Tiere Ausgesetzte Tiere in Thüringen – Problem mit vielen Facetten

In Thüringen finden sich unter den ausgesetzten Tieren immer wieder viele Katzen. (Archivbild) Foto: Martin Schutt/dpa
In Thüringen finden sich unter den ausgesetzten Tieren immer wieder viele Katzen. (Archivbild) Foto
© Martin Schutt/dpa
Katzen, Kaninchen oder Achatschnecken: In Thüringen werden Tiere immer wieder von ihren Haltern ausgesetzt. Effektive Gegenmaßnahmen sind schwierig.

In Thüringen werden immer wieder Haustiere ausgesetzt, mit deutlichen regionalen Unterschieden: Im Tierheim Gera etwa konnten im vergangenen Jahr von 228 Fundtieren keine Halter ermittelt werden, darunter 150 Katzen. In anderen Städten wie Weimar oder Suhl bleibt das Problem deutlich kleiner, landesweit fehlen jedoch belastbare Zahlen.

Neben Katzen und Kleintieren wurden im Freistaat auch Schildkröten, Achatschnecken, Reptilien, Spinnen oder ein Lamm sich selbst überlassen. Im Tierheim der Stadtwerke Erfurt gingen einer Sprecherin zufolge im vergangenen Jahr etwa 120 ausgesetzte Tiere ein - auch hier machten Katzen etwa die Hälfte aus. 

In anderen Kommunen scheint die Lage deutlich entspannter: "Das Problem ist nicht groß, es werden kaum Tiere ausgesetzt", sagte Weimars Stadtsprecher Andy Faupel. In diesem Jahr hätten bei einem Hund und zwölf Katzen keine Halter ermittelt werden können. In Suhl waren es einem Sprecher zufolge in den vergangenen Jahren lediglich zwei Schildkröten.

Es fehlt an belastbaren Zahlen - hohe Dunkelziffer

Auch die Antwort der Landesregierung auf eine AfD-Anfrage zeichnet ein ähnliches Bild: Ob in Nordhausen, im Saale-Orla-Kreis, in Greiz oder Hildburghausen - in fast allen Regionen würden jedes Jahr Fälle von ausgesetzten Tieren erfasst, oft handele es sich dabei aber um Einzelfälle.

Der Haken daran: Da keine rechtliche Verpflichtung zu einer statistischen Erhebung besteht, gibt es keine validen Zahlen. Eine aufwendige Einzelrecherche werde in vielen Kreisen nicht vorgenommen, fasste die Landesregierung in ihrer Antwort zusammen. "Insofern ist von einer deutlich höheren Anzahl an Fällen […] auszugehen". Teils sei es auch schwierig, zwischen entlaufenen und ausgesetzten Tieren zu unterscheiden.

Die Gründe, wieso Tiere einfach ausgesetzt würden, seien vielfältig, hieß es übereinstimmend. Ein Aspekt dabei sei die Coronakrise, sagte Bärbel Zimmer vom Tierheim Gera. In dieser Zeit hätten sich viele Menschen Tiere angeschafft, ohne sich der Verantwortung bewusst zu sein. Nach der Pandemie habe vielen Haltern die Zeit gefehlt, sich um ihre Tiere zu kümmern - daher seien auch allgemein die Anfragen zur Abgabe von Tieren gestiegen. Ebenso spielten finanzielle Probleme der Halter eine Rolle.

Gregor Peter Schmitz mit den Buchstaben GPS

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Tierhalter mit Finanzproblemen

Dem Aussetzen der Tiere etwa mit einer Erhöhung der Bußgelder zu begegnen, hat nach Ansicht der Tierheime nur wenig Sinn. So könnten in den meisten Fällen die Halter ohnehin nicht ermittelt werden, die Strafgelder liefen somit ins Leere. Selbst wenn es gelänge, die Besitzer ausfindig zu machen, seien Geldbußen oft vergebens.

So hätten etwa in Erfurt "mindestens 80 bis 85 Prozent" der festgestellten Halter finanzielle Schwierigkeiten, hieß es vom dortigen Tierheim der Stadtwerke. Diese Tiere seien ausgesetzt worden, weil die Besitzer Futter- und Tierarztkosten nicht mehr stemmen konnten. Ordnungsgelder könnten in solchen Fällen kaum eingetrieben werden.

Chips für Hunde und Katzen?

Wirkungsvoller scheint hingegen die Chip-Pflicht. So sei die Lage in Gera unter anderem deshalb überschaubar geblieben, weil Hunde mit Chips seltener ausgesetzt und Halter schneller ermittelt würden, so Zimmer. Allerdings müsse diese Auflage deutlich konsequenter durchgesetzt werden.

In Thüringen gilt aktuell landesweit eine Chip-Pflicht für Hunde. Für Katzen kann diese - wie etwa in Gera - von den einzelnen Kommunen erlassen werden. So könnten von den Haltern die für die Versorgung angefallenen Kosten und Bußgelder zurückgefordert werden, so die Tierheimsprecher. Im Juni hatte das EU-Parlament einen Gesetzentwurf verabschiedet, nach der alle in der EU gehaltenen Hunde und Katzen mit einem Mikrochip identifizierbar sein sollen. 

Wenngleich dieser Schritt die Lage zumindest bei Hunde und Katzen verbessern könnte, bleibt den Tierschützern bei allen anderen Tierarten nur die aufwendige Ermittlung durch Hinweise von Zeugen oder über Recherchen in den sozialen Medien oder im Internet - etwa, wenn Kaufangebote aufgegeben wurden. In den meisten Fällen blieben diese wie bisher aber oft ergebnislos, hieß es übereinstimmend. Letztlich müsse auch darüber nachgedacht werden, die hohe Gesamtzahl von gezüchteten oder aus dem Ausland nach Deutschland geholten Tiere zu reduzieren.

dpa