Hundetrainer und Tierheimleiter Warum Hunde zubeißen und wie man mit ihnen arbeitet

Tierheimleiter Ralf Peßmann trainiert bissige Hunde. Hier kniet er neben einem Hund mit Maulkorb.
Tierheimleiter und Hundetrainer Ralf Peßmann gibt bissigen Hunden eine zweite Chance.
© Privat
Ralf Peßmann leitet das Tierheim in Ulm. Das Trainingsprojekt "Die zweite Chance" soll aus bissigen Hunden friedliche Begleiter machen. Das gelinge überraschend oft. Ein Gespräch über "Intensivtäter" in Zwingern. 

Dieser Text stammt aus dem stern-Archiv und wurde erstmals am 27. Januar 2023 veröffentlicht. 

Herr Peßmann, viele Tierheime in Deutschland klagen, dass sie überfüllt sind. Haben Sie noch Plätze frei? 
Nein, auch wir sind voll und können nur Notfälle aufnehmen, zu denen wir als Tierheim vertraglich verpflichtet sind.  

Stimmt es, dass im Tierheim immer mehr auffällige Hunde landen? 
Ja, das hat extrem zugenommen, diese Entwicklung zeigte sich schon vor der Pandemie. Es gibt sehr viele verhaltensauffällige, gestörte Hunde, das ganze Land ist voll davon. Vor fünf Jahren noch landeten bei uns mehrheitlich sogenannte Abgabehunde: Jemand zog um und durfte in der neuen Wohnung keinen Hund halten, ältere Menschen siedelten um ins Altenheim. Gelegentlich bekamen wir einen ausgesetzten Hund. Heute sind diese Fälle die absolute Minderheit. Bei bis zu neunzig Prozent unserer Neuzugänge gab es einen Beißvorfall: Wollte beißen, hat gebissen, hat mehrfach gebissen.  

Was sind die Gründe?  
Die Hunde werden nicht erzogen. Verschärft wurde das durch die Pandemie. Wer sich während des Lockdowns einen Hund geholt hat, konnte nicht in die Hundeschule, weil die geschlossen waren. Hunde brauchen aber einen abgesteckten Rahmen, in dem klar ist: Was darf ich? Was nicht?    

"Ich zeige dem Hund: Ich tue dir nichts und du brauchst mir auch nichts zu tun"