Vor etwa zwei Jahren sorgte Angelia Jolie mit der Meldung für Schlagzeilen, dass sie sich beide Brüste hatte abnehmen lassen - aus Vorsorge, wie sie schon damals in der "New York Times" berichtete. Nun hat die Schauspielerin in der Zeitung erneut einen persönlichen Artikel veröffentlicht, in dem sie beschreibt, warum sie sich nun auch ihre Eierstöcke und Eileiter entfernen ließ.
Der Grund sei auch diesmal die erbliche Vorbelastung, schreibt Jolie: Wegen einer genetischen Veränderung sei bei ihr das Risiko, an Eierstockkrebs zu erkranken, erhöht gewesen - ähnlich wie das Brustkrebsrisiko. Doch wann ist es ratsam, eine solche Operation machen zu lassen? Wie gefährlich ist Eierstockkrebs? Und wie läuft die Operation ab? Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Thema.
Wann ist eine vorsorgliche Entfernung der Eierstöcke und Eileiter sinnvoll?
"Sinnvoll ist dies, wenn eine Mutation auf bestimmten Genen vorliegt", sagt Nikola Bangemann, Oberärztin an der Frauenklinik der Charité. Unter anderem handelt es sich dabei um die Gene BRCA-1 und BRCA-2 (vom englischen Wort "Breast Cancer" abgeleitet), die häufig auch als Brustkrebs-Gene bezeichnet werden. Diese Gene hat jeder Mensch, sie sind für eine kontrollierte Zellteilung zuständig. Liegt auf ihnen eine Mutation vor, kann das dazu führen, dass sich in der Brust und in den Eierstöcken Tumore bilden.
Das muss aber nicht zwangsläufig passieren. "Es kann auch sein, diese Gene sich nicht auswirken", sagt Bangemann. Die Defekte sind dann zwar vorhanden, dennoch entwickelt sich kein Krebs. Um das eigene Risiko einschätzen zu können, sei daher eine umfassende Beratung in einem Zentrum zur Beratung bei familiären Brust- und Eierstockrebs notwendig, betont Bangemann. Erst recht, bevor sich Frauen für eine radikale Lösung - eine Brustamputation oder eine Entfernung der Eierstöcke - entscheiden.
Wie häufig ist Eierstockkrebs?
Eierstockkrebs ist bei Frauen die sechshäufigste Krebsart. Pro Jahr erkranken in Deutschland etwa 7800 Frauen. Zum Vergleich: Mit mehr als 70.000 Erkrankungen jährlich ist Brustkrebs rund zehnmal häufiger.
In der Normalbevölkerung liegt das Risiko, Eierstockkrebs zu entwickeln, bei ein bis zwei Prozent. Ist ein Defekt auf einem der Brustkrebsgene vorhanden, erhöht es sich je nach Gen auf 20 bis 50 Prozent. Betroffene erkranken auch häufig früher als üblich, also meist vor dem 50. Lebensjahr.
Frauen, die an Eierstockkrebs erkranken, sind meist älter als 60 Jahre. Etwa jede zehnte Frau ist jünger als 45. Ungefähr jeder zehnte Eierstockkrebs ist erblich bedingt.
Wie gefährlich ist Eierstockkrebs?
Eierstockkrebs ist ein gefährlicher Tumor, da er häufig erst im fortgeschrittenen Stadium entdeckt wird. Etwa die Hälfte der Patientinnen stirbt innerhalb von fünf Jahren.
"Damit die Prognose gut ist, muss der Tumor früh entdeckt werden", sagt Bangemann. Das ist allerdings schwer: Zum einen, da es keine geeigneten Früherkennungsmaßnahmen gibt. Zum anderen da der Krebs zu Beginn meist keine Beschwerden macht oder diese so unbestimmt sind - etwa Blutungen, Gewichtsabnahme oder Verdauungsprobleme -, dass sie auf vieles hindeuten können.
