Glücksforschung Saboteure des Glücks – warum wir den falschen Lebenszielen hinterherjagen

Frau wirft mit Geldscheinen um sich
Geld macht glücklich? Naja.
© PeopleImages / Getty Images
Wir alle haben eine Idee davon, was wir im Leben brauchen, um glücklich zu sein und liegen damit oft daneben. Warum nur ist es so schwer, die Glücksformel zu knacken?

Irgendwas ist immer. Wenn nicht gerade die Milch sauer ist, dann ist die Autobatterie leer oder eine Zahnwurzel meldet sich. Wohl dem, der sich von all diesen kleinen und großen Widrigkeiten des Alltags nicht die Stimmung verhageln lässt. Der über ein aufgeschürftes Knie lachen kann und nicht etwa fortan nur noch mit Knieschonern vor die Tür geht. Und der zufrieden, ja, sogar glücklich ist, obwohl das Konto leer und die Ehe kaputt ist. Die meisten von uns können das nicht. Hätten wir nur mehr Geld, endlich den Partner fürs Leben oder wenigstens weniger Bauch – es wäre so einfach, glücklich(er) zu sein, oder?! Eben nicht. Studien belegen, dass wir häufig das Glück im Falschen suchen und so die Möglichkeit eines zufriedenen Lebens selbst sabotieren. 

Es fängt bereits mit der Frage an, was genau Glück eigentlich ist? Definitionen gibt es viele. Dazu zählt der Ansatz des hedonistischen Wohlbefindens, der sich um die Idee dreht, möglichst viele positive und möglichst wenige negative Emotionen zu erleben. Der Fokus liegt dabei auf dem Hier und Jetzt: Habe ich gerade eine gute Zeit? Fühle ich mich gut? Akuter Spaß spielte bei Aristoteles' Glücksbegriff hingegen keine Rolle. Seine Idee von Glück ist nicht als Sprint, sondern als Marathon zu verstehen. Eudaimonisches Wohlbefinden, wie er es nennt, entsteht durch das Gefühl, ein sinnvolles und im Grundsatz gutes Leben zu führen. 

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Niemand ist immer nur glücklich

Die Probleme entstünden oft dadurch, dass man nur dem hedonistischem Glück nachjage, nicht aber dem alltäglichen, nachhaltigeren Glück, meint Robert Waldinger. Er leitet die Harvard Study of Adult Development, eine Glücksstudie, die bereits seit 84 Jahren läuft und damit so lang wie keine andere zu dem Thema. Waldinger plädiert für einen Mix der beiden Konzepte.

Der Glücksforscher weiß, dass immerwährendes Glück unrealistisch ist. Er sagt im Gespräch mit "The Guardian" aber auch, "wenn du nicht glücklich bist, machst du das Leben nicht richtig". Und wie bitte macht man es richtig? Der Mensch ist erstaunlich dumm, wenn es darum geht, zu entscheiden, was er braucht, um glücklich zu sein. Zumindest legt das eine Reihe von Studien nahe. 

Da wäre die Sache mit dem Geld. Dem Zaster haftet der zweifelhafte Ruf an, glücklich zu machen. Denn je mehr Geld, desto weniger Sorgen – so die Idee. Es ist auch nicht zu bestreiten, dass wirtschaftliche Sicherheit entspannt. Es ist dem eigenen Wohlbefinden zuträglich, sich nicht vor jeder Nebenkostenabrechnung verstecken zu müssen. Es überrascht also nicht, dass Studien zeigen, dass mit steigendem Einkommen die positive Bewertung des eigenen Leben zunimmt und auch das emotionale Wohlbefinden steigt. Es steigt aber nicht unendlich und darin liegt die Crux.

Je mehr Geld desto glücklicher? Jein!

Es waren die Nobelpreisträger Daniel Kahneman und Angus Deaton, die herausfanden, dass der "Sweet Spot" bei 75.000 US-Dollar Jahreseinkommen liegt. Haben wir das erreicht, reizen wir das Maximum an Glück aus, das wir durch finanziellen Wohlstand bekommen können. Alles über diesem Grenzwert steigert das emotionale Wohlbefinden nicht weiter. Die Studie wurde in den USA durchgeführt und ist nicht eins zu eins auf andere Länder mit anderen sozioökonomischen Strukturen und Werten zu übertragen. Die Grundidee aber konnte in weiteren Untersuchungen bestätigt werden – ab einem gewissen Wohlstand macht Geld nicht mehr glücklicher.

