"Ludendorff. Diktator im Ersten Weltkrieg" Das Ende eines "Kriegshelden"

General Erich Ludendorff gilt als eine der umstrittensten Figuren der deutschen Geschichte, als unheilvolle Brückenfigur zwischen Bismarck und Hitler. Der Historiker Manfred Nebelin versucht sich an einer Biografie.

Er wurde als "moderner Alexander" gefeiert, als "Held von Stahl". Zusammen mit Hindenburg errang Erich Ludendorff (1865-1937) zu Beginn des Ersten Weltkriegs den glänzenden Sieg von Tannenberg. Das machte ihn zu einem nationalen Heroen. Doch als der Krieg verloren war, verdüsterte sich das Bild schnell. Der glanzlose Abgang des Generals, seine schmähliche Flucht, später seine unrühmliche Beteiligung am Hitler-Putsch - all dies ließ ihn zu einer der umstrittensten Figuren der deutschen Geschichte werden, ja zu einer "Verhängnisgestalt".

Im Rückblick bleibt Ludendorff vor allem als ein Mitbegründer der berühmt-berüchtigten "Dolchstoßlegende" in Erinnerung. Danach wurde der Krieg nicht an der Front verloren, sondern durch "Verrat" in der Heimat. Weniger bekannt ist, dass es Ludendorff war und nicht Goebbels, der als erster den "totalen Krieg" definierte.

"Ludendorff. Diktator im Ersten Weltkrieg"

Von Manfred Nebelin
Siedler
Preis: 39,99 Euro

Ins Zentrum der Macht

In seiner 752 Seiten starken Biografie versucht der Dresdner Historiker Manfred Nebelin, das "Rätsel Ludendorff" zu lösen. Er sieht in dem politisch ambitionierten General nichts weniger als das "Scharnier" zwischen Bismarck und Hitler. Nebelin nimmt besonders die De-facto-Diktatur Ludendorffs im Ersten Weltkrieg unter die Lupe.

Der Historiker zeichnet zunächst den Weg seines Protagonisten aus der ostelbischen Provinz ins Zentrum der Macht nach. Ludendorff war bürgerlicher Herkunft. Umso ungewöhnlicher ist seine militärische Karriere im adelsfixierten Kaiserreich. Den entscheidenden Schub bekommt sie allerdings erst mit dem Kriegsausbruch 1914. Durch die Eroberung der belgischen Festung Lüttich und dann durch den Sieg bei Tannenberg wird Ludendorff zum "Retter des Vaterlandes".

Im Verlauf des Krieges wird Ludendorff immer einflussreicher, bis er sich zu einer Art Diktator aufschwingt, der sogar über Kaiser und Reichskanzler gebietet. Auf dem Höhepunkt seiner Macht jedoch begeht er entscheidende Fehler. Durch die Entfesselung des U-Bootkriegs zieht er die USA in den Krieg hinein, deren militärische und wirtschaftliche Stärke er vollständig unterschätzt. Im Herbst 1918 muss Ludendorff sich schließlich eingestehen, dass der Krieg für Deutschland verloren ist. Doch die Suppe sollen nicht etwa die gescheiterten Militärs, sondern die Parlamentarier auslöffeln - der Beginn der "Dolchstoßlegende".

Völkische Verirrungen

Nebelin zeigt Ludendorff als einen Mann, der in traditionellen militärisch-preußischen Kategorien dachte. So schloss er aus falsch verstandenem Ehrgefühl eine rechtzeitige Kapitulation aus. Sein politisches Weltbild war konservativ, in einigen wichtigen Punkten wiesen die Vorstellungen des Generals allerdings unheilvoll darüber hinaus.

So träumte er nach dem Sieg an der Ostfront von einem Ost-Imperium, einem "Imperium Germaniae", das schon direkt auf Hitler zu verweisen scheint: "Hier gewinnen wir Zuchtstätten für Menschen, die für weitere Kämpfe nach Osten nötig sind." Auch wie mit den Polen zu verfahren sei, wusste Ludendorff bereits: "Der Pole muss beherrscht werden Tag und Nacht; sonst fällt er über uns her."

Große Lücken

Nebelins Buch ist faktengenau und gut recherchiert. Allerdings ist es sehr konventionell politisch gehalten. Man würde sich insgesamt eine psychologischere Ausleuchtung wünschen. Obwohl der Autor private Korrespondenz heranziehen konnte, wird alles Nicht-Politische über die Maßen kurz gehalten. Dass Ludendorff nicht nur Kriegsherr war, sondern auch leidgeprüfter Vater, der im Krieg zwei Stiefsöhne verlor, erfährt man nur ganz am Rande ("Der Krieg hat mir nichts erspart").

Darüber hinaus bleibt das größte Manko, dass die Biografie 1918 endet. Ludendorff lebte aber noch zwei Jahrzehnte. Die Nachwirkung der "Dolchstoßlegende", Ludendorffs verhängnisvolle Verbindung mit dem frühen Hitler, die Rolle seiner völkisch bewegten zweiten Frau, die spätere Vereinnahmung Ludendorffs durch das Nazi-Regime - all diese Punkte kommen nicht mehr vor. Aber gerade sie dürften für den heutigen Leser von besonderem Interesse sein.

DPA
Sibylle Peine/DPA