Unabhängig vom Risiko empfehlen Experten insbesondere Frauen über 50 Jahren, einen Arzt aufzusuchen, wenn folgende Beschwerden wiederholt vorkommen oder lange anhalten: Völlegefühl, Blähungen, unklare Bauchschmerzen oder Verdauungsbeschwerden, Zunahme des Bauchumfangs, unklare Gewichtsabnahme und häufigeres Wasserlassen als bisher.
Gibt es Früherkennungsmaßnahmen?
Nein. "Anders als bei Brustkrebs gibt es bei Eierstockkrebs keine zuverlässigen Vorsorgeuntersuchungen", sagt Bangemann. "Das ist das größte Problem."
In Praxen wird Patientinnen ohne Beschwerden häufig der vaginale Ultraschall als Selbstzahlerleistung - eine sogenannte IGeL - angeboten, um Eierstockkrebs möglichst früh zu erkennen. Doch Experten raten davon ab. Diese oft als "Krebsvorsorge plus" angebotene Leistung zeigte in Studien keinen Nutzen. Die Sterblichkeit ließ sich dadurch nicht senken - stattdessen kam es zu Fehlalarmen und unnötigen Operationen.
Auch die Bestimmung des Tumormarkers CA 125 - den auch Angelina Jolie in ihrem Text erwähnt - ist zur Früherkennung nicht zuverlässig. "Der Marker kann auch generell bei Entzündungen erhöht sein", sagt Bangemann. "Ein eindeutiger Hinweis auf eine Krebserkrankung ist ein Anstieg von CA 125 nicht." Ist er im Blut nicht nachweisbar, schließe das andersherum Eierstockkrebs auch nicht aus.
Woher weiß ich, ob ich erblich vorbelastet bin?
Wer Bedenken hat, sollte sich als erstes fragen, ob bereits jemand in der Familie an Brust- oder Eierstockkrebs erkrankt ist. Eine erbliche Belastung ist etwa wahrscheinlich, wenn eine Frau in der Familie vor dem 36. Lebensjahr an Brustkrebs erkrankt ist oder wenn bei mehr als drei Familienmitgliedern die Diagnose gestellt wurde. Eine ausführliche Liste mit den Indikatoren findet sich etwa hier.
"Treffen diese Hinweise zu, erhalten Betroffene in einem der 15 Zentren für Familiären Brust- und Eierstockkrebs Rat und Informationen", sagt Bangemann. Dort kann das individuelle Erkrankungsrisiko ermittelt werden und bei Bedarf - nach einer ausführlichen Beratung - auch ein Gentest erfolgen.
Rein vorsorglich - nur um beruhigt zu sein - sollte diesen niemand machen lassen. "Wer ihn durchführt, sollte sich vorab fragen, wie er mit einem belastenden Ergebnis umgeht", sagt Bangemann.
Denn: Im Fall einer vorliegenden Mutation gibt es bei Eierstockkrebs nur eine wirksame Möglichkeit, das Risiko zu senken: eine Entfernung der Eierstöcke und Eileiter. Engmaschige frauenärztliche Untersuchungen mit vaginalem Ultraschall und zusätzliche Bestimmungen von Tumormarkern sind Experten zufolge nicht sicher.
Wie läuft die vorsorgliche Operation ab?
"Es ist eine weitaus weniger komplexe Operation als die Entfernung der Brüste, aber die Auswirkungen sind weitaus größer", schreibt Angelina Jolie. Die Operation führe dazu, dass bei Frauen erzwungenermaßen die Menopause eintritt.
Tatsächlich ist die vorsorgliche Entfernung der Eierstöcke relativ unkompliziert. "Über den Nabel wird in den Bauch eine Kamera eingeführt. Dazu kommen weitere kleine Einstiche, über die das Gewebe abgetragen und entfernt wird", sagt Bangemann. Im Anschluss wird es auf Auffälligkeiten untersucht. Erst wenn sich dann Veränderungen zeigen - Eierstockkrebs oder eine Vorstufe - ist eine größere Operation notwendig.
