Hyperhidrose Wenn der Schweiß in Strömen fließt

Schwitzen ist die Klimaanlage des Menschen, der Schweißfilm auf der Haut bewahrt den Körper vor tödlicher Überhitzung. Hyperhidrose-Patienten schwitzen jedoch grundlos und ständig.

Wie viele Menschen unter Hyperhidrose leiden, ist unklar, genaue Studien gibt es nicht, Schätzungen gegen von rund einem Prozent aus. An vielen Hautkliniken gibt es spezielle Sprechstunden für die Betroffenen. An der Berliner Charité berät Martina Hund Menschen, bei denen sich auch im Winter Pfützen unter den Armen bilden. Sie weiß kuriose Fälle zu berichten, von Managern, die mehrere Hosen im Büroschrank hängen hatten und sie heimlich trocken föhnen mussten. Ein Dachdecker stopfte sich alle paar Stunden frische Zeitungen in die zu großen Sicherheitsschuhe, um seinen Fußschweiß aufzusaugen.

Hyperhidrose bringt soziale Probleme mit sich

"Diese Menschen haben massive soziale Probleme", sagt Hund. Sie tun sich schwer mit Beziehungen, ziehen sich zurück, tragen selbst im Sommer lange, dunkle Kleider. In manchen Berufen - zum Beispiel für eine Elektriker - können tropfnasse Hände auch tödlich sein. "Wenn ich nur den kleinsten Anstrengungen ausgesetzt bin, dann sehen meine Haare aus als hätte ich meinen Kopf gerade in eine Wassertonne gesteckt", klagt ein Mann in einem Internet-Diskussionsforum für Betroffene.

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Informationen zu Hyperhidrose:
www.hyperhidrose.de

Wieso bei den Hyperhidrose-Patienten das Thermostat im Kopf verrückt spielt, ist ein Rätsel. Manchmal stecken medizinische Ursachen wie eine Fehlfunktion der Schilddrüse oder Hormonstörungen hinter der Krankheit, manchmal sind psychische Ursachen wie Nervosität oder Stress der Auslöser.

Linderung bringt beispielsweise Aluminiumchlorid, das auf die überaktiven Schweißdrüsen aufgetragen wird. Bei der so genannten Ionophorese steckt der Patient Arme oder Füße in ein stromdurchflossenes Wasserbad, das die Schweißdrüsen desensibilisiert. Eine neue Möglichkeit sind Spritzen mit Botulinus- Gift, das auch zum Wegspritzen von Falten verwendet wird. In extremen Fällen kann Chirurgie Abhilfe schaffen. Dabei wird ein Teil der Schweißdrüsen herausgeschnitten oder von den versorgenden Nervenzellen abgetrennt.

Zu wenig Schwitzen ist genauso ungesund wie zu viel

Bei gesunden Menschen unterscheiden Dermatologen drei Arten des Schwitzens: Bei Hitze und körperlicher Anstrengung schwitzen wir vor allem am Kopf, Rücken, Armen und Beinen. Ist aber Angst, Schmerz oder geistige Anspannung der Auslöser ("emotionales Schwitzen"), werden Handflächen, Fußsohlen und die Achseln feucht. Das könnte evolutionär bedingt sein, erklärt Hund, denn ein wenig Feuchtigkeit verbessert die Bodenhaftung und damit die Fluchtchancen. Schweiß beim Essen hingegen ist ein erworbener Reflex, der sich meist auf die Kopfregion beschränkt.

Mehrere Liter Schweiß am Tag zu verlieren, ist normal. Wer weniger als einen halben Liter Flüssigkeit pro Tag verliert, ist gefährdet. Ein Spitzensportler kann drei Liter in einer Stunde ausschwitzen. Bei 30 Grad im Büro kann ein gesunder Mensch gut eineinhalb Liter im Laufe seines Arbeitstages absondern. "Zu viel zu schwitzen ist genauso krankhaft wie zu wenig zu schwitzen", erklärt Hund. Und wie viel Schweiß ist normal? "Genau die Menge, die benötigt wird, um den Körper abzukühlen."

Nicht richtig ist aus medizinischer Sicht der Glaube, Angstschweiß rieche, während Anstrengungsschweiß geruchsneutral sei. Schweiß riecht dann, wenn er von auf der Haut siedelnden Bakterien zersetzt wird - und dieser Zeitpunkt ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Gegen normales Schwitzen hilft übrigens luftdurchlässige Kleidung, scharfe Gewürze, Kaffee und Alkohol zu meiden und Übergewicht abzubauen.

Sandra Trauner, DPA

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