Rassismus "Kein deutschstämmiges Aussehen" – Stadt Braunschweig bedauert Foto-Vermerk in Blitzerakte

Im Zusammenhang mit einer Geschwindigkeitsübertretung erhielt ein Mann eine Akte, welcher der Vermerk "Fahrer hat kein deutschstämmiges Aussehen" beigefügt wurde. Die Stadtverwaltung reagierte auf den folgenden Shitstorm mit einer Entschuldigung.

Der Freund eines in Braunschweig geblitzten Autofahrers verbreitete ein Passbild samt des Behörden-Vermerks "kein deutschstämmiges Aussehen" bei Twitter. Das Passbild wurde genutzt, um einen Abgleich mit einer Person vorzunehmen, die zuvor von einem Blitzgerät in Braunschweig fotografiert wurde. Die Reaktionen auf diesen unschwer als rassistisch zu wertenden Vermerk ließen nicht lange auf sich warten. Daraufhin reagierte die Stadt Braunschweig über ihren Twitter-Account und "entschuldigt sich ausdrücklich für diese Formulierung."

Ein Twitter-User postete vor einigen Tagen ein Foto, auf dem ein Mann zu sehen ist, dessen Augen von dem Twitter-User geschwärzt wurden und das mit den Worten "Fahrer hat kein deutschstämmiges Aussehen" versehen wurde. Der Twitter-User beschreibt die abgebildete Person als seinen besten Freund, welcher über seinen Anwalt Einsicht in die Akte eines Bußgeldverfahrens beantragt hatte. Aus der erhaltenen Akte stammt das von der Verkehrsbehörde zum Abgleich mit dem Blitzerfoto genutzte Passbild samt des Vermerks.

Stadt Braunschweig bat um Entschuldigung

Über dem Posting schrieb der Twitter-User: "Deutschland 2019: Mein bester Freund (hier geboren und aufgewachsen, deutsche Mutter) wurde geblitzt" und versah das Posting mit dem Hashtag "#vonhier".

Auf diesen Beitrag folgten etliche empörte Reaktionen. Einerseits von Menschen, die über die Phrase "deutschstämmiges Aussehen" nur mit Verwunderung, Gelächter oder Empörung reagierten und andererseits von solchen, die in dem Vermerk nichts Ungewöhnliches oder Verwerfliches sehen können (oder wollen).

Problematisch ist zunächst, dass hier eine Verwaltungsperson annimmt, es gebe ein Aussehen, was "deutschstämmig" wäre. Für eine derartige regional-biologische Sichtweise wird sich keinerlei Beleg finden lassen. Darüber hinaus wird diese Sichtweise auf ein Foto des hier betroffenen Geblitzten übertragen und – offensichtlich bezogen auf seine Hautfarbe – geschlussfolgert, dass er jedenfalls nicht "deutschstämmig" sein könne.

Verwandtschaftsverhältnisse oder Ausweisdokumente des Betroffenen scheinen für die Einschätzung der Mitarbeiterin bei der Beurteilung keine Rolle zu spielen. Was genau zu ihrer Folge-Fehleinschätzung führte, kann nur gemutmaßt werden, "da die zuständige Mitarbeiterin Urlaub habe", wie die "Braunschweiger Zeitung", die zuerst über den Fall berichtet hatte, die Stadtverwaltung zitiert.

"Eins vorweg: Hier ist ein Fehler passiert, für den wir uns entschuldigen", schreibt die Stadtverwaltung in ihrem Tweet. Der Vermerk sei unangemessen gewesen und die Beteiligten in der Behörde würden für dieses Thema zukünftig sensibilisiert werden.

Für welchen Fehler genau die Entschuldigung gelten soll, blieb aber insoweit offen. Für den Vermerk an sich? Für die anti-wissenschaftliche Einteilung von Geblitzten in Deutschstämmige und Nicht-Deutschstämmige? Für die implizite Beleidigung aller Ähnlich-Aussehenden, sie wären nicht zu Deutschland zugehörig? Auf das Ergebnis der Sensibilisierung darf man gespannt sein.

Gregor Peter Schmitz mit den Buchstaben GPS

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