Jan-Gerrit Seyler ist von Beruf Regisseur – und nebenbei spendet er seine Samenzellen. Das Verrückte an seiner Geschichte ist, dass er Kontakt zu allen Kindern, die es möchten, pflegt, und dass von Anfang an alle Kinder über ihren Vater Bescheid wissen. Im stern-Videoformat "Jetzt mal ehrlich" fühlen wir Seyler auf den Zahn: Was treibt einen Mann wirklich an, seine Gene derart vererben zu wollen? Wie kommt man überhaupt dazu, Samenspender zu werden? Außerdem: Was steht eigentlich auf dem Samenspende-Portal in seinem Profil? Die Antworten darauf gibt's im Video.
In der ARD läuft die Dokumentation "Vater bekannt – ein Samenspender und seine 30 Kinder" seit dem 2. Oktober. Im NDR ist sie am 17.11.2024 zu sehen.

Das Video-Format für die Fragen der stern-Leser
Was geht im Kopf eines Neonazis vor? Wie kommt eine Prostituierte mit all den Freiern klar? Und haben Menschen, die zu einer Domina gehen, psychische Probleme? Im neuen stern-Format "Jetzt mal ehrlich" treffen wir Menschen aus Bereichen, über die es viele Klischees gibt. Sie stellen sich den Fragen unserer Nutzer.
Hinweis: Das Interview wird hier unbearbeitet im Originalwortlaut wiedergegeben.
Wie viele Kinder hast du?
Jan-Gerrit Seyler: Ich habe drei Kinder. Und darüber hinaus gibt es weitere Kinder, die aber nicht meine sind, sondern zu denen ich, denen ich nur der, nur in Anführungsstrichen der biologische Vater bin.
Wie viele sind das?
Das sind derzeit 27.
Wie bist du dazu gekommen, Samenspender zu werden?
Das war in einer Zeit, in der ich nicht wusste, wie ich selber Familie bekommen kann. Wie ich selber den Wunsch, den ich in mir trug, zum Ausdruck bringen kann, wie ich dahin komme. Ich war in der Zeit viel am Reisen und viel am Tango tanzen. Meine Mutter hat mir dann irgendwann en passant einen Artikel gegeben über einen Samenspender aus den Niederlanden, Ed Houben, der auf seine 100 Kinder zuging. Und ich dachte: Wie bescheuert muss man sein, was kompensiert der denn?
Ich habe ihn also erst mal direkt verurteilt und dann bin ich über einen Satz gestolpert, den er auch sagte, in dem es um den Respekt ging, den er den Müttern zollt, die sich bei ihm melden. Er meinte da, dass es wahnsinnig viel Mut erfordern würde und man solle sich mal in diese Position einer Mutter versetzen, die von einem wildfremden Mann ein Kind möchte, weil es ihre einzige Möglichkeit sei. Das Kostbarste, das Wichtigste, was sie möchte in ihrem Leben. Damit vertraut sie sich einem Mann an, den sie nicht kennt oder im Internet kennenlernt.
Und da habe ich gemerkt, dass der eigentlich wohl doch verantwortlich mit diesem Thema umgeht und dass da mehr dahintersteckt. Vielleicht sogar Altruismus. Und dann habe ich angefangen, das als Gedanken in Erwägung zu ziehen. Da in mir auch der Wunsch war, meinen Eltern einen Enkel zu schenken, noch bevor – ich habe alte Eltern – sie sterben und ich selber mich dafür noch nicht bereit gefühlt habe.

Frauen können dich über ein Portal finden. Was steht auf dieser Webseite über dich?
Ich habe da ein Profil hinterlegt, wer ich bin, was ich biete. Ja, auch was für einen Abschluss ich habe. Obwohl, das weiß ich gar nicht. Ich glaube nicht. Das weiß ich nicht. Ich habe lange nicht mehr reingeguckt. Ich weiß nur, dass ich so geschrieben habe, dass es ein Vorfilter ist, der ein bisschen filtert, was ich will. Und das Wichtigste ist mir halt, dass die Kinder von Anfang an wissen, wer der Papa ist. Und zwar von Anfang an, ab Geburt. Und das ist meine Bedingung. Das heißt, dieser Filter ist unumgänglich.
Trotzdem meldet sich manchmal noch die ein oder andere Frau bei mir, die dann ganz entsetzt darüber ist, dass ich nicht anonym spende. Aber aus ganz wichtigen Gründen für die Entwicklung der psychischen Gesundheit, der Identitätsfindung des Kindes ist das meine oberste Prämisse. Und mit der werde ich gefunden. Unter dieser Prämisse werde ich gefunden. Und darüber hinaus gibt es Prämissen. Mittlerweile ist klar, dass wir eine größere Gemeinschaft sind, das heißt, die, die später hinzugekommen sind, wollten das und wollten auch in die Gemeinschaft rein, wollten also auch den Kontakt aller mit allen. Und das ist eine weitere Prämisse. Prämisse ist: Jeder muss von jedem wissen. Nicht jeder muss mit jedem in Kontakt, aber jeder muss um jeden wissen.
Was sind deine Beweggründe zu spenden?
Entscheidend ist, dass ich immer wusste: Ich mache das nicht aus altruistischen Gründen.