Nie werde ich vergessen, wie auf dem vierten Geburtstag von Carsten aus meiner Spielgruppe sein Vater für uns Jungs gezaubert hat. Erst hatte er zwei weiße Bälle zwischen seinen Fingern stecken. Eine magische Handbewegung - und plötzlich war es nur noch einer! Ich weiß noch, dass ich minutenlang auf seinen Ärmel starrte und ihm in die Küche hinterhergelaufen bin, um das Wunder irgendwie zu begreifen.
Vielleicht war es dieses Erlebnis, weshalb ich mir zu meinem achten Geburtstag einen Zauberkasten gewünscht habe. Was darin lag, war eine Riesenenttäuschung: die weißen Bälle. Und die Illusion war dahin. Ein Ball ist eine Mogelpackung, er besteht nur aus einer Halbschale. Von vorn betrachtet sieht der halbe hohle Ball aber für unser Auge genauso aus wie der zweite ganze Ball. Und der Zuschauer sieht nicht eineinhalb Bälle, sondern zwei. Unter Deckung der "magischen Bewegung" rutscht der ganze hinter den halben - und zack, sehen Kinder wie Erwachsene nur noch einen Ball. Unser Verstand bleibt bei seiner Version, von den zwei ganzen Bällen, die er meint, gesehen zu haben, und kann sich nicht vorstellen, dass es eine natürliche Erklärung für das Phänomen gibt. Eher nehmen wir an, alle Gesetze der Physik seien für einen Moment aufgehoben, als dass wir akzeptieren, dass unsere Wahrnehmung uns etwas vorgegaukelt hat.
Wacklige Entscheidungssituationen
Über die "Tricks unseres Gehirns" wird inzwischen auch in Labors geforscht. Und dabei entdeckt die "Neuromagic", was wir über unsere Sinne durch die Sinnestäuschung lernen können. Gibt es Hellsehen? Nein, aber es gibt das "Muskellesen". Es sieht aus wie Telepathie, beruht aber auf geschultem Wahrnehmen von minimalen Körpersignalen. Dem Magier werden die Augen verbunden. Dann versteckt jemand eine Nadel im Raum. Der Vorführende wird nun zum Geführten. Der sehende Zuschauer nimmt den Hellseher an die Hand und verrät ihm, ohne es zu wissen oder es selbst zu bemerken, durch minimale Änderungen in seiner Muskelspannung, in welcher Richtung die Nadel liegt.
Sie können das zu Hause nachspielen, mit einer Spielkonsole! Ein "Wii"-Balance Board, ein kleines Trittbrett mit Sensoren, registriert wie ein Magier minimale Verlagerungen des Körperschwerpunktes. Steht man darauf, lernt man schnell, dies intuitiv zu nutzen und damit auf einem Bildschirm ein Skateboard zu steuern.
Unlängst untersuchten holländische Forscher mit dem Messbrett wacklige Entscheidungssituationen. Was die Sprache vermuten lässt, ist nun belegt: Wer im Geiste zwischen zwei Möglichkeiten schwankt, dessen Körper schwankt direkt mit. Wenn wir hin und her überlegen, überträgt sich das auf Rumpf und Beine. Und umgekehrt: Wer aufgefordert wurde, körperlich zu schwanken, tat sich anschließend mit ambivalenten Entscheidungen schwerer - Knie und Birne wurden sozusagen gleichzeitig weich. Wir sehen, Joseph Beuys kam der Wirklichkeit also sehr nahe mit seinem Satz:"Ich denke sowieso mit dem Knie!"