Leben verheiratete Menschen länger, oder kommt es denen nur so vor? Der alte Witz beinhaltet eine der brandaktuellen Fragen der Demografie: Warum werden Menschen unterschiedlich alt?
Überall werden Rezepte für ein langes Leben gesucht. Forscher schreien schon Hurra, wenn eine Taufliege ein paar Wochen länger lebt, nur weil man ihr die Nahrung künstlich verknappt - aber was ist das für ein Leben? Die Genetiker nennen das Gen halb scherzhaft "Indy", als Abkürzung für: "I'm Not Dead Yet" - Ich bin noch nicht tot! Was lernt man daraus? Wer nichts zu sich nimmt, den will auch der Tod nicht mehr zu sich nehmen? Keineswegs. Der Preis ist schon im Leben hoch, denn in Fastenzeiten stellt der Körper auf Sparflamme: Was zum Überleben nicht unbedingt nötig ist, aber Energie verbraucht, wird eingestellt. Und dazu gehört vor allem die Fortpflanzung. Da lebt die Fliege nun mit der perfekten, abgehungerten Wespentaille, hat Zeit bis zum Abwinken - aber bekommt ein Sparprogramm statt Sex. Arme Sau!
Dr. med. Eckart von Hirschhausen
Programm und Aufrittstermine: www.hirschhausen.com
Mönche leben länger
Und wir Menschen? Warum leben Frauen länger als Männer? Liegt es an unterschiedlichen Lebensstilen? Anderen Belastungen? Genen und Hormonen? Der junge Soziologe Marc Luy hatte eine geniale Idee: Er suchte nach einer Gruppe Menschen, in der Frauen und Männer unter nahezu gleichen Bedingungen leben - und fand sie im Kloster. Denn die Sterbetafeln von 12 000 Nonnen und Mönchen verrieten ihm ein großes Geheimnis: Über die Langlebigkeit wird nicht in der Körperzelle entschieden, sondern in der Klosterzelle. Wer dort schläft, kommt später in den Himmel.
Sensationell war Luys zweite Entdeckung: Die Lebenserwartung von Nonnen liegt nur leicht über der ihrer Geschlechtsgenossinnen draußen; Mönche aber leben fünf Jahre länger als Männer in anderen Berufen und Berufungen.
Damit ist eindeutig widerlegt, dass wir Männer rein genetisch dazu verdammt sind, früher zu sterben! Und was heißt das nun? Ab ins Kloster, die Nahrung verknappen und auf Fortpflanzung verzichten? Welche Varianten der erotischen Energieverluste im Kloster praktiziert werden, entzieht sich meiner Kenntnis. Ehrlicherweise muss man aber sagen, dass der körperliche Verschleiß durch den Fortpflanzungsakt größere Opfer von der Frau verlangen kann als vom Mann. Ungefähr im Verhältnis von neun Minuten zu neun Monaten. Von der Zeit danach ganz abgesehen.
Sie genießen viel Routine, wenig Rattenrennen
Wenn Mönche nachts aufstehen, dann wegen der Stille, nicht um zu stillen. Und auch tagsüber genießen sie viel Routine, wenig Rattenrennen. Was tun Männer draußen nicht alles, um Aufmerksamkeit zu erregen im Kampf um die knappe Ressource Frau? Um Jesus zu folgen, braucht man keinen Porsche. Wer seine größten Karrierechancen erst nach dem Leben kommen sieht, verbringt weniger Energie mit Absicherung irdischer Hierarchien. Und obwohl die Braukunst in Klöstern floriert, sind Geistliche weniger anfällig für Rausch und Rauchen, die klassischen Männerkiller.
Könnte es sein, dass auch die Abwesenheit unnötiger Entscheidungen das Leben verlängert? Was ziehen wir heute an? Schnell beantwortet: Die gleiche Kutte wie gestern - wenn das alle so machen, muss sich keiner dafür schämen. Jeden Tag ist eine halbe Stunde gespart; bei Nonnen bis zu zwei Stunden. Wann gibt es heute eine warme Mahlzeit? Seit 500 Jahren zur gleichen Zeit! Früh aufstehen klingt hart, aber man geht ja auch früh zu Bett. Im Kloster finden auch nicht jeden Abend 300 Parallelveranstaltungen statt, zwischen denen man sich nicht entscheiden kann. Was muss ich als Mönch heute alles lesen? Ach, nur das eine Buch! Da gibt es doch tatsächlich seit 2000 Jahren das gleiche Buch zu lesen. Und es wird offenbar nicht langweilig.
Wer "einfach" lebt, wird "mehrfach" belohnt
Egal, ob man ein Leben nach dem Tode erwartet oder nicht: Zu eilig sollte man es nicht haben, das herauszufinden. Wer "einfach" lebt, wird "mehrfach" belohnt. Die Mönche zeigen: Männer leben länger als "Brüder" denn als "Rambo". Es ist so einfach, glücklich zu sein. Schwierig ist es nur, einfach zu sein.