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Teure IGeL-Extras So werden Sie beim Arzt abgezockt

Beliebte Zusatzleistung beim Zahnarzt: die profesionelle Zahnreinigung. Nutzen: unklar.
Beliebte Zusatzleistung beim Zahnarzt: die profesionelle Zahnreinigung. Nutzen: unklar.
© Colourbox.de
Wer zum Arzt geht, bekommt oft eine zusätzliche Leistung aufgeschwatzt. Diese kostet - aber wer will schon an seiner Gesundheit sparen? Doch wie sinnvoll sind diese IGeL-Angebote?
Von Lea Wolz

Für den Arzt sind sie lukrativ, für Patienten teuer - und in den seltensten Fällen hilfreich: Sogenannte Individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL) bekommt etwa jeder zweite Patient von seinem Arzt angeboten. 1,3 Milliarden Euro gaben gesetzlich Versicherte dafür 2012 in den Arztpraxen aus, schätzt das wissenschaftliche Institut der AOK - ein riesiger Markt, der für Patienten schnell unübersichtlich wird. Um Transparenz zu schaffen, betreibt der Medizinische Dienst (MDS) des GKV-Spitzenverbandes daher seit drei Jahren den sogenannten IGeL-Monitor, eine Internetseite, auf der die gängigsten dieser Selbstzahlerleistungen bewertet werden.

Die Bilanz nach drei Jahren ist ernüchternd: 37 IGeL wurden bis jetzt bewertet - vom Ultraschall der Eierstöcke bis zur Magnetfeldtherapie oder der Eigenblutbehandlung. Bei 16 davon fällt das Ergebnis negativ aus - der Schaden überwiegt deutlich oder geringfügig den Nutzen. Bei 13 ist der Nutzen unklar, nur vier haben einen geringfügigen Nutzen. Der MDS warnt daher: Die meisten dieser Selbstzahlerleistungen haben keinen nachweisbaren Nutzen oder schaden gar.

Gynäkologen sind IGeL-Liebhaber

In die IGeL-Falle laufen Patienten besonders häufig bei Frauenärzten: Sie stehen auf Rang eins der IGeL-Verkäufer, kritisiert der MDS. Das erklärt auch, warum Frauen mit 58 Prozent besonders oft diese teuren Zusatzleistungen angeboten werden, wie eine Umfrage der Techniker Krankenkasse zeigt. Bei Zahnärzten und Augenärzten sind die Selbstzahlerleistungen ebenfalls sehr beliebt.

Peter Pick, Geschäftsführer des MDS, rät Patienten, sich nicht von attraktiven Werbeflyern blenden zu lassen - sondern sich zuerst ausreichend über den Nutzen einer Leistung zu informieren. "IGeL sind nie dringend", sagt er. "Es gibt keinen Grund, sich drängen zu lassen." Informationen bietet etwa der IGeL-Monitor, der Vorteile und Nachteile einer Untersuchung klar verständlich auflistet. Aber auch bei Verbraucherzentralen finden sich Informationen und Tipps zu dem Thema. Zudem wichtig: Patienten sollten auf einen schriftlichen Vertrag bestehen. Und mögliche Risiken nicht unterschätzen - etwa, wenn bei einer Untersuchung fälschlicherweise etwas festgestellt wird und auf den Befund dann OPs folgen.

Der stern zeigt auf den folgenden Seiten die fünf "Top-Seller" unter den IGeL und ihre wissenschaftliche Einschätzung:

Ultraschall der Eierstöcke

Ultraschall ist der IGeL-Liebling unter den Ärzten. Zur Krebsfrüherkennung bieten Gynäkologen Patientinnen gerne eine Ultraschalluntersuchung der Eierstöcke an. Kostenpunkt: bis zu 50 Euro. Bei Verdacht auf Eierstockkrebs ist die Leistung sinnvoll - und wird auch von der Krankenkasse übernommen. Ohne Verdacht - einfach als zusätzliche Vorsorge-IGeL - rät der MDS dringend davon ab.

