Frontotemporale Demenz (FTD) ist der Überbegriff für eine ganze Reihe ähnlicher, aber weitaus weniger bekannter und häufig fehldiagnostizierter Hirnstörungen. "Frontotemporal" bezeichnet dabei den Ort im Gehirn, an dem die Störungen auftreten: hinter der Stirn und den Schläfen.
Keine Medikamente gegen die Krankheit
FTD tritt in der Regel bereits zehn Jahre früher als Alzheimer auf - die meisten Betroffenen erkranken zwischen 50 und 60 Jahren. Wie Alzheimer kann FTD die Familien der Patienten seelisch und finanziell stark belasten. Die Krankheit ist unheilbar, und - anders als bei Alzheimer - gibt es keine Medikamente, die den fortschreitenden Umnachtungsprozess verlangsamen könnten. Wegen häufiger Fehldiagnosen ist unklar, wie viele Menschen davon betroffen sind.
"Bei der Anerkennung der Krankheit und dem Wissen darum stehen wir dort, wo wir bei Alzheimer vor 20 Jahren waren", sagt Helen-Ann Comstock, die dem amerikanischen Verband AFTD vorsteht. Comstock weist darauf hin, dass die Krankheit in der Blüte des Lebens zuschlägt und betroffene Familien oft auf Unverständnis stoßen.
Hälfte aller Fälle bleibt unerkannt
Der Neurologe Murray Grossman schätzt, dass die Hälfte aller FTD-Fälle unerkannt bleibt. "Es ist sehr wichtig für uns, an die Öffentlichkeit zu gehen. Wir brauchen exakte Diagnosen, besonders weil wir einer möglichen Behandlung nahe sind", sagt Murray, der an der University of Pennsylvania forscht.
Während Alzheimer-Patienten nach und nach ihr Gedächtnis verlieren, können sich FTD-Kranke an Menschen und Ereignisse erinnern. Stattdessen leiden sie an Sprachstörungen. Auch der Charakter verändert sich: Die Patienten sind beispielsweise extrovertiert oder aber in sich gekehrt. Es kommt auch zu rücksichtslosem oder kindischem Verhalten, manche Patienten sind egoistisch oder teilnahmslos.
Oft über Jahre hinweg unerkannt
Teilweise können auch zwanghafte Verhaltensmuster auftreten: Patienten laufen dann jeden Tag zum gleichen Ort, sie klatschen oder reiben die Hände oder summen einen Ton über längere Zeit. Ärzte interpretieren diese Symptome oft als Alzheimer, Schlaganfall, manisch-depressive Erkrankung oder gewöhnliche Depression. FTD kann deshalb über Jahre hinweg unerkannt bleiben.
Bei Comstocks Ehemann Craig wurde zwei Mal Alzheimer diagnostiziert, bevor ein Arzt 1978 die Pick-Krankheit erkannte, die eine Unterform der frontotemporalen Demenz ist. Zu dieser Zeit war der damals 44-Jährige als Mathematik-Professor an einer Marine-Hochschule in Kalifornien angestellt und war in seiner Gemeinde sozial engagiert. Sieben Jahre später starb er - bettlägerig und hilflos.
Forscher wie Grossman hoffen, ein bestimmtes Eiweiß im Hirn zu erhalten, das bei FTD-Patienten offenbar zerfällt und schließlich ganz verschwindet. "Wir vermuten, dass die frontotemporale Demenz bei den unter 65-Jährigen so häufig ist wie Alzheimer bei den über 65-Jährigen", sagt Grossman. "Unsere Erkenntnisse helfen nicht nur FTD-, sondern auch Alzheimer-Patienten."
Joann Loviglio, AP