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"Klimaschutz funktioniert nur global" #StopWillow: Deutsche Influencer berichten, warum sie gegen ein Ölbohrprojekt in den USA protestieren

Lager für Erkundungsbohrungen
Dieses von Conoco Phillips zur Verfügung gestellte Luftbild zeigt ein Lager für Erkundungsbohrungen am geplanten Standort des Willow-Ölprojekts am North Slope von Alaska
© Conoco Phillips via AP / DPA
Willow ist eines der größten Ölprojekte der US-Geschichte: Hunderte Millionen Barrel sollen über Jahrzehnte aus dem unberührten Boden Alaskas gepumpt werden. Dabei hatte Joe Biden einst das Gegenteil versprochen. Auf den sozialen Medien toben Nutzer und Influencer – auch hier in Deutschland.

28,7 Millionen Liter am Tag. 30 Jahre lang. Das Willow Project soll eines der größten Ölförderprojekte auf staatlichem Boden in der US-Geschichte werden. Um an das schwarze Gold heranzukommen, muss der texanische Energiekonzern Conoco Phillips die Erde in der vielleicht letzten unberührten Wildnis des Landes aufwühlen. Die Folgen der Bohrungen im Norden des Bundesstaats Alaska würde nicht nur dessen Flora und Fauna, sondern auch das Weltklima zu spüren bekommen. Die freigesetzten Treibhausgase entsprächen rund zwei Millionen Autos zusätzlich. Zudem müssten Hunderte Kilometer Straße, Schotterweg, Flugpisten und natürlich Pipelines für die Ölförderung angelegt werden.

Das National Petroleum Reserve (NPRA) im Norden Alaskas auf einer offiziellen Karte des US Bureau of Land Management. Das rote Rechteck markiert das ungefähre Gebiet des Willow Project
Das National Petroleum Reserve (NPRA) im Norden Alaskas auf einer offiziellen Karte des US Bureau of Land Management. Das rote Rechteck markiert das ungefähre Gebiet des Willow Project
© BLM / Conoco; Markierung: stern/rös

Dabei hätte es gar nicht so weit kommen sollen – hätte Joe Biden nicht sein Versprechen gebrochen. "Keine Bohrungen mehr, auch nicht vor der Küste. Keine Möglichkeit für die Ölindustrie, weiter zu bohren, Punkt, Ende", hatte der 2020 im US-Fernsehen versichert. Es war die heiße Phase des Präsidentschaftswahlkampfs. Ziemlich genau drei Jahre und einen Wahlsieg später gibt dessen Regierung grünes Licht für das von Beginn an umstrittene Projekt (die Hintergründe lesen Sie hier). 

Der sprichwörtliche Zug mag zwar abgefahren sein. Die Wut darüber jedoch noch lange nicht. Eine Online-Petition auf der Plattform "Change.org" hat inzwischen mehr als 4,7 Millionen Unterzeichner, Tendenz steigend. Seit Wochen kocht es auf sozialen Medien ohne Aussicht auf Abkühlung. Die Welle der Empörung ist inzwischen auch nach Deutschland geschwappt. 

Influencerin Josi: "Liebe deutsche Nachrichtensender: Wo zur Hölle seid ihr?"

Wer aktuell durch TikTok scrollt, sieht weinende und wütende Jugendliche zwischen Memes und Tanzvideos. Der Grund: Sie lässt das Willow Project nicht los. Eine Nutzerin sagt beispielsweise: "Ich bin von der gesamten Menschheit extrem enttäuscht und angewidert. Vor allem von einem Menschen: Joe Biden." Ein anderer User teilt: "Mein Kind soll später wissen, was ein Eisbär ist. Das Willow Projekt ist eine Katastrophe!" 

Hasthtags wie #stopwillow waren in den vergangenen Wochen immer wieder unter den Social-Media-Charts. Allein auf Tiktok wurden Videos mit dem Hashtag #stopwillowproject bereits mehr als 200 Millionen Mal angesehen. Auffällig ist, dass mit die meisten Reaktionsvideos zum Thema von deutschen Nutzern stammen. Eine von ihnen ist die Influencerin Josi, die ihren vollen Namen aus Sicherheitsgründen nicht veröffentlichen möchte."Die Folgen werden nicht nur in den USA zu spüren sein", sagt sie in einem Anfang der Woche veröffentlichten Video, das auf Tiktok mehr als zwei Millionen gesehen wurde. Wie viele Influencer, die jetzt auf Willow aufmerksam machen, ist Josi eigentlich gar keine Umweltaktivistin. Sie beschäftigt sich eigenen Angaben zufolge "hauptsächlich mit Feminismus und mentaler Gesundheit". 

"Es reicht nicht, alles auf den 'kleinen Bürger' abzuwälzen, der dann bitte nicht zu lange duschen soll, oder nicht mehr in den Urlaub fliegen soll, während gleichzeitig diese riesigen Projekte genehmigt werden", sagt sie dem stern. In ihrem viralen Clip hatte Josi zudem behauptet, Willow sei in der deutschen Presselandschaft nicht behandelt worden. Zwar hatten viele deutsche Medien, darunter auch der stern, bereitsMitte des Monats darüber berichtet, als die Biden-Administration grünes Licht für drei Bohrstellen gab. Allerdings stieß das Thema in Anbetracht seiner Ausmaße tatsächlich auf vergleichsweise wenig Interesse.

Moderatorin Louisa Dellert: "Klimaschutz funktioniert nur global. Klimaschmutz aber leider auch"

Doch rufen natürlich auch deutschsprachige Influencer vom Fach zum Protest gegen Willow auf. Die Moderatorin und Social-Media-Expertin Louisa Dellert hat ihre Follower bereits in mehreren Videos dazu aufgerufen, weiter gegen das Projekt aufzubegehren. 

Sie freue sich darüber, dass Willow auf Tiktok weiter so viel Beachtung finde, "denn das bedeutet, dass sich viele Menschen – auch in Deutschland – damit auseinandersetzen", sagt Dellert dem stern. Auf Instagram könne das Thema allerdings "noch ein bisschen präsenter sein", meint die 33-Jährige. Warum sie sich als Deutsche so aktiv gegen ein Projekt in den USA einsetze? "Klimaschutz funktioniert nur global. Klimaschmutz aber leider auch. Und deswegen wird das Willow Project auch auf uns Auswirkungen haben", ist sie sich sicher. Das sieht Josi ganz ähnlich: "Der Klimawandel macht an keiner Landesgrenze halt. Auch wir werden mit vermehrten Umweltkatastrophen zu kämpfen haben." Da helfe "auch kein Geld, dass durch solche Milliardengeschäfte mit Öl und Kohle erwirtschaftet wurde", sagt sie.

Willow, so wirkt es in den unzähligen Online-Beiträgen, ist zum Symbol für alle Versäumnisse der Politik im Kampf gegen den Klimawandel geworden. Dass die US-Regierung es sich noch einmal anders überlegt und den Milliarden-Deal doch noch absagt, ist gelinde gesagt unwahrscheinlich (auch aus juristischen Gründen). "Das stillschweigend hinzunehmen und darüber nicht aufzuklären, weil es ja schon grünes Licht von Biden gab, war trotzdem keine Option für mich", sagt Josi. Damit ist sie nicht alleine. "Wir schaffen es nichtmal das 1,5-Grad-Ziel einzuhalten und haben Politiker, die weitere Ölprojekte bewilligen", meint Dellert. 

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