"Alle Hemmungen fallen lassen" Singen, Saufen, scheißegal – mit Newcomer Tommy Fieber beim "Ballermann-Award"

Ein Mann im roten Anzug, Sonnenbrille und Mütze springt in die Luft
Tommy Fieber, bürgerlich Julian Traute, ist Fachbereichsleiter im Einwohnermeldeamt der hessischen Kleinstadt Borken – und Partyschlagersänger.
© Lukas Zander / stern
Im hessischen Willingen kürt die Partyschlager-Szene ihre Besten. Mit dabei: Nachwuchsstar Tommy Fieber. Der sagt, er lebe seinen Traum. Ein Ortstermin. 

Um kurz nach 20 Uhr am vergangenen Sonntag verabschiedet sich der Moderator des Vorprogramms mit unüberhörbarer Vorfreude: "Ich geh jetzt richtig einen saufen!" Durchaus verständlich, wir sind hier ja beim Ballermann-Award. Bisherige Auftritte unter anderen von: Partymann Atze ("Cindy, Cindy, Cindy, sind die echt?"), den Gebrüdern Doof ("Moin, moin, guten Tach, saufen Cola und Korn") und Schäfer Heinrich ("Ich geh mit Flipflops joggen, um mich an das Geräusch von Sex zu erinnern"). Wer wollte da kein Bier!

Jetzt aber: Beginn des Hauptprogramms, erste Preisverleihung des Abends, Kategorie "Senkrechtstarter (Gruppe)". Die Gewinner heißen Kings of Günter, zwei junge Herren im Kurzarmhemd mit Ananas-Aufdruck. "Alle mal die Hände hoch", rufen sie von der Bühne. "Wer muss morgen arbeiten?" Einige Hände gehen hoch. "Wer hat morgen frei?" Wieder einige Hände. "Wer ist besoffen?" Diesmal ein paar mehr Hände. "Wem ist das alles scheißegal?" Na also: Diesmal fast alle Hände, und damit wären wir vielleicht auch schon beim Geheimnis des ganzen Abends angekommen, aber dazu später mehr. Zunächst einmal Musik ab: "Was ist mit der Fickerei-ei-ei, bist du dabei-ei-ei?"

Frontalansicht auf ein fröhliches Publikum, viele mit smartphones in der Hand
Zum "Ballermann-Award" im Willinger Brauhaus kamen nur die wirklich hartgesottenen Fans – die Veranstaltung fand an einem Sonntag statt.
© Lukas Zander / stern
Ein Mann in pinkem Top und pinkem Umhang steht die Arme nach oben in einem Eingang
Luca Valentino will der erste queere Ballermann-Star werden – auf Mallorca, sagt er, bekäme er viel Zuspruch. Auch aus der Partyschlagerszene, die nicht unbedingt für ihre Diversität bekannt ist. 
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Nahaufnahme eines Kühlers voll mit Wodka und Redbull auf einem Tisch mit vollen Gläsern
Nicht wenige Partyschlager drehen sich um Alkohol. Gleiches gilt für Schlagerpartys.
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Etwas abseits steht Tommy Fieber, Sonnenbrille, roter Anzug, zu diesem Anlass mit kurzen Ärmeln und Hosenbeinen, Basecap mit aufgedrucktem Schriftzug: #dermitdemrotenanzug. Auch er ist heute Abend nominiert, ebenfalls als Senkrechtstarter, aber eben als Einzelkünstler. Grundanspannung, sagt er, sei schon da. Wann seine Kategorie an der Reihe sei? "Weiß ich gar nicht, keine Ahnung."

Zum 16. Mal wird an diesem Abend der Ballermann-Award verliehen, nach Veranstalter-Beschreibung der "Party-Oscar", wobei das natürlich Quatsch ist, weil der Oscar im Dolby-Theatre in Hollywood verliehen wird, der Ballermann-Award aber im Willinger Brauhaus im Sauerland.

Mit vier Jahren konnte Tommy Fieber alle Texte von "Wolle" auswendig

Tommy Fieber, 27 Jahre alt, bürgerlich Julian Traute, ist eigentlich Fachbereichsleiter im Einwohnermeldeamt der 12.000-Einwohner-Stadt Borken, aber vor einiger Zeit hat er mal einen Wettbewerb einer Göttinger Diskothek gewonnen, seitdem ist er auch Partyschlagersänger. Erster großer Erfolg im vergangenen Jahr: "Maradona", inzwischen 3,8 Millionen Streams bei Spotify. Aktueller Hit: "Mein Alpaka". Er sagt, er lebe seinen Traum.

Fiebers Rezept: "Ich nehm mich selbst nicht ernst, damit auch die Leute sich nicht ernst nehmen." Da stellt sich sofort die zugegebenermaßen etwas zugespitzte Frage: Warum ist es Tommy Fiebers Traum, sich selbst nicht ernst zu nehmen? Und warum fahren die Leute bis nach Willingen, um sich ebenfalls nicht ernst zu nehmen?

Erschienen in stern 13/2024

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