Vatikan "Er weiß, dass er zum Herrn geht"

Gläubige und Touristen aus aller Welt strömen zum Petersplatz. Sie beten für den sterbenden Papst Johannes Paul II, der "den Herrn bereits berühre ", so Kardinal Ruini.

Papst Johannes Paul II. ist nach Angaben des Vatikans nur noch zeitweise bei vollem Bewusstsein. Er sei jedoch nicht ins Koma gefallen. Der 84-Jährige befinde sich aber in einem Zustand, in dem er zeitweilig das Bewusstsein verliert, sagte Vatikansprecher Joaquin Navarro-Valls am Samstagmittag. Sein Zustand sei unverändert kritisch. Zwar öffne der Kirchenführer mitunter die Augen. "Meistens will er aber schlafen."

Am Morgen hätten Kurienkardinäle und enge Mitarbeiter eine Messe beim Papst gefeiert. Der Kirchenführer habe ihnen dafür gedankt. Der deutsche Kurienkardinal Joseph Ratzinger sagte zuvor: "Ihm ist bewusst, dass er zum Herrn geht." Der Papst habe sich "von mir mit einem letzten Gruß verabschiedet und mir für die Arbeit in den letzten Jahren gedankt."

In der Nacht versammelten sich enge Vertraute des Papstes am Sterbebett. Der Pontifex habe das Bewusstsein verloren, berichtete das staatliche italienische Fernsehen. Die italienische Nachrichtenagentur ADN/Kronos hat am Freitagabend den Hirntod von Papst Johannes Paul II. gemeldet. Allerdings wurde dies vom Vatikan nicht bestätigt.

Zuvor sprach Vatikansprecher Joaquin Navarro-Valls von einem weiter abfallenden Blutdruck und einem drohenden Nierenversagen des Oberhaupts der katholischen Kirche. Die medizinischen Gesamtdaten hätten sich weiter verschlechtert. Der Fernsehsender Sky Italia berichtete, der Papst hätte bereits das Bewusstsein verloren. Am Samstagmorgen, wurde diese Aussage vom Vatikan nicht mehr dementiert.

"Er scheidet still dahin", sagte der polnische Kardinal Andrzej Maria Deskur, ein enger Freund des Papstes, der Nachrichtenagentur Agi. Die täglichen Geschäfte des Vatikan werden im Moment von vier Kardinälen und einem dem Papst vertrauten Erzbischof geleitet.

Das katholische Sterbesakrament

Als "Sterbesakrament" gilt in der katholischen Kirche die Kommunion/Eucharistie, in der dem Kranken das "Heilige Brot" als Wegzehrung für den Übergang ins ewige Leben gereicht wird.

Ursprünglich wurde die Krankensalbung oft bis kurz vor den Tod aufgeschoben. Daher ist sie als "Letzte Ölung" bekannt. Laut Liturgie-Reform nach dem 2. Vatikanischen Konzil ist die Krankensalbung aber ein Sakrament, das dem Kranken durch die Salbung den besonderen Beistand Gottes erfahrbar macht, damit dieser Kraft schöpft. Die katholische Kirche ist daher ausdrücklich bemüht, dieses Sakrament von dem unmittelbar bevorstehenden Tod zu lösen.

Zur Krankensalbung wird in einem Zimmer üblicherweise ein Tisch mit Kreuz, Kerzen und Weihwasser vorbereitet. In einem Gottesdienst wird dann zunächst das allgemeine Schuldbekenntnis gesprochen. Wenn der Kranke es will und dazu noch in der Lage ist, kann er auch die Beichte ablegen. Wenn der Tod unmittelbar bevorsteht, kann der Priester die Generalabsolution und den vollkommenen Ablass gewähren. Begleitet von einem ermutigenden Wort aus der Bibel salbt der Priester dem Kranken Stirn und Innenfläche beider Hände und spricht: "Durch diese heilige Salbung helfe Dir der Herr in seinem reichen Erbarmen. Er stehe Dir bei mit der Kraft des Heiligen Geistes. Amen. Der Herr, der Dich von Sünden befreit, rette Dich, in seiner Gnade richte er Dich auf. Amen." Nach einem Gebet des Priesters sprechen alle Anwesenden das Vaterunser. Danach kann der Kranke die Kommunion empfangen. Die Feier schließt mit dem Segen des Priesters.

17 neue Bischöfe und Erzbischöfe ernannt

Der im Sterben liegende Papst Johannes Paul II. hatte am Freitag noch eine Reihe von Personalentscheidungen getroffen. Einer Erklärung des Vatikans zufolge ernannte er 17 neue Bischöfe und Erzbischöfe und nahm den Rücktritt von sechs weiteren an. Die Ernennungen und Rücktritte betrafen den Angaben zufolge Bischöfe in Afrika, Lateinamerika und der Pazifik-Region sowie in Asien und Europa, darunter in Republiken, die früher zur Sowjetunion gehörten. Die für einen einzelnen Tag unüblich große Zahl von Ernennungen könnte ein Indiz dafür sein, dass der Papst kurz vor seinem Tode noch offen gebliebene Entscheidungen treffen wollte.

Nach dem Sakrament der Krankensalbung erhielt das Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche am Donnerstag die so genannte Wegzehrung - die für Sterbende vorbehaltene Kommunion. Auf dem Petersplatz in Rom und in der polnischen Heimat des Papstes versammelten sich zahlreiche Gläubige, um für Johannes Paul II. zu beten.

Gregor Peter Schmitz mit den Buchstaben GPS

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Septischer Schock

Seit Donnerstag ist der Papst an eine Herz-Lungen-Maschine angeschlossen. Sei Zustand hatte sich dramatisch verschlechtert als er am Donnerstagnachmittag nach einer Harnwegsinfektion einen septischen Schock und einen Herz-Kreislauf-Zusammenbruch erlitt. Ein septischer Schock ist eine lebensbedrohliche Reaktion auf eine schwere Entzündung.

In Krakau, wo der Papst studiert hat und als Erzbischof tätig war, fanden sich zum Vormittagsgottesdienst am Freitag mindestens doppelt so viele Gläubige zusammen wie sonst. "Ich habe die ganze Nacht nicht geschlafen und habe beschlossen, heute Morgen vor der Arbeit noch einmal zu beten", sagte eine 60-jährige Katholikin. "Er hat so viel für uns getan, dass ich etwas für ihn tun wollte. Heute können ihm nur unsere Gebete helfen." Pilger versammelten sich auch neben dem Apostolischen Palast, in dem der Papst wohnt.

Operation an der Luftröhre

Der Papst war am 24. Februar an der Luftröhre operiert worden. Seit Mittwoch wird er künstlich ernährt. Ein namentlich nicht genannter Mediziner hatte der italienischen Nachrichtenagentur Ansa gesagt, die kommenden 24 Stunden könnten entscheidend sein.

Insgesamt verbrachte der Papst in Februar und März 28 Tage im Krankenhaus. Erstmals in seiner 26-jährigen Amtszeit hatte er nicht den traditionellen Ostersegen sprechen, sondern ihn nur mit den Händen spenden können. Johannes Paul II. leidet auch an Parkinson und Arthritis und gilt seit Jahren als sehr gebrechlich.

AP · DPA · Reuters
Reuters, DPA, AP