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Hyperhidrose Schwitzen bis der Arzt kommt

Schweiß schützt den Körper davor, zu überhitzen
Schweiß schützt den Körper davor, zu überhitzen
© Colourbox
Schweiß unter den Achseln, die Hände so schwitzig, dass jedes Händeschütteln zur Qual wird, die Füße feucht, obwohl es draußen kalt ist: Gegen solch übermäßiges Schwitzen helfen einige Spezialmittel.

Manche Models lassen sich die Schweißdrüsen der Achselhöhlen mit einer Botoxspritze lahm legen - nur um auf den teuren Designerfummeln keine harmlosen Flecken zu hinterlassen. Für einige Menschen ist der Körperschweiß aber tatsächlich ein Problem: Sie leiden unter der sogenannten Hyperhidrosis, dem krankhaften Schwitzen.

Normalerweise ist Schwitzen lebenswichtig: Die Schweißdrüsen geben Wasser ab. Diese Flüssigkeit verdunstet und kühlt so die Körperoberfläche. Dadurch befreit sich der Körper von zu viel innerer Wärme und verhindert, dass er überhitzt. Besonders viele Schweißdrüsen sind in den Achselhöhlen, an den Handflächen und Fußsohlen. Aber auch die Stirn ist mit vielen dieser Drüsen gesegnet. Insgesamt hat ein Mensch rund drei Millionen Schweißdrüsen. Sie sind fast über den ganzen Körper verteilt.

Den Befehl zu schwitzen, geben Nerven, die wir nicht mit dem Willen steuern können. Sie bedienen sich dabei des Botenstoffes Acetylcholin. Wie viel Schweiß sie den Körper produzieren lassen, hängt von seiner Temperatur ab. Wenn Sie sich körperlich sehr anstrengen, wenn es draußen heiß oder die Luftfeuchtigkeit extrem hoch ist, dann lässt Ihr Körper durchaus mehrere Liter Schweiß am Tag fließen.

Achseln, Hände, Füße und Stirn schwitzen am stärksten

Etwa zweieinhalb Millionen Menschen hierzulange schwitzen auch an ganz normalen Tagen viel zu stark. Ihr Körper produziert unabhängig von Wärme oder Kälte unkontrollierbar viel Schweiß. Ungefähr die Hälfte der Leidgeplagten schwitzt vermehrt unter den Achseln. Das unangenehme Tröpfeln kann sich aber auch auf die Haut der Füße, Hände, Stirn oder sogar den ganzen Körper erstrecken.

Sollten Sie zu diesen Menschen gehören, dann haben Sie genau so viele Schweißdrüsen wie jeder Mensch. Aber Ihre Drüsen werden vermehrt angesteuert und aktiviert. Die Schweißattacken können ganz spontan auftreten. Auch emotionaler Stress, körperliche Anstrengung, Alkohol- und Kaffeegenuss lösen sie aus. Je älter Sie werden, desto größer ist die Chance, dass das übermäßige Schwitzen wieder nachlässt.

Mediziner unterscheiden zwei Arten des krankhaften Schwitzens: die primäre Hyperhidrosis - ein krankhaftes Schwitzen, für das es keine anderen Ursachen gibt. Und das übermäßige Schwitzen, das zum Beispiel durch Krankheiten oder Medikamente ausgelöst wird. Während die Ärzte bei der primären Form den Schweißdrüsen direkt zu Leibe rücken, kümmern sie sich im zweiten Fall erst einmal um die verursachende Krankheit.

Symptome

Ob Sie unter krankhaftem Schwitzen leiden, für das es keine erkennbare Ursache gibt, lässt sich leicht feststellen. Typische Hinweise sind: Die Symptome haben begonnen, als Sie noch jung waren - also ungefähr vor Ihrem 25. Geburtstag. Sie schwitzen ganz unabhängig davon, wie warm oder kalt es ist. Jeder Schwitzanfall trifft Sie völlig unvermittelt. Sie sind mindestens einmal wöchentlich völlig nass geschwitzt.

Ganz typisch ist: Sie schwitzen immer wieder an den gleichen Stellen - und zwar auf beiden Körperseiten gleichzeitig. Nur während der Nacht sind Sie von Ihren Beschwerden erlöst. Möglicherweise haben Sie nahe Verwandte, denen es genauso geht.