So weit die Theorie. In der Realität aber denken wir, wir bräuchten immer mehr und mehr. Wir bekommen einfach nicht genug. Denn wir gewöhnen uns schneller als uns bewusst ist an positive wie negative Gefühle. Das Hochgefühl lässt nach und wir fallen auf eine Art Basislinie des Glücks zurück. Das Phänomen nennt sich hedonistische Tretmühle oder hedonistische Adaption. Und meint vereinfacht, dass der Lamborghini in der Garage, einst als Erfüllung eines Traums angeschafft, bald nur noch nett ist. Einen Ferrari als Zweitwagen zu haben, das wäre aber noch besser. Und wenn dann noch ein Maserati daneben steht, dann, ja, spätestens dann, glauben wir, wäre unser Glück perfekt. Pustekuchen! Das vielleicht Schlimmste daran: Wir scheinen immer wieder zu vergessen, dass es diese hedonistische Tretmühle gibt.

Der Gewöhnungseffekt ist der Feind des Glücks

Nicht nur, wenn es um Materielles geht, steht uns der Gewöhnungseffekt beim Glücklichsein im Weg. Wir tendieren dazu, den Einfluss bestimmter Ereignisse auf unser Leben zu überschätzen. Sowohl bei positiven wie negativen Erfahrungen gehen wir davon aus, dass die Effekte auf unser Leben sehr viel nachhaltiger sein werden, als sie es in der Realität dann sind. Das betrifft auch die Liebe. So lässt das Glücksempfinden, das Paare nach der Hochzeit haben, laut Wissenschaft schneller nach als wir uns das wünschen. Schon nach ein bis zwei Jahren klingt der "Honeymoon-Effekt" ab und aus großer Liebe wird "nur" noch Liebe. Wir fallen zurück auf unser Standard-Glückslevel. Das allerdings liegt laut Studien höher als bei Singles.

Auch Glücksforscher Waldinger ist überzeugt davon, dass Beziehungen einen enormen Einfluss auf unser Wohlbefinden haben. Es muss aber nicht die Liebesbeziehung sein. Er kommt zu dem Schluss, dass soziale Kontakte per se, je qualitativer desto besser, nicht nur das Wohlbefinden steigern, sondern auch das Leben verlängern. "Wir haben festgestellt, dass Menschen, die ein Netzwerk guter Beziehungen pflegen, eher in der Lage sind, Stürme zu überstehen, und dass sie eher glücklich sind", so Waldinger. Singles mit einem stabilen sozialen Netzwerk können also durchaus ähnlich zufrieden und glücklich sein wie Menschen in romantischen Beziehungen.

Schönheit allein macht auch nicht glücklich

Und dann ist da noch die Sache mit Nachbars Garten. Wir vergleichen uns mit anderen, dafür nutzen wir sogenannte Referenzpunkte. Diese sind von Mensch zu Mensch verschieden und abhängig von dem individuellen Werdegang. Unterm Strich bleibt: Kein Mensch möchte schlechter gestellt sein und weniger haben als ein anderer – wie dick die eigenen Geldtaschen gefüllt sind, spielt eine untergeordnete Rolle, wenn jemand anderes eine dickere hat. Die eigene Beziehung wird in Frage gestellt, wenn ein anderes Paar viel inniger scheint. Und der Blick in den Spiegel kann zur Farce werden, wenn zuvor stundenlang durch die Instagram-Profile von Models gescrollt wurde. Wie viel glücklicher nur wären wir, wenn unser Gesicht faltenloser, unser Körper schlanker wäre?

Sie ahnen es. Nicht so viel glücklicher, wie man denkt. Mehrere Studien, die sich mit Menschen auseinandersetzten, die mit ihrem Aussehen unzufrieden waren und sich durch Veränderungen versprachen, glücklicher zu werden, kamen zu einem ernüchternden Ergebnis. Sowohl adipöse Menschen, die abgenommen hatten als auch solche, die sich Schönheitsoperationen unterzogen hatten, waren im Nachhinein nicht nur nicht glücklicher, ihr Wohlbefinden hatte sich sogar verschlechtert. Schönheit allein ist also ebenfalls nichts, was unweigerlich glücklich macht.

Glück ist nichts, worauf man hinarbeiten kann und das, wenn man es einmal hat, für immer bleibt. Das wäre zu einfach. "Der Mythos, dass man immer glücklich sein kann, wenn man nur die richtigen Dinge tut, ist nicht wahr. Das Glück nimmt zu und nimmt ab", so der Wissenschaftler Waldinger. Vorausgesetzt unsere Grundbedürfnisse sind erfüllt, lasse sich davon ausgehen, dass uns das Glück schlichtweg "passiere". Ein bisschen könne man ihm aber auf die Sprünge helfen. Gesundheit, Ernährung, Schlaf, Bewegung sowie soziale Kontakte seien wichtige Stellschrauben für ein glückliches Leben. 

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