Wetterfühligkeit Wie dieser Sommer uns schlapp macht

Das ständig wechselnde Wetter schlägt vielen aufs Gemüt - und manchen sogar auf die Gesundheit. Wie Wetterfühligkeit wirkt, und was Sie dagegen tun können.

Mal warm und sonnig, dann wieder kalt und regnerisch - der wechselhafte Sommer macht vielen Menschen zu schaffen. Sie fühlen sich schlapp und müde, klagen über Kopfschmerzen oder schlechten Schlaf. Als Sündenbock für derartige Befindlichkeitsstörungen ist da schnell das Wetter ausgemacht, das Kapriolen schlägt.

Je nach Umfrage geben 30 bis 50 Prozent der Deutschen an, dass sie wetterfühlig sind. Doch was versteckt sich eigentlich hinter dem Begriff? Ist die Empfindlichkeit gegenüber Wetterlagen eingebildet oder ein ernstzunehmendes Problem? Inwieweit verstehen Mediziner und Meteorologen das Phänomen? Und welche Faktoren spielen dabei eine Rolle?

Unbestritten ist, dass das Wetter unseren Organismus beeinflusst. Eine ganze Wissenschaftsrichtung, die Medizinische Klimatologie, beschäftigt sich mit dem Thema. Doch auf der Suche nach den Faktoren, die dabei eine Rolle spielen, stehen Mediziner und Meteorologen vielfach noch am Anfang. Wirklich belegt ist vor allem der Einfluss des sogenannten thermischen Wirkungskomplexes auf unseren Körper.

Dahinter verstecken sich die vier Größen Temperatur, Strahlung, Feuchtigkeit und Wind. "Sie bestimmen den Wärmehaushalt des Körpers", sagt Hans Richner. Der Atmosphärenphysiker am Institut für Atmosphäre und Klima an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich untersucht seit einigen Jahrzehnten streng wissenschaftlich das Phänomen "Wetterfühligkeit".

Temperaturschwankungen sorgen für Stress

Da unser Körper bemüht ist, konstant seine Betriebstemperatur von 37 Grad zu halten, setzt es ihm zu, wenn Temperatur und Luftfeuchtigkeit bei schnellen Wetterumschwüngen schwanken. "Im Extremfall kommt der Körper dabei in einen Hitze- oder Kältestress", so Richner. Auch Angela Schuh, Professorin für Medizinische Klimatologie am Institut für Gesundheits- und Rehabilitationswissenschaften der Ludwig-Maximilians-Universität München kann diesen Zusammenhang bestätigen. "Wetterfühligkeit beruht auf einem Trainingsmangel unseres Körpers auf die thermischen Reize", sagt sie.

Denn Wärme und Kälte im Wechsel verlangen dem Körper viel ab: Um seine Temperatur konstant zu halten, muss er sich ständig umstellen. Ist es heiß, weiten sich die Hautgefäße, damit mehr Wärme über die Hautoberfläche abgegeben und das Blut abgekühlt werden kann. Ist es kalt, ziehen sich die Hautgefäße zusammen, weniger Wärme wird freigesetzt. Auch Herzschlag und Blutdruck verändern sich je nach Temperatur. Das Hin und Her der vergangenen Wochen ist daher für den Organismus belastend, ist Schuh überzeugt - es könne zu Kreislaufproblemen, Migräneanfällen und Erschöpfungsanzeichen kommen.

"Gesunde Menschen kommen mit dem Wechsel in der Regel aber gut klar", so die Medizinerin und Meteorologin. Gefährdet sind vor allem Menschen, die älter und körperlich nicht so fit sind. Ist ihr Organismus mit dem Wetterumschwung überfordert, sprechen Experten von "Wetterfühligkeit". Daneben reagieren auch Menschen mit Vorerkrankungen auf die klimatischen Bedingungen - Rheumatiker zum Beispiel. "Vor allem wenn es kalt wird und die Luftfeuchtigkeit steigt, haben sie Beschwerden", sagt Schuh. In diesem Fall wird das Phänomen als "Wetterempfindlichkeit" bezeichnet.

Viele Zusammenhänge noch nicht klar

Doch so klar, wie die Lage bei den thermischen Bedingungen ist, so wenig Einigkeit herrscht bei anderen Einflussfaktoren. Viele Zusammenhänge zwischen Reaktionen des Körpers und dem Wetter sind laut Richner noch spekulativ. "Es gibt Menschen, die haben Kopfschmerzen bei Föhn oder Verdauungsbeschwerden bei Westwinden", sagt der Atmosphärenphysiker. "Hunderte von Untersuchungen beschäftigen sich mit diesen Effekten, doch sie liefern häufig widersprüchliche Ergebnisse."

Lange standen Veränderungen des Luftdrucks im Verdacht, für die Wetterfühligkeit verantwortlich zu sein. "Doch das kann man heute mit Sicherheit ausschließen", sagt Richner. Bei Experimenten in einer Klimakammer seien Probanden kontrollierten Druckschwankungen ausgesetzt worden. Ein Versuch, aus dem sich keine schlüssigen Resultate ableiten ließen. Auch Schuh glaubt, dass Veränderungen des Luftdrucks, wenn überhaupt, eine kleine Rolle spielen.

Ähnliches gilt für andere Verdächtige: Zu den Auswirkungen von elektromagnetischen Impulsen, die bei einem Gewitter in der Luft liegen, gibt es ebenfalls nur widersprüchliche Ergebnisse. Auch Wettervorfühligkeit ließ sich wissenschaftlich bis jetzt nicht bestätigen. Allerdings schränkt auch der Skeptiker Richner ein: "Die Tatsache, dass wir außer bei den thermischen Faktoren keinerlei gesicherte Aussagen machen können, heißt nicht, dass es keine Zusammenhänge gibt. Aber wenn sie vorhanden sind, sind wir noch weit davon entfernt, sie zu verstehen."

Biowetter in der Kritik

Nicht viel hält der Wissenschaftler allerdings von manchen Biowetter-Vorhersagen, die zum Beispiel vor Phantomschmerzen oder Krämpfen warnen. "Das ist völliger Unsinn", sagt Richner. "Da Menschen unterschiedlich reagieren, fehlt dafür jede wissenschaftliche Grundlage." Angelika Grätz, Medizinmeteorologin beim Deutschen Wetterdienst, glaubt nicht, dass die Vorhersagen zu pauschal seien. "Besonders Menschen, die unter Wetterwechseln leiden, sind dankbar dafür." Der DWD bietet diesen Service ebenfalls an, unter anderem für Rheumatiker, Asthmatiker und Herz- und Kreislaufkranke.

Wetterfühligen rät Grätz, ihre Gefäße und ihren Kreislauf zu trainieren - durch Kneippsche Wechselbäder zum Beispiel oder Saunagänge. "Dabei ist es ratsam, die Fitness zu stärken, wenn es einem gut geht, damit man für Wetterumschwünge gewappnet ist." Temperaturwechsel aller Art zur Abhärtung empfiehlt auch die Medizinerin Angela Schuh. Denn obgleich das Wetter nicht zu beeinflussen ist: Wetterfühligkeit lässt sich durch Training abschwächen.

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