Das von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlte jährliche Abtasten ab dem 20. Lebensjahr sei ausreichend. "Mit Ultraschalluntersuchung sterben gleich viele Frauen an Eierstockkrebs wie ohne Untersuchung", so das Fazit des "IGeL-Monitors". Statt zu nutzen, könne die Untersuchung sogar schaden: Durch

Fehlalarme würden Frauen häufig unnötig beunruhigt

und sogar eigentlich gesunde Eierstöcke entfernt.

Fazit: negativ

.

PSA-Test

Auch bei dem PSA-Test zur Früherkennung von Prostatakrebs überwiege der Schaden tendenziell den Nutzen, so das Fazit des "IGeL-Monitors". Dass der Test helfe, Männer vor dem Tod durch Prostatakrebs zu bewahren, sei unsicher. Dass er Schaden kann, ist jedoch sicher: Unnötige, belastende Abklärungsuntersuchungen und Behandlungen können folgen.

Ultraschall der Brust

Hier ist die Datenlage unklar. Das heißt: Nutzen und Schaden sind ausgewogen - oder es gibt schlichtweg zu wenige Daten, um Vor- und Nachteile abschließend zu beurteilen. Der Ultraschall der Brust wird von Gynäkologen zusätzlich zu Kassenleistungen wie Abtasten und Mammographie angeboten. Kostenpunkt: zwischen 26 und 60 Euro.

Das Fazit des "IGeL-Monitors" fällt differenziert aus: Studien, die untersucht haben, ob Ultraschall der Brust Frauen vor dem Tod durch Brustkrebs bewahren kann,

seien nicht zu finden

. Studien an

Frauen mit dichtem Brustgewebe

würden jedoch zeigen, dass zusätzlicher Ultraschall

in Einzelfällen Brustkrebs findet

, den Mammographie und Tastuntersuchung übersehen haben. Da sich mithilfe von modernen Ultraschallgeräten kleinere Knoten finden lassen als durch das Abtasten, gehen die Bewerter von einem

geringen Nutzen

aus.

Zusätzlich erkannte Knoten könnten allerdings auch zu

unnötigen weiteren Untersuchungen

führen. Schlimmstenfalls würden dabei auch Tumore aufgespürt, die etwa wegen ihres langsamen Wachstums nicht entdeckt und behandelt hätten werden müssen. Jede Frau sollte sich also über Vor- und Nachteile informieren und diese für sich abwägen, bevor sie sich für die Untersuchung entscheidet.

Anmerkung: Der "IGeL"-Monitor betont, dass diese Bewertung nicht für Frauen gilt, deren besonders hohe Brustdichte eine Früherkennungs-Mammographie erschwert.

Messung des Augeninnendrucks zur Glaukom-Früherkennung

Die Messung des Augeninnendrucks zählt zu den am häufigsten angebotenen IGeL. Ein erhöhter Augeninndruck kann ein Hinweis auf ein Glaukom (grüner Star) sein. Gibt es einen konkreten Verdacht auf grünen Star, bezahlt die Kasse die Leistung. Ansonsten schlägt sie mit 10 bis 22 Euro zu Buche.

Der "IGeL-Monitor" rät jedoch tendenziell davon ab: Studien zeigen, dass die Augeninnendruckmessung ein

Glaukom nicht zuverlässig vorhersagen oder diagnostizieren kann

. Die Untersuchung selbst könne

leichte Nebenwirkungen haben

- und wie alle Früherkennungsuntersuchungen zu

falschen Befunden und zusätzlichen Untersuchungen

führen.

Professionelle Zahnreinigung

Ob die Leistung bei Erwachsenen ohne Parodontitis nutzt, ist unklar. " Obwohl die professionelle Zahnreinigung sehr verbreitet ist und von vielen Anbietern und Experten sogar als unverzichtbar eingestuft wird, ist der tatsächliche Nutzen kaum untersucht", heißt es auf den Seiten des "IGeL-Monitors". Sie kann jedoch einen positiven Nebeneffekt haben: Wer die professionelle Zahnreinigung in Anspruch nimmt, pflegt offenbar auch generell sein Gebiss besser. Schäden seien jedoch kaum zu erwarten, so die Bewerter. Daher muss wohl jeder für sich entscheiden, ob ihm die Leistung 35 bis 120 Euro pro Sitzung wert ist.

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