"Hallo bin neu hier, bitte seid nett." So lautete der Titel ihres ersten Social-Media-Postings vor gut sechs Jahren. Diese Woche schrieb Anissa Badour, besser bekannt unter dem Namen Anni the Duck, nach einem bespiellosen Shitstorm: "Es tut mir von Herzen leid, dass Menschen um mich herum aufgrund meines Verhaltens und meiner Aussagen von mir verletzt wurden. Es tut mir leid, dass ich Euch enttäuscht habe."
Und dann erklärte sie, erst einmal nicht mehr als Content-Creator in Erscheinung zu treten. Was sich zwischen diesen Postings ereignete, ist ein Lehrbeispiel – für die Gier nach persönlichen Intimitäten, Dramen und Geld im Netz.
Anni The Duck und ihre Freundin werden zum Traumpaar der Szene
Als Anissa Badour 2017 ihre Influencerinnen-Karriere beginnt, ist sie 20, aufgewachsen in Mönchengladbach und hat gerade ein Informatik-Studium angefangen, das sie aber bald abbricht. "Anni The Duck" nennt sie sich nach ihrem Lieblingstier, der Ente. Wie in der Influencer-Szene üblich, tritt sie bei vielen anderen Netz-Stars auf. Sie bewegt sich im Milieu der Gamer und Cosplayer, die mit üppigen Kostümen Video- und Manga-Helden nachspielen, dort featured man sich oft und gerne gegenseitig. Und wie in der Influencer-Szene üblich, wird es sehr persönlich: Anni The Duck spricht über ihre Schönheits-OPs und chronische Depression. Sie outet sich als demi- und pansexuell, sie verliebt sich in die Influencerin Reved (bürgerlich Antonia Staab) und die beide werden für die Netz-Familie bis zur Trennung 2022 zum Traumpaar.
Dafür bekommt Anni The Duck nicht nur Anerkennung, Klicks und Likes. Auch Geld: Nach Schätzungen soll sie dank Werbeverträgen eine Viertelmillion Euro verdient haben, manche behaupten, es sei das Zehnfache. Sie hat eine Agentur, die Anni The Duck für Werbekampagnen vermarktet. Die Filmindustrie öffnet ihr die Tore: Im aktuellen "Garfield"-Streifen synchronisiert sie eine der Figuren. Anessa Badour hat es geschafft.
Plötzlich gilt Anni The Duck als Tierquälerin und toxische Persönlichkeit
Dann implodiert innerhalb von wenigen Tagen alles, was sie sich aufgebaut hat. Und natürlich beginnt es mit einem Posting: Auf X veröffentlicht eine frühere Freundin namens Mowky, ebenfalls Influencerin, eine lange Abrechnung mit Anni. Sie wirft ihr Tierquälerei vor, emotionalen Missbrauch, und sie macht verantwortlich sie für ihre Panikattacken und Nervenerkrankung. Es kommt aber noch schlimmer: Nach mehr als einem Jahr erinnert sich Annis Ex-Partnerin Reved an ihre Beziehung – und sie legt nach. Anni habe ihre Katzen vernachlässigt, sei manipulativ und bezeichne ihre Follower privat als "eklige, schwitzige Scheiß-Fans". Die drehen nun durch und forschen im Netz nach jedem Hinweis, um die Vorwürfe zu bestätigen.
Eine kluge, kurze Antwort und ein paar Tage Funkstille auf ihren Internet-Kanälen wären wahrscheinlich die beste Reaktion gewesen. Doch dazu ist zu viel Geld im Spiel: Sony Pictures, der Vertrieb des "Garfield"-Films, wird wegen des Shitstorms nervös und fordert eine sofortige Erklärung. Genauso Samsung.
Vier Tage später versuchte Anni The Duck alles wieder gut zu machen – doch vollkommen überfordert löste die 26-Jährige mit einem einstündigen Posting die endgültige Katastrophe aus: Sie stritt jede Form von Tierquälerei ab, sprach über die sexuelle Belästigung von Fans und machte ihrer Ex-Partnerin nun selbst Vorwürfe, eine toxische Persönlichkeit zu sein. Früher befreundete Streamer wandten sich von ihr ab und nutzten den Skandal für eigene Kommentare. Der nächste Shitstorm brach los. Aber es sollte noch schlimmer kommen.
Nach dem Shitstorm brechen die Umsätze um 30 Prozent ein
Der Skandal fraß in nur wenigen Tagen Annis Klickzahlen auf: Die Views allein auf YouTube fielen um 35 Prozent und sie verlor 30.000 Abonnenten. Zwei Wochen hörte man erst einmal gar nichts von Anni The Duck, dann postete sie ihr vorerst letztes Statement: Darin entschuldigte sie sich für ihre erste Entschuldigung und ihre "unsensible" Wortwahl, entschuldigte sich für die zahlreichen Enttäuschungen und gestand: "Ich bin gebrochen und brauche erst mal Zeit."
Jetzt macht sie Therapie.