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Schweinefleisch: Ferkel auf einem Biohof und im größten Sauenstall des Landes.

Schweinezucht in Deutschland Der grausame Umgang mit Ferkeln in der Massentierhaltung – Biohof zeigt, wie es anders geht

Diese Szenen zeigen Schweine aus Betrieben, die irgendwann auf einem Teller landen werden – als Schweinebraten, Schinken oder Speck. Die Deutschen essen gerne Schweinefleisch – 2018 sind es pro Kopf rund 36 Kilogramm. Unter welchen Umständen die Tiere aufwachsen, hängt dabei stark von dem Betrieb ab, in dem sie geboren werden. stern-Autor Norbert Höfler besucht einen Biohof und den größten Saustall des Landes.

Biohof und Massentierhaltung


Auf dem Biohof von Bauer Christoph Dietzel in Nordhessen gibt es noch richtigen Schweinesex. Die Tiere paaren sich im Stall. Anders sieht es im Betrieb der der LDF-Holding in Sachsen-Anhalt aus. 50.000 Sauen bringen hier jeden Tag 4000 Ferkel zur Welt. Doch Schweinesex sucht man hier vergeblich. Die Sauen werden künstlich, mit Beutel und Schlauch, besamt. Ein Plastikbügel auf dem Rücken der Sauen simuliert dabei den Eber. Damit die Tiere in Wallung geraten, werden die Eber in Riechnähe an ihnen vorbeigetrieben. Eine Art Peep-Show für Schweine.

Ferkel werden "marktgängig" gemacht – ohne Betäubung


Nach der Geburt bleiben die Tiere auf dem Biohof zwei Wochen mit ihrer Mutter in einem Stall mit Stroh und Auslauf. Danach ziehen sie in einen Gruppenstall. Nach weiteren sieben Wochen geht es in den Maststall, wo die Schweine nach acht Monaten ihr Schlachtgewicht von 110 Kilogramm erreichen. Bei der LDF-Holding gibt es kein Stroh in den Ställen. Neugeborene Ferkel fallen auf den kalten Spaltenboden, durch den der Urin und der Kot der Tiere in die Jauchegrube abfließen. Ihre Mutter liegt in einem sogenannten Ferkelkorb. Den Ferkeln werden in den ersten Lebenstagen die Ringelschwänze abgeschnitten. "Marktgängig machen“ nennen die Halter diese grausame Prozedur, die gegen den Tierschutz verstößt, in den allermeisten Betrieben jedoch durchgeführt wird. Damit die Ferkel die Zitzen ihrer Mutter nicht verletzen, werden ihre Eckzähne abgeschliffen. Die Tiere werden geimpft, mit Ohrmarken versehen und ihnen wird ein Anti-Durchfallmittel direkt in die Speiseröhre gespritzt. Die männlichen Ferkel werden außerdem mit einem Skalpell kastriert – all dies geschieht ohne Betäubung. Die Tiere werden dann an Mäster in ganz Deutschland verkauft. Vier Monate später sind sie schlachtreif.

Bioschwein ist die absolute Ausnahme


In Deutschland leben 16.000 Sauen wie auf dem Biohof von Bauer Christoph Dietzel. Eine absolute Ausnahme, denn der Marktanteil von Bioschwein beträgt lediglich 0,5 Prozent. Um die Lebensumstände der übrigen 99,5 Prozent zu verbessern, raten Experten zu einer Fleischabgabe von 40 Cent pro Kilo. Mit den Einnahmen sollen Landwirte beim tierfreundlichen Umbau ihrer Ställe unterstützt werden. Einem durchschnittlichen Verbraucher würden durch die Abgabe Mehrausgaben von rund 30 Euro im Jahr entstehen. Kein großer Unterschied im Geldbeutel der Kunden – doch für die Schweine würde es ein besseres Leben bedeuten.
 Ferkel stehen in einer Box in einer Schweinezuchtanlage.

