Der häufigste Krebs bei Männern ist das Prostatakarzinom. Etwa 65.000 Deutsche erkranken pro Jahr, mehr als 10.000 sterben daran. Die Krankheit kann sehr unterschiedlich verlaufen: Manchmal beschränkt sich ein Tumor auf die nur kastaniengroße Vorsteherdrüse und verursacht noch nicht einmal Beschwerden. Bei anderen Männer wuchern dagegen bald Metastasen, und das Krebsleiden wird lebensbedrohlich.
Am besten heilen lässt sich der Tumor bei Männer, solange er auf die Prostata begrenzt ist und noch keine Tochtergeschwulste gebildet hat. Allerdings gibt es ein Problem: Bislang ist nicht klar, welche Behandlung diesen Patienten am besten hilft. Es gibt immer noch keine aussagekräfigen Daten dazu, ob eher eine Operation oder eine Strahlentherapie oder auch die aktive Überwachung der Blutwerte zu empfehlen ist. Insofern findet sich auch in der offiziellen deutschen Ärzte-Leitlinie keine klare Aussage zur Therapie der Wahl. Eigentlich erstaunlich bei einer so häufigen Krankheit mit Hunderttausenden Betroffenen.
Große regionale Unterschiede
Jetzt zeigt eine neue Studie, dass deutsche Ärzte ihre Prostatapatienten regional sehr unterschiedlich behandeln. Experten vom Wissenschaftlichem Institut der AOK (WIdO) haben Abrechnungsdaten zu Prostata-OPs aus 96 Regionen ausgewertet und große Differenzen festgestellt: Mancherorts wird besonders vielen Männern mit Krebs die Prostata entfernt, anderswo eher wenigen. Wie die interaktive Deutschlandkarte auf Basis dieser Daten belegt, kamen zum Beispiel 2012 in Osthessen 14 von 10.000 Männern ab 40 unters Messer, die höchste Rate in Deutschland. In Bremerhaven waren es dagegen zehn, in München acht und im brandenburgischen Prignitz-Oberhavel sogar nur fünf, der niedrigste Wert.
Ganz ähnlich sieht es aus bei Eingriffen an einer gutartig vergrößerten Prostata. Hier wird in der Regel nicht das ganze Organ herausgeschnitten, sondern nur das Gewebe, das die Harnröhe blockiert und beim Wasserlassen stört. Auch hier variieren die örtlichen Raten erheblich: Sie liegen zwischen zwölf von 10.000 Männer ab 40 in der Region der Mecklenburgischen Seenplatte und 33 im östlichen Oberfranken.
"Unter Ärzten herrscht große Unsicherheit"
Die großen Unterschiede lassen sich übrigens nicht dadurch erklären, dass in manchen Regionen einfach ältere und damit eventuell kränkere Männer wohnen. Diesen Faktor hatten die WIdO-Forscher bereits herausgerechnet. Trotzdem wirkt Deutschland bei Prostata-OPs wie ein Flickenteppich. "Das könnte darauf zurückgehen, dass in manchen Regionen häufiger die Operation empfohlen wird", sagt Hanna Leicht vom WIdO, die die Daten analysiert hat.
Deutlicher wird Michael Stöckle, Direktor der Klinik für Urologie und Kinderurologie am Uniklinikum des Saarlandes: "Große regionale Unterschiede bei den OP-Raten belegen, dass Unsicherheit unter Medizinern besteht und dass der Zufall oder die persönliche Meinung eines Arztes darüber mitentscheiden, welcher Mann operiert wird und welcher nicht." Die deutsche Ärzte-Leitlinie enthält für Patienten ohne Metastasen nur den Hinweis, dass der Arzt sie über alle Therapieoptionen aufzuklären hat: In Frage kommen eine Operation, die Bestrahlung von außen oder mit Hilfe winziger radioaktiver Implantate ("Seeds") oder die aktive Überwachung des Patienten und seiner Blutwerte. "In der Praxis möchten die Patienten oft eine konkrete Empfehlung von ihrem Arzt haben. Und der rät dann zu der Therapie, die er persönlich für die beste hält. Eine solide Datenbasis dafür gibt es aber bisher nicht."
Sie wäre dringend nötig, damit Ärzte Nutzen und Risiken der verschiedenen Therapien besser abwägen könnten. Viele Männer leiden nach einem Eingriff an der Prostata unter Inkontinenz oder Impotenz. Außerdem zieht etwa jede fünfte Krebs-OP Komplikationen wie Blutungen oder ungewollte Folgeeingriffe nach sich. Insofern sollten Patienten ihren Arzt vor jeder Therapie nach möglichen Risiken fragen – und nach Alternativen.