Die Anfälle machen Ihnen das Leben schwer: Am T-Shirt breiten sich die Schweißränder aus. Ihre Hände sind so feucht, dass Sie tropfen. Die Füße fühlen sich so glitschig an wie ein Frosch. Weil Ihnen das sehr unangenehm ist, meiden Sie Teeküche, Kantine und Meetings im Berufsleben. Kollegen schätzen Sie deshalb eher als schüchternen Einzelgänger ein. Auch Kino, Theater oder ein entspanntes Treffen mit Freunden verbieten Sie sich, denn die nächste Schwitzattacke kommt bestimmt. Kurzum: Sie fühlen sich oft unsicher und trauen sich wenig zu.

Ein Arzt wird Ihre Symptome auf einer Skala einordnen. Dadurch kann er dann den Schweregrad Ihrer Krankheit genauer bestimmen:

Grad I - leichte Form:

  • Ihre Haut ist vermehrt feucht an Händen, Füßen und unter den Achseln.
  • Die Schweißflecken unter Ihren Achseln erreichen fünf bis zehn Zentimeter Durchmesser.

Grad II - mäßig starke Form:

  • Auf Ihrer feuchten Haut bilden sich Schweißperlen.
  • Die Schwitzflecken unter den Achseln erreichen zehn bis 20 Zentimeter Durchmesser.
  • Füße und Hände schwitzen lediglich an den Sohlen und Innenflächen.

Grad III - starke Form:

  • Der Schweiß tropft von Ihrer Haut.
  • Die Schwitzflecken unter den Achseln haben einen Durchmesser von über 20 Zentimetern.
  • Sie schwitzen auch auf dem Hand- und Fußrücken so wie am seitlichen Rand von Hand und Fuß.

Diagnose

Keine falsche Scham: Wenn Sie wegen starken Schwitzens zu einer Ärztin gehen, wechseln Sie vorher bloß nicht Ihre Kleidung. Denn ausgedehnte Schweißflecken unter den Achseln, getrocknete Salzspuren oder feuchte Hände bei der Begrüßung sind für sie schon erste Hinweise auf Ihre Krankheit.

Es gibt zwar keinen Labor- oder Messwert, der klar aussagt, ob Ihr Schwitzen noch normal oder schon krankhaft ist. Aber normalerweise erkennt die Hautärztin eine Hyperhidrose, wenn Sie Ihr die Symptome möglichst genau schildern.

Feuchte Haut neigt zu bestimmten Krankheiten. Dazu gehören beispielsweise Fußpilz, schmerzhafte Hornhautaufweichung oder Warzen. Wenn Sie darunter leiden, ist das für die Medizinerin ein weiterer Hinweis auf übermäßiges Schwitzen. Zudem bestätigen verschiedene Testverfahren die Diagnose.

Tests zeigen, wo und wie viel Sie schwitzen

Mithilfe des Jodstärketests grenzt der Arzt das Hautareal ein, das vermehrt Schweiß absondert. Er bestreicht die trockene Haut mit einer Jodlösung und siebt Stärke darüber. Stärke, Jod und Schweiß reagieren chemisch miteinander und färben die schwitzende Körperstelle schwarzbläulich. Der Test sagt aber nichts darüber aus, wie viel Schweiß die Drüsen abgeben. Er sollte aber immer durchgeführt werden, bevor Sie sich einer Behandlung mit dem Nervengift Botulinumtoxin unterziehen: Die übermäßig aktiven Schweißdrüsen reichen manchmal über die Achselhöhlen hinaus bis zur Mitte des Brustkorbs.

Ein anderer Test heißt Gravimetrie. Mit dieser Methode kann der Mediziner die Schweißmenge bestimmen. Er benötigt dazu Filterpapier, Stoppuhr und eine Waage. Das Filterpapier saugt die Feuchtigkeit auf, die Sie innerhalb eines bestimmten Zeitraums ausgeschwitzt haben. Danach wird das Filterpapier gewogen.

