Einen "Links-Drall bei ARD und ZDF" soll die neue Studie aus Mainz laut "Bild"-Zeitung belegen. Der zur ARD gehörende SWR hingegen behauptet: "Sie kommt zu dem Ergebnis, dass öffentlich-rechtliche Sender wie ARD und ZDF den Anforderungen einer ausgewogenen Berichterstattung gerecht werden." Offenbar lassen sich die Resultate der Untersuchung auf verschiedenste Weise auslegen. Um sie richtig einordnen zu können, ist jedoch ein detaillierterer Blick nötig.
Ausgangspunkt der wissenschaftlichen Untersuchung sind Vorwürfe gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk (ÖRR), dass dieser einseitig und unausgewogen berichte. Insbesondere seit der Flüchtlingskrise 2015 sehen sich ARD, ZDF und Deutschlandradio mit Kritik konfrontiert. "Lügenpresse", "linke Voreingenommenheit" und "Selbstangleichung" sind Schlagwörter, die Skeptiker in diesem Zusammenhang verwenden. Sie umreißen die drei zentralen Aspekte der Kritik: Der ÖRR würde Fakten verdrehen, sei zu nah an politisch linken Positionen und die Berichterstattung sei kaum von anderen Medien zu unterscheiden.
Auf diese Anschuldigungen gehen die Kommunikationswissenschaftler Marcus Maurer, Simon Kruschinski und Pablo Jost vom Publizistik-Institut der Johannes Gutenberg-Universität Mainz in ihrer Studie ein. Konkret untersuchen sie, inwiefern der ÖRR den Anforderungen der Perspektiven- und Meinungsvielfalt gerecht wird. Grundsätze der Objektivität und Unparteilichkeit sind im Medienstaatsvertrag festgehalten. Die Öffentlich-Rechtlichen sind also verpflichtet, eine ausgewogene Berichterstattung zu leisten.
SPD wird relativ ambivalent bewertet, andere Parteien schneiden schlecht ab
Um die Vielfalt des ÖRR bewerten zu können, stellt die Studie dessen Berichterstattung mit ausgewählten Nachrichtenmedien aus der Privatwirtschaft gegenüber. Die insgesamt 9.389 Beiträge aus 47 untersuchten Medienformaten (z.B. "Tagesschau", "Heute", "RTL Aktuell", "Frankfurter Allgemeine Zeitung", "Süddeutsche Zeitung") stammen aus dem Zeitraum April bis Juni 2023. In Bezug auf thematische Schwerpunkte fand die Studie nur wenige Unterschiede zwischen dem ÖRR und anderen Medien. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass eine Themenvielfalt in der deutschen Medienlandschaft grundsätzlich gewährleistet sie. Dabei dominiere vor allem der Bereich "Wirtschaft/Arbeit", der zwischen 25 und 34 Prozent an der Berichterstattung ausmache.
Die Akteursvielfalt bildet eine weitere Untersuchungskategorie. Hier differenziert die Studie zwischen Menschen, über die berichtet wurde (Akteure), und Menschen, die zu Wort kamen (Sprecher). Es zeichnet sich ein eindeutiges Muster ab. Sowohl die öffentlich-rechtlichen Formate als auch die Vergleichsmedien berichteten mit großem Abstand am meisten über politische Akteure und Sprecher (55 bis 58 Prozent). Interessensverbände, Wirtschaftsakteure und die Bevölkerung im Allgemeinen folgen mit jeweils etwa zehn Prozent.
Auf Parteiebene verteilt es sich wie folgt: Am häufigsten berichtete der ÖRR über die SPD (33 Prozent) und die Grünen (29 Prozent). Es folgt die Oppositionspartei der CDU/CSU (19 Prozent) und die FDP (12 Prozent). "Über AfD und Linkspartei wurde dagegen kaum berichtet", resümieren die Autoren. Bei der Bewertung schnitten SPD-Vertreter noch am besten ab (-3 Prozent im Saldo von positiven und negativen Beiträgen). Über die Grünen (-29 Prozent), die Union (-27 Prozent) und vor allem die FDP (-38 Prozent) wurde hingegen meist negativ berichtet.
Anhand gesellschaftlicher Konfliktlinien untersuchten die Autoren zudem die Grundpositionierung der Öffentlich-Rechtlichen. Während diese insgesamt sozialstaatsorientiert sei, fiel die Verteilung auf liberal-progressive (MDR, RBB) und konservativ-autoritäre (ZDF-"Heute", BR) Positionen zwischen den Formaten weniger eindeutig aus. Generell ließen sich die öffentlich-rechtlichen Inhalte aber "auf der Seite der Gesellschaft positionieren, die man vereinfacht ausgedrückt als politisch links der Mitte bezeichnen kann".
Wie sind die Ergebnisse einzuordnen?
Laut den Autoren ist ein möglicher Kritikpunkt in Folge der Studie, dass die untersuchten ÖRR-Formate weniger kritisch gegenüber aktuellen Regierungsparteien, vor allem der SPD, waren als Vergleichsmedien. Abgesehen davon finde keine starke Positionierung in öffentlich-rechtlichen Formaten statt. Maurer, Kruschinski und Jost stellen fest: "Die Behauptung, die Nachrichten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks seien besonders einseitig, trifft folglich in dieser Form nicht zu." Das führe allerdings auch nicht zu einer deutlich vielfältigeren und ausgewogeneren Berichterstattung als in privatwirtschaftlichen Medien, wodurch der ÖRR seinem eigentlichen Anspruch nicht gerecht werde.
Raum für verschiedene Deutungen, wie bereits von einigen Medien praktiziert, lässt die Studie damit. Die Autoren sind sich darüber bewusst und betonen, dass eine wissenschaftliche Untersuchung während einer anderen Regierungskonstellation wohl auch zu anderen Ergebnissen geführt hätte. Da die SPD den Kanzler stellt, sei es wenig verwunderlich, dass über die Partei am meisten berichtet wurde. Während sich über die Tonalität der Berichterstattung diskutieren lasse, würden weitere Vergleichsstudien förderlich sein. Der Interpretationsspielraum ließe sich dadurch zumindest eingrenzen.