Stahl & Klaschinski: Psychologisch Warum gehen Männer so viel seltener zur Therapie?

  • von Stefanie Stahl und Lukas Klaschinski
Eine Illustration zeigt einen Mann, der bei einer Therapeutin sitzt und den Kopf in seine Hände stützt
"Viele Männer kämpfen auf die ein oder andere Weise mit dem Thema Bindungsangst", schreibt Stefanie Stahl in dieser Folge der Kolumne "PsychoLogisch"
© Foto: Sonja Müller; Illustration: Marianna Gefen / stern
Stefanie Stahl ist Bestseller-Autorin und Psychotherapeutin, Lukas Klaschinski ist Podcast-Star und Psychologe – gemeinsam schreiben sie eine stern-Kolumne über Themen aus Liebe, Familie und Partnerschaft. In dieser Folge geht es um Männer und Mental Health. 

Lukas Klaschinski: Ich hatte letztens ein Gespräch mit einem studierten Mann, der war der Auffassung, dass Psychotherapie und das Aufsuchen einer Therapeutin oder eines Therapeuten nur etwas für Kranke ist. Seine genaue Wortwahl: wenn man "plemplem" ist. Oh Mann. Das hat mir gezeigt, dass Psychotherapie immer noch etwas wahnsinnig Stigmatisiertes ist. Ich glaub, Steffi, du und ich leben in unserer psychologischen Bubble, in der wir eine Offenheit für solche Themen total normal finden. Für andere ist es noch nicht so selbstverständlich.

Stefanie Stahl: Stimmt, wir leben in einer Bubble. Die versuchen wir ja mit dieser Kolumne zu erweitern, hoffentlich. 

Lukas Klaschinski: Genau. Für viele von uns ist es ganz selbstverständlich, sich auf allen Ebenen gesund zu halten, indem wir genug schlafen und gut essen. Aber sich psychisch gesund zu halten, das ist noch nicht so breit angekommen. Es gibt bei uns allen Dinge, die wir einfach nicht gut oder richtig gelernt haben. Das ist, wie falsch laufen gelernt zu haben und immer die inneren Fußsohlen zu belasten. Die Psychotherapie kann dann ein Werkzeug sein, wieder einen besseren Umgang mit seinen Gedanken und Gefühlen zu finden. Das ist immer ein Prozess, und für den brauchen wir Hilfe. Ohne die wär es so, als würde man in der Bundesliga ohne Trainer trainieren. Warum sollte das für unseren Geist und unsere Seele anders sein? 

Stefanie Stahl: Aber die Stigmatisierung, wie du sagst, ist weit verbreitet. Die Zahlen weisen außerdem darauf hin, dass Männer skeptischer als Frauen zur Psychotherapie stehen. Das betrifft natürlich nicht alle, die sich als männlich identifizieren. Aber die Statistiken zeigen eine deutliche Tendenz: Zwei Drittel der in Therapie befindlichen Personen sind weiblich, ein Drittel männlich. Die Zahl der Männer steigt allerdings, die Bubble erweitert sich also. Natürlich ist es in Deutschland nicht so wahnsinnig einfach, einen Therapieplatz zu kriegen. Die Wartezeit ist relativ lang, auch bei akuten Beschwerden. Durchschnittlich sind es fünf Monate. Bemerkenswert bleibt dennoch das Geschlechtergefälle. 

Lukas Klaschinski: Was ich an den Zahlen interessant finde: Es gehen viel mehr Frauen als Männer zur Therapie, obwohl wir bei den psychischen Erkrankungen keinen krassen Unterschied sehen. Die Dunkelziffer ist bei Männern offenbar sehr hoch. Besonders erschütternd: Die Suizidrate ist bei Männern viel höher als bei Frauen. Sie machen drei Viertel aller Suizide aus. Das heißt, es ist ein Leiden da, aber Männer gehen nicht so gern in psychotherapeutische Behandlung wie Frauen. Da fragt man sich: Warum ist das eigentlich so? 

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