Solche Messungen nutzen Mediziner insbesondere für klinische Studien und Untersuchungen. Sie überprüfen damit, ob eine Therapie die Schweißmenge verändert hat. Die Aussagekraft der Messungen ist leider nur begrenzt, da die Schweißmenge jedes Mal extrem schwanken kann. Sollten Sie jedoch pro Achsel mehr als 100 Milligramm Schweiß in fünf Minuten abgeben, leiden Sie wahrscheinlich an einer Hyperhidrosis.

Vielleicht steckt eine Krankheit dahinter

Wenn Sie übermäßig stark schwitzen, dann wird die Ärztin klären, ob eine Krankheit dahinter steckt. Das kann eine Infektion sein, erhöhter Blutzucker, eine Schilddrüsenkrankheit oder eine neurologische Krankheit. Auch bösartige Tumore können starkes Schwitzen auslösen. Manchmal schwitzen Übergewichtige sehr stark. Auch Frauen den Wechseljahren erleben bisweilen Schwitzattacken, weil der Spiegel des Hormons Östrogen sinkt.

Hat Ihre Ärztin den Verdacht, dass Sie unter einer Krankheit leiden, wird sie entsprechende Untersuchungen veranlassen. Sie wird auch fragen, welche Medikamente Sie einnehmen. Zu den Arzneimitteln, die für starkes Schwitzen verantwortlich sind, zählen unter anderem Antibiotika und Antidepressiva.

Therapie

Sie fühlen sich sehr unwohl, weil sie stark schwitzen? Sie haben Angst, dass Sie nach Schweiß riechen und trauen sich kaum unter Leute? Ihnen kann geholfen werden: Mit Deos, Spezialbädern oder chirurgischen Eingriffen. Jeder Arzt wird versuchen, eine Operation zunächst zu umgehen, da sie nie risikofrei ist.

Das einfachste Mittel gegen starkes Schwitzen sind Deodorants mit einer hohen Konzentration an Aluminiumsalzen. Denn diese Salze verstopfen die Ausführungsgänge der Schweißdrüsen und bändigen dadurch den Schweißfluss. Die Produkte gibt es in unterschiedlichen Stärken. Tragen Sie das Deo über mehrere Wochen jeden Abend für zwei bis fünf Minuten auf Hände, Füße und Achselhöhlen. Das wird vermutlich die Haut reizen, denn sie ist durchs Schwitzen bereits sehr empfindlich. Sie kann rot werden, jucken und nässen. Diese Irritationen verschwinden jedoch, wenn Sie die Therapie für eine Weile unterbrechen.

Strom legt die Drüsen lahm

Eine sogenannte Leitungswasseriontophorese beruhigt die überregten Schweißdrüsen. Und das mindert dann den Schweißfluss. Warum dieses Verfahren funktioniert, ist nicht ganz klar. Aber fest steht: Die Behandlung hilft vier von fünf Betroffenen. Sie ist daher die Therapie, die in Deutschland am häufigsten gegen übermäßigem Hand- und Fußschweiß zum Einsatz kommt.

Und so geht's: Sie halten die betroffenen Körperstellen - in der Regel Hände und Füße - in zwei Kunststoffwannen voller Leitungswasser. Elektroden leiten dann schwachen Strom durch das Wasser. Der Arzt reguliert die Stromstärke so, dass Sie ein leichtes Kribbeln spüren. Wenn Ihnen das Verfahren vertraut ist, können Sie die Iontophorese auch allein zu Hause anwenden. Bis sich ihre Beschwerden verbessern, führen Sie die Behandlung täglich zehn bis fünfzehn Minuten durch. Danach reichen zwei bis drei Anwendungen pro Woche, um den Schweißfluss zu reduzieren.

Botox lähmt die Nerven

Die Ärztin kann die hyperaktiven Schweißdrüsen auch mit dem Nervengift Botulinumtoxin schachmatt setzen. Das Gift verhindert, dass die Nervenenden den Botenstoff Acetylcholin weitergeben. Dadurch bekommt die Schweißdrüse kein Einsatzsignal, und die Schweißproduktion erlahmt.

Die Behandlung muss in der Regel nach vier bis sieben Monaten wiederholt werden, da die zerstörten Nervenenden erneut wachsen. Botulinumtoxin-Präparate sind in Deutschland lediglich für die Anwendung in der Achselhöhle zugelassen, obwohl sie auch an Händen und Füßen helfen. Für die Stirn ist Botox gar nicht geeignet, da es die Gesichtsmuskeln lähmt. Sie sind dann möglicherweise nach einer Injektion entstellt. Die Krankenkassen zahlen meist nicht; die Therapie kostet jedes Mal zwischen 400 und 1300 Euro.