Welche Risiken gibt es?
Die üblichen Operationsrisiken sind vorhanden - etwa, dass Organe dabei verletzt werden, Verwachsungen entstehen oder dass es zu Entzündungen an den Einstichstellen kommt. "Das ist aber extrem selten", sagt Bangemann. "Die gravierendste Folge dieser Operation ist, dass die betroffene Frau frühzeitig in die Wechseljahre kommt."
Die Monatsblutung bleibt aus, die Frauen sind unfruchtbar. "Zudem können die typischen Wechseljahrsbeschwerden auftreten", sagt Bangemann. "Das Risiko für Osteoporose ist erhöht, es kann zu Hitzewallungen, Schlafstörungen und Stimmungsschwankungen kommen."
Grundsätzlich ist es möglich, diese Beschwerden mit Hormonen zu behandeln. "Aber nur bei Frauen, die zuvor nicht an Brustkrebs erkrankt waren", sagt die Ärztin. Denn Östrogene können das Krebswachstum anregen, was das Risiko eines Rückfalls erhöht.
"Ich werde keine Kinder mehr bekommen können und ich erwarte einige physische Veränderungen", schreibt auch Jolie. Für junge Frauen mit Kinderwunsch sei ein solcher Eingriff weitaus härter, ergänzt sie. Es gebe aber wohl für diese Frauen mit Kinderwunsch Möglichkeiten, ihre Eileiter entfernen zu lassen, ihre Eierstöcke aber zu behalten - um doch noch Kinder bekommen zu können.
"Es ist momentan im Gespräch, dass alleine die Entfernung der Eileiter schon das Risiko reduziert", sagt Bangemann. "Das wird allerdings noch nicht systematisch empfohlen, denn als prophylaktische OP reicht es nicht aus." Frauen mit Kinderwunsch, die eine nachgewiesene Mutation haben, rät die Ärztin daher, einen Kinderwunsch frühzeitig anzugehen und nicht zu lange aufzuschieben.
Gibt es Alternativen?
Angelina Jolie betont in ihrem Artikel, dass sie sich für die Entfernung der Eierstöcke und Eileiter nicht alleine deshalb entschieden habe, da bei ihr die Genmutation auf dem BRC1 entdeckt worden sei. "Es ist mir wichtig, dass auch andere Frauen das wissen", schreibt sie. Denn eine Mutation auf diesem Gen bedeute noch lange nicht, dass man sofort Richtung Operationssaal eilen müsse.
"Es gibt andere Optionen. Manche Frauen nehmen die Pille, andere vertrauen auf alternative Medizin in Kombination mit häufigen Kontroll-Checks", so Jolie. Sie habe sich allerdings für die Operation entschieden, da sie zusätzlich zu der Genmutation drei Frauen in ihrer Familie habe, die an Krebs gestorben seien.
"Die Pille als Vorbeugung ist zwiespältig", sagt Bangemann. Sie könne zwar das Risiko für Eierstockkrebs reduzieren, erhöhe aber gleichzeitig das Risiko für Brustkrebs. "Ich halte das daher für keinen guten Ratschlag."
Ist es sinnvoll, wenn Prominente wie Angelia Jolie ihre Erkrankungsgeschichte öffentlich machen? Oder schürt dies Ängste?
"Das kann durchaus Vorteile haben", sagt Bangemann. Gerade nach der ersten Veröffentlichung hätten sich im Brustzentrum der Klinik viele Frauen gemeldet, die um ihre familiäre Belastung wussten, sich nun aber Gedanken gemacht haben und ihr eigenes Risiko ermitteln lassen wollten", sagt sie. "Der Artikel hat dazu den Anstoß gegeben."
"Natürlich gab es auch viele Frauen, die sich beraten lassen wollten - ohne dass ein erhöhtes Risiko vorlag", so Bangemann. "Das war für die Ärzte vor Ort zwar aufwendig, aber die Frauen, die in Sorge waren, konnten wir beruhigen."