Christian Markus, 24, ist Krankenpfleger und Bachelor der Pflegewissenschaften. Hier erzählt er von der großen Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis in der Pflege.
Wir haben in der Pflege ein großes Problem. Die Wissenschaft macht große Fortschritte, davon landet zu wenig davon am Krankenbett. Oft höre ich dann: "Das haben wir schon immer so gemacht." Da muss man ran. Deshalb habe ich neben der Arbeit im Krankenhaus Pflegewissenschaft studiert und jetzt einen Bachelor-Grad. Der Wissenschaftsrat fordert, jede fünfte Pflegekraft sollte akademisch ausgebildet sein, damit wir künftig die immer komplexeren Aufgaben bewältigen können.
Doch leider gibt kaum Stellen für Absolventen wie mich. Ich arbeite jetzt an meiner Klinik auf der gleichen Position weiter, auf der ich schon vorher war, mit dem gleichen Gehalt. So wie mir geht es allen Kommilitonen, mit denen ich in Verbindung stehe. Wegen der fehlenden Karrierechancen arbeiten akademisierte Pflegekräfte deshalb nur noch selten am Patienten, sie gehen zum Beispiel ins Management.
Ich würde mir so sehr eine Stelle wünschen, in der ich Theorie und Praxis vereinen kann. Aber dafür brauche ich die Mittel und Möglichkeiten, eineinhalb Tage pro Woche Freistellung für die Forschung. Die Klinik, an der ich arbeite, wirbt offensiv mit der Möglichkeit, neben der Ausbildung zu studieren, die Pflege-Schule nennt sich sogar hochtrabend "Pflege-Akademie". Wer noch einen Master macht, dem wird auf der Website versprochen, dass sie oder er dann als als "Advanced Nurse Practicioner" eigenverantwortlich heilkundliche Aufgaben der Pflege ausführen kann. Aber wenn es dann tatsächlich darum geht, Geld in die Hand zu nehmen, dann herrscht Zurückhaltung.
Gute und fortschrittliche Versorgung? "Keine Chance"
Wer akademisierte Pflege wirklich will, der muss sich darüber im Klaren sein, dass es dafür Planstellen braucht. Jede Menge! Ein oder zwei Pflegewissenschaftler*innen reichen da nicht aus. Ich persönlich bin der Überzeugung, dass wir uns als Gesellschaft mehr akademisierte Pflegekräfte leisten müssen. Schließlich wollen wir doch alle eine gute und fortschrittliche Versorgung genießen. Doch keine Chance.
Ich ziehe nun daraus die Konsequenz und werde wohl einen Masterstudiengang Public Health/ Angewandte Versorgungsforschung beginnen. Mir ist bewusst, dass ich mich dadurch eindeutig "vom Krankenbett" entferne. Das war nie mein Plan. Aber so weh das tut, die von mir erhoffte Stelle für die Umsetzung von evidenzbasierter Pflege auf Station scheint es nicht zu geben.