Das Schweinesystem 20 Millionen Ferkel werden pro Jahr qualvoll ohne Betäubung kastriert – auf dem Biohof ist das anders

Ein Stall in Korbach bei Hessen. Hier werden Schweine gezüchtet. Bio-Schweine.


750 Mastschweine zieht Landwirt Christoph Dietzel pro Jahr auf seinem Hof groß. Sie landen als Wurst oder Schnitzel in den Fleischtheken der Supermärkte.


„Auch ein Biobetrieb ist kein Ponyhof. Auch da werden Tiere aus einem bestimmten Grund gehalten und dem muss man sich auch bewusst sein. Aber ich glaube, wenn man sich dem auch bewusst ist, dann geht man mit den Tieren auch anders um.“ (Christoph Dietzel)


Tierwohl wird auf dem Bio-Hof groß geschrieben. Die Schweine leben in kleinen Gruppen, haben Auslauf und können unter freiem Himmel im Stroh wühlen.


Aber auch auf Biohöfen bleibt den männlichen Ferkeln eine Prozedur nicht erspart: Sie werden kastriert.


Die Hoden müssen entfernt werden, weil Schnitzel von nicht-kastrierten Ebern beim Braten manchmal unangenehme Gerüche verbreiten können.


Tierärztin Gabriele Decker-Fischer unterstützt den Bio-Landwirt bei der Operation.


„Ich komme im Dreiwochen-Rhythmus. Das ist der Rhythmus, in dem die Sauen abferkeln. Die Tiere sind circa sieben bis zehn Tage alt. Je nachdem, wann die Sau geferkelt hat. Dann komme ich in den Stall, schaue mir die Tiere an, schätze das Gewicht ab und bereite die Narkosemittel vor.“ (Gabriele Decker-Fischer)


Fünf Sauen haben Ferkel bekommen. Etwa die Hälfte des Wurfs ist männlich und muss kastriert werden.


Auf dem Biohof werden die Hoden unter Betäubung entfernt. Die Tierärztin setzt die Narkosespritze. Der Bio-Landwirt verabreicht gleichzeitig ein Schmerzmittel.


Die Schweinchen dürfen während der Prozedur schlafen.


 „Das geht sehr ruhig ab. Die Tiere schlafen, zeigen keine Abwehrreaktion. Selbst, wenn man sie hochnimmt. Klar das Tier schläft und das ist in konventionellen Betrieben natürlich anders. Der erste Stress entsteht, wenn die Tiere hochgenommen werden zum Kastrieren. Und natürlich sind die Schnitte schmerzhaft und bedeuten auch Stress für die Tiere.“ (Gabriele Decker-Fischer)


Vor der Umstellung auf Bio, hat Christoph Dietzel seine Ferkel viele Jahre lang ohne Betäubung kastriert. So wie es in Deutschland jedes Jahr 20 Millionen mal geschieht.


In konventionellen Betrieben durchleben die Schweinchen die Kastration noch immer bei vollem Bewusstsein. Das ist eigentlich ein Verstoß gegen das Tierschutzgesetz. Aber eine Ausnahmegenehmigung bis Ende 2020 macht die Tierqual legal.


Auf dem Bio-Hof ist das anders.


„Ich weiß nicht, ob der Schmerz komplett weg ist, aber das Schmerzmittel hält 24 Stunden und nach 24 Stunden ist die Wunde eigentlich auch vernarbt, verheilt. Und von daher denke ich, dass es für das Tier deutlich angenehmer ist, als vorher. Auch wenn es kein schöner Prozess ist. Auch für den anwendenden Landwirt nicht.“ (Christoph Dietzel)


Nach einer halben Stunde sind alle 26 Tiere kastriert. Christoph Dietzel bleibt bei den Kleinen. Nach und nach wachen sie wieder auf.


Pro Ferkel kostet ihn die Narkose 5 Euro. Für das Wohl seiner Tiere nimmt der Landwirt diese Kosten gern in Kauf.


Nicht zuletzt, weil er für das Bio-Fleisch mit vier Euro pro Kilo im Verkauf den dreifachen Preis verlangen kann.






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