Hier finden Sie die besten Kliniken in Ihrer Nähe
Männer mit Prostataleiden können ab sofort auch im aktualisierten AOK-Krankenhausnavigator nach den besten Kliniken in ihrer Nähe suchen. Stern.de veröffentlich bereits vorab zwei Listen besonders empfehlenswerter Krankenhäuser für Eingriffe bei Prostatakrebs oder gutartig vergrößerter Prostata. Ausgewählt sind je 20 Häuser, die aufgrund niedriger Komplikationsraten drei AOK-Punkte für "überdurchschnittliche Qualität" erreichten und außerdem besonders viel Routine bei Prostata-OPs vorweisen konnten:
Top 20: Kliniken für Prostata-Eingriffe
- Zeisigwaldkliniken Bethanien Chemnitz (Chemnitz / 380 AOK-Fälle 2011-2013)
- Schwarzwald-Baar Klinikum Villingen-Schwenningen (Villingen-Schwenningen/Donaueschingen, Baden-Württemberg / 378 Fälle)
- Vivantes Auguste-Viktoria-Klinikum (Berlin / 353 Fälle)
- Krankenhaus Gelnhausen (Gelnhausen, Hessen / 303 Fälle)
- Die Stadtklinik im Diako (Augsburg, Bayern / 295 Fälle)
- Urologische Klinik München-Planegg (Planegg, Bayern / 284 Fälle)
- Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden an der Technischen Universität Dresden (Dresden, Sachsen / 283 Fälle)
- Karl-Olga-Krankenhaus - Akademisches Lehrkrankenhaus der Universität Ulm (Stuttgart, Baden-Württemberg / 277 Fälle)
- St. Elisabeth-Krankenhaus Leipzig (Leipzig, Sachsen / 248 Fälle)
- Klinikum Coburg GmbH (Coburg, Bayern / 234 Fälle)
- Elblandklinikum Riesa (Riesa, Sachsen / 232 Fälle)
- Helios Klinikum Berlin-Buch (Berlin / 218 Fälle)
- Klinikum Fulda (Fulda, Hessen / 212 Fälle)
- Oberlausitz-Kliniken / Krankenhaus Bautzen (Bautzen, Sachsen / 212 Fälle)
- Urologische Klinik am Lerchenberg (Heilbronn, Baden-Württemberg / 205 Fälle)
- Kliniken am Goldenen Steig (Grafenau/Freyung/Waldkirchen, Bayern / 202 Fälle)
- Klinikum Meiningen (Meiningen, Thüringen / 196 Fälle)
- Krankenhaus Nürnberg Nord (Nürnberg, Bayern / 194 Fälle)
- Thüringen Kliniken "Georgius Agricola" (Saalfeld/Rudolstadt/Pößneck, Thüringen / 192 Fälle)
- Malteser Krankenhaus St. Carolus (Görlitz, Sachsen / 186 Fälle)
Hinweis: Da alle Kliniken gleich gut bewertet wurden, sind sie im zweiten Schritt nach der Anzahl der Fälle, sprich: nach der Routine, gerankt worden.
- St. Antonius-Hospital Gronau (Gronau, Nordrhein-Westfalen / 318 AOK-Fälle 2011-2013)
- Missionsärztliche Klinik (Würzburg, Bayern / 292 Fälle)
- Charite Universitätsmedizin Berlin (Berlin, 243 Fälle)
- Universitätsklinikum Leipzig (Leipzig, Sachsen / 212 Fälle)
- Kliniken Essen-Mitte Evang. Huyssens-Stiftung (Essen, Nordrhein-Westfalen / 202 Fälle)
- Universitätsklinikum des Saarlandes (Homburg, Saarland / 146 Fälle)
- St. Elisabeth-Krankenhaus Leipzig (Leipzig, Sachsen / 144 Fälle)
- SRH Wald-Klinikum Gera (Gera, Thüringen / 140 Fälle)
- Klinikum Memmingen (Memmingen, Bayern / 127 Fälle)
- Siloah St. Trudpert Klinikum (Pforzheim, Baden-Württemberg / 107 Fälle)
- Universitätsklinikum Heidelberg (Heidelberg, Baden-Württemberg / 104 Fälle)
- Diakonissenkrankenhaus Dessau (Dessau-Roßlau, Sachsen-Anhalt / 102 Fälle)
- Klinikum Ingolstadt (Ingolstadt, Bayern / 96 Fälle)
- Universitätsklinikum Jena (Jena, Thüringen / 91 Fälle)
- Karl-Olga-Krankenhaus - Akademisches Lehrkrankenhaus der Universität Ulm (Stuttgart, Baden-Württemberg / 89 Fälle)
- Klinikum Leverkusen (Leverkusen, Nordrhein-Westfalen / 87 Fälle)
- Elblandklinikum Riesa (Riesa, Sachsen / 77 Fälle)
- Klinikum Fürth (Fürth, Bayern / 75 Fälle)
- Sana Kliniken Leipziger Land (Borna, Sachsen / 70 Fälle)
- Sana Klinikum Offenbach (Offenbach, Hessen / 69 Fälle)
Hinweis: Da alle Kliniken gleich gut bewertet wurden, sind sie im zweiten Schritt nach der Anzahl der Fälle, sprich: nach der Routine, gerankt worden.
Männer mit Prostatakarzinom im Frühstadium können ihren Arzt außerdem fragen, ob für sie die Teilnahme an der groß angelegten deutschen PREFERE-Studie in Frage kommt. Die soll in einigen Jahren zum ersten Mal Antworten auf die Frage nach der besten Therapie liefern. Das Team um Studienleiter Michael Stöckle sucht dafür insgesamt 7.600 Männer, die im Rahmen der Untersuchung behandelt und engmaschig überwacht werden sollen. Bisher haben sich allerdings eher wenige Mediziner mit ihren Patienten gemeldet, stellt Stöckle fest. "Man muss als Arzt erst mal den Mut aufbringen, sich zum eigenen Nichtwissen zu bekennen. Das ist für uns Ärzte schwierig, weil wir dahingehend sozialisiert sind, dass wir dem Patienten gegenüber Sicherheit auszustrahlen haben."