Epidemie 4000 Pekinger in Quarantäne

Die Lungenkrankheit SARS zieht weite Kreise: 4000 Pekinger wurden in Quarantäne gestellt, Krankenhäuser geschlossen, und die Menschen reagieren mit Hamsterkäufen. Eine französische Tageszeitung hält eine Revolution für möglich.

Die chinesischen Behörden haben am Freitag den Kampf gegen die tödliche Lungenkrankheit SARS verstärkt. Einen Tag nach der Schließung des Volks-Krankenhauses der Pekinger Universität wurde ein weiteres für Besucher gesperrt. 4.000 Pekinger, die Kontakt mit SARS-Kranken gehabt haben sollen, wurden angewiesen, ihre Wohnungen nicht mehr zu verlassen. Ein Sprecher der Gesundheitsbehörde sagte, er könne nicht sagen, wie lange diese Quarantäne dauern solle.

Ein Sprecher der Stadtverwaltung wies auf einer Pressekonferenz Gerüchte zurück, die Regierung plane die Verhängung des Kriegsrechts oder wolle die Flughäfen und Fernstraßen der Hauptstadt schließen. Der Leiter der Propaganda-Abteilung Pekings, Cai Fuchao, sagte, Inspektionsteams seien in die 147 Krankenhäuser geschickt worden, um sicherzustellen, dass alle SARS-Fälle gemeldet werden. Militärkrankenhäuser hatten die zivile Verwaltung zuvor nicht darüber informiert.

Hamsterkäufe aus Angst vor SARS

Das Handelsministerium versicherte, die Versorgung mit alltäglichen Gütern und Medizin sowie Gesichtsmasken und Desinfektionsmitteln werde gesichert. Es seien Maßnahmen zur Stabilisierung des Marktes ergriffen worden. In den vergangenen zwei Tagen war es in Peking vermehrt zu Hamsterkäufen gekommen.

Aus Angst vor einer Ausbreitung der Krankheit in rückständigen Gebieten mit unzureichender Gesundheitsversorgung rief die Leiterin des SARS-Krisenstabes, Vizeministerpräsidentin Wu Yi, dazu auf, den ländlichen Gebieten in West- und Zentralchina besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Landesweit gibt es in mehr als 20 Provinzen, Regionen und Metropolen schon 2422 Fälle und 110 Tote. Das Zentrum ist derzeit Peking, wo die Zahl der Erkrankten um 89 auf 774 gestiegen war. 39 Menschen sind in der Hauptstadt gestorben.

WHO gibt Hoffnung auf komplette Ausrottung von SARS nicht auf

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben, die Lungenkrankheit SARS komplett auszurotten. "Andererseits schwindet natürlich diese Hoffnung mit jedem Tag, der verstreicht und an dem mehr Fälle gemeldet werden", sagte das deutsche Mitglied im WHO-Untersuchungsteam, der Frankfurter Virologe Wolfgang Preiser, am Freitag im ARD-"Morgenmagazin". In Peking, wo es die meisten Fälle gibt, seien schon "einige Anzeichen" zu erkennen, das Krankenhäuser von dem Problem überwältigt seien.

Neben Peking gäben vor allem die ärmeren Provinzen Chinas Anlass zur Sorge, "denn wir haben keine Vorstellung, inwieweit dort geeignete Vorbereitungen getroffen worden", sagte Preiser. "Wir fürchten das Schlimmste und dann wird es dort zu einer immer weitergehenden Verbreitung kommen." Für Deutschland sei aber eine Panik "keineswegs angesagt." Der Kampf gegen SARS werde vermutlich mehrere Monate dauern, gab die WHO bekannt.

"Le Figaro": Wahrheit in China könnte Revolution auslösen

In der Freitag-Ausgabe äußert die konservative französische Tageszeitung "Le Figaro" die Vermutung, dass der Umgang der chinesischen Regierung mit SARS enorme politische Konsequenzen nach sich ziehen könne: "Diese Epidemie könnte für China die gleichen politischen Auswirkungen haben, wie der Reaktorunfall von Tschernobyl für die ehemalige UdSSR. In beiden Fällen wurde zunächst gelogen. Die sowjetischen Behörden haben im April 1986 die Explosion im ukrainischen Kernkraftwerk heruntergespielt, ebenso wie die Behörden in China die Zahl der an SARS erkrankten Bürger zunächst kaschiert haben. Nun haben sie sich zur Wahrheit entschlossen, um ihr System zu schützen. Doch in einem System, das auf der Lüge aufgebaut ist, wird die Wahrheit als revolutionär empfunden. Die politischen Auswirkungen könnten gewaltig sein."

"Studiosus" sagt China-Reisen wegen SARS ab

Der Reiseveranstalter "Studiosus" will wegen SARS bis Ende Mai alle China-Reisen mit Abstechern nach Hongkong und Peking absagen. Zudem werde die Umbuchungsregelung ausgeweitet, teilte "Studiosus" in München mit. China-Reisen mit Starttermin bis 31. Juli könnten kostenfrei umgebucht werden. Hintergrund sei die Empfehlung des Auswärtigen Amtes, wegen der Ausbreitung von SARS Reisen in die betreffenden Gebiete möglichst zu verschieben.

Geändert werden jetzt auch die Routen für jene Kanada-Reisen, bei denen ein Besuch Torontos auf dem Programm stehen sollte. Sie starten nun zwei Tage später und fliegen Montréal an. Auch hier gelte die kostenlose Umbuchung für alle Abreisen bis Ende Juli, hieß es.

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