflegefamilien, die sich um betroffene Kinder kümmern könnten.

Der Bedarf ist in den vergangenen Jahre weiter gestiegen, berichtet auch Jan Donhauser (CDU), Bildungsbürgermeister in Dresden. Die Landeshautstadt sucht derzeit für 15 Mädchen und Jungen eine Pflegefamilie. Mit Plakaten und Informationsabenden wird dafür geworben. Und dennoch ist die Zahl der Bewerberinnen und Bewerber, die bereit sind, ein Kind in Vollzeitpflege aufzunehmen, rückläufig.

Nur noch selten erfolge eine Bewerbung aus karitativen Gründen, so Donhauser. Man setzte sich lange mit dem eigenen Familiensystem auseinander, es werde abgewogen zwischen beruflichen und persönlich-familiären Interessen, hieß es.

Zunehmend Suchtprobleme und psychische Probleme

Zudem sind nach Einschätzung der Stadt auch die Anforderungen komplexer geworden. Die zu vermittelnden Kinder weisen zunehmend "Störungsbilder" auf, was die Auswahl geeigneter Pflegefamilien erschwert, so Donhauser. Von ähnlichen Erfahrungen berichtet auch die Diakonie. Zunehmend gebe es Suchtprobleme oder psychische Probleme bei den Herkunftseltern und schwere Verhaltensauffälligkeiten bei den Kindern. "Das erschwert es Familien zu finden, die sich dem stellen können und wollen", sagte Nora Köhler.

In Dresden leben aktuell 412 Kinder in 348 Pflegefamilien. Im vergangenen Jahr flossen den Angaben zufolge rund neun Millionen Euro in den Bereich Vollzeitpflege. Dabei handelt es sich um Pflichtleistungen, die nicht von der jüngst verhängten Haushaltssperre betroffen sind.

Auch in Chemnitz werden aktuell Pflegefamilien für 15 Kinder gesucht. Vier potenzielle Pflegefamilien gibt es - sechs weitere werden gerade auf ihre Eignung getestet. Eine Warteliste gibt es nicht, entschieden wird je nach Situation. Die Zahl der Familien allein sei nicht entscheidend, so die Stadt. Der Pflegekinderdienst müsse auch darauf schauen, dass eine Pflegefamilie und das Kind auch zusammenpassen, damit ein "dauerhaftes Pflegeverhältnis" zustande kommen könne.

Pflegefamilie und Kinder müssen zusammenpassen

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Sozialpädagogen stehen den Familien zur Seite, zudem gibt es Fortbildungen und Workshops. Alle drei Monate treffen sich Pflegekinder und Pflegefamilien beim Spielplatztreffen, um sich zu vernetzen. In Chemnitz sind aktuell 296 Kinder in 273 Pflegefamilien untergebracht.

Nach Einschätzung der Diakonie ist es um die Kinder- und Jugendhilfe in Sachsen insgesamt nicht gut bestellt. Es gebe einen "historisch beispiellosen Kostendruck", der das gesamte System destabilisiere, so Sprecherin Köhler. Einerseits steigen die Ausgaben, andererseits müssten die Kommunen vielerorts drastische Kürzungen vornehmen.

Finanzieller Anreiz eher gering

Jugendämter etwa müssten nach Einschätzung der Diakonie früher eingreifen und mehr präventiv mit betroffenen Familien arbeiten. Dafür fehle es jedoch an Kapazitäten. "Die Jugendämter arbeiten am Limit", so Köhler. Teilweise könne nur akut gearbeitet arbeiten - etwa, wenn es darum gehe, ein Kind in Obhut zu nehmen oder wenn Probleme eskalieren. Wenn eine Gefährdung erkannt werde, sei es aber oft schon zu spät und es bleibe nur die Unterbringung in der Pflegefamilie, sagte Köhler.

Viele Bundesländer orientieren sich bei der Bezahlung des Pflegegelds an Empfehlungen des Deutschen Vereins - so auch Sachsen. Für 2025 schlug der Verein etwa 1.178 Euro an Pauschalbeträgen für Kinder bis zu sechs Jahren vor. Mit älteren Kindern steigt der Betrag.

Aus Sicht der Diakonie ist der finanzielle Anreiz damit relativ gering. Zumal die Pflegeeltern kein Elterngeld erhalten und keine Rente- oder Krankenversicherung. "Es braucht dringend mehr Unterstützung für Pflegefamilien", so Nora Köhler.

dpa