Ob Arzneimittel gegen Hyperhidrose helfen, haben Mediziner in Therapiestudien untersucht. Die Ergebnisse sind ernüchternd. Erprobt wurden zum Beispiel Salbei und Anticholinergika. Das sind Substanzen, die die Produktion des Botenstoffs Acetylcholin hemmen. Auch Präparate wie Psychopharmaka, Tranquilizer und Betablocker standen auf dem Prüfstand. Ihre Wirksamkeit ist aber zweifelhaft. Also wird Ihr Arzt Medikamente höchstens in Betracht ziehen, wenn andere Behandlungen nicht erfolgreich waren, oder Sie noch an einer anderen Krankheit leiden.

In Ausnahmefällen hilft nur das Skalpell

Waren alle anderen Therapien erfolglos, kann der Arzt auch zum Messer greifen. Bei der sogenannten subkutanen Saugkürettage saugt er zunächst etwas Fettgewebe aus der Unterhaut ab. Dann schabt er Schweißdrüsen weg, die in der Lederhaut liegen. Der Erfolg liegt auf der Hand: weniger Schweißdrüsen gleich weniger Schweiß.

Wenn Sie stark an den Händen schwitzen, kann ein Chirurg die Nerven kappen oder entfernen, die die Schweißdrüsen versorgen. Merkwürdigerweise verbessert sich dadurch oft auch das Schwitzen an den Füßen. Bei der Hälfte der Betroffenen ist das so. Warum, das ist bis heute unklar.

Die Gefahr bei dieser Therapie ist allerdings, dass Sie plötzlich an ganz anderen Körperstellen vermehrt schwitzen - etwa auf dem Rücken. Der Eingriff wird durch eine sogenannte Spiegelung des Brustkorbes durchgeführt: Der Operateur macht einen kleinen Schnitt im Brustkorb. Er lässt die Luft aus der Lunge. Dann sucht er mit einer Art Fernrohr bestimmte Nerven im Körper, um sie zu durchtrennen. Dieser Eingriff sollte immer das letzte Mittel der Wahl sein. Er kommt nur dann infrage, wenn Sie gemeinsam mit Ihrem Arzt alle anderen Möglichkeiten erfolglos ausprobiert haben.

Tipps

Versuchen Sie Stresssituationen, in denen Sie leicht ins Schwitzen geraten, durch Entspannungsübungen in den Griff zu bekommen. Geeignet sind etwa Yoga oder die progressive Muskelentspannung nach Jacobson. Um solche Techniken zu erlernen, müssen Sie kein Profi sein: Trainer im Sportverein, im Fitnessstudio oder in der Volkshochschule leiten Sie in Kursen entsprechend an.

Haben Sie zu viel auf den Rippen? Dann nehmen Sie ab, denn Übergewicht ist ein Risikofaktor für übermäßige Schweißproduktion. Probieren Sie es mit Ausdauersportarten wie Walken, Wandern oder Schwimmen. Diese sanften Methoden sind weniger schweißtreibend und lassen die Pfunde purzeln.

Haben Sie schon herausgefunden, was bei Ihnen Schwitzattacken auslöst? Neben Stress- und Angstsituationen können das auch bestimmte Lebensmittel oder Zubereitungsformen sein: Meiden Sie deshalb zu heiße oder zu scharfe Speisen. Wählen Sie beim nächsten Restaurantbesuch statt des Chilihuhns lieber eine milde Gemüsepfanne.

Teure Spezialunterwäsche und fraglich wirksame Mittel aus dem Internet bringen nichts. Investieren Sie Ihr Geld besser in Methoden, die wirklich helfen. Die kann Ihnen ein Hautarzt erklären.

Scheuen Sie sich nicht davor, einen Spezialisten aufzusuchen. Die meisten Unikliniken haben eine spezielle Sprechstunde für Hyperhidrosis oder können Ihnen einen Kollegen empfehlen, der sich mit dieser Krankheit auskennt.

Constanze